Extremismus

Antifaschismus – linksextrem oder demokratische Pflicht?

30. Juni 2019

Der Verfassungsschutz Sachsen führt das #wirsindmehr-Konzert als Beispiel für eine linksextreme Veranstaltung in ihrem Jahresbericht auf. Ist diese Ansicht tatsächlich berechtigt? Ein Kommentar.

65.000 Menschen fanden sich am 3. September 2018 bei der #wirsindmehr-Demonstration in Chemnitz ein. Diese Aktion war Antwort auf etliche Rechte, die Tage zuvor durch die Innenstadt der sächsischen Großstadt gezogen waren, um rechte Parolen zu brüllen und Menschen anderer Ethnien zu verfolgen. Anlass hierfür war der Mord an einem Deutsch-Kubaner, der an seinen Verletzungen verstarb, welche ihm zwei Asylbewerber zugefügt hatten.

Ein halbes Jahr später wurden Teile des Konzertes vom Verfassungsschutz Sachsen in seinem Jahresbericht als Beispiel aus der „linksextremistischen Musikszene“ genannt. Die Begründung hierfür war:

Exemplarisch dafür stehen die Auftritte […] der Band ‚Feine Sahne Fischfilet‘ aus Mecklenburg-Vorpommern bei der Veranstaltung ‚Wir sind mehr‘ am 3. September in Chemnitz vor 65.000 ganz überwiegend nicht extremistischen Zuschauern. Sowohl in Redebeiträgen als auch im Rahmen des Auftritts der Band ‚Feine Sahne Fischfilet‘ wurde das Publikum erfolgreich mit ‚Alerta, Alerta Antifascista!‘-Rufen zu ähnlichen Rufen animiert.

Die Begründung des Verfassungsschutzes, warum die #wirsindmehr-Demonstration als linksextremistisches Beispiel gewertet werden kann, ist also, der Auftritt der Band „Feine Sahne Fischfilet“ und der Ruf „Alerta, Alerta, Antifascista“.

„Alerta, Alerta, Antifascista“ bedeutet so viel wie: „Achtung, Achtung, hier kommen die Antifaschisten“. Die Gruppe „Antifaschistische Aktion“ (auch „Antifa“ genannt) nutzt diesen Ruf oftmals als Erkennungszeichen. Der Ursprung des Ausrufes soll im Italien der 1920er Jahre liegen. Die Gegner des Diktators Benito Mussolini, welche sich als „Antifaschisten“ bezeichneten, sollen diesen Ruf bei Demonstrationen gerufen haben.

Es ist durchaus normal, dass dieser Ruf eine negative Konnotation besitzt beziehungsweise mit dem Linksextremismus in Verbindung gesetzt wird. Allerdings sollte bedacht werden, dass Antifaschismus und Linksextremismus nicht gleichzusetzen sind. Jeder überzeugte Demokrat ist automatisch Antifaschist, denn die Werte der Demokratie stehen denen des Faschismus gegenüber. Jedoch ist nicht jeder Antifaschist auch Demokrat.

Der Verfassungsschutz Sachsens beschreibt Linksextremismus wie folgt:

Linksextremisten streben die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung an. Stattdessen wollen sie eine sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft oder eine ‚herrschaftsfreie‘ anarchistische Gesellschaft etablieren.

Nicht alle 65.000 Besucher der #wirsindmehr-Aktion haben die Absicht, die Bundesrepublik Deutschland abzuschaffen. Einige der Besucher waren vermutlich eher wegen den Musikern dort und nicht unbedingt, um ein politisches Statement zu setzen. So verließen viele die Veranstaltung, nachdem die beiden Rapper „Marteria“ und „Casper“ aufgetreten waren, obwohl danach noch „Die Toten Hosen“ auftraten.

Der Verfassungsschutz Sachsen beschreibt in ihrem Abschlussbericht die Problematik, dass linksextremistische Musikgruppen die Möglichkeit bekommen, ihre Ideologie der breiten Öffentlichkeit indirekt aufzuzeigen, zu bewerben und damit zu normalisieren. Diese Ansicht des Verfassungsschutzes ist nachvollziehbar, allerdings ist fraglich, ob Bands wie „Feine Sahne Fischfilet“ oder auch die Rapgruppe „K.I.Z.“ tatsächlich linksextrem sind und ob Rufe gegen Faschisten als „Normalisierung von Linksextremismus“ gewertet werden können. Diese Bands rufen schließlich auf ihren Konzerten nicht dazu auf, Polizisten zu verprügeln oder auch Deutschland zu unterwandern.

Rufe gegen Rassisten, gegen Nationalsozialisten und gegen Faschisten sind nicht linksextrem. Zu diesem Schluss sollte jeder Demokrat kommen. Sich für die Grundwerte seines Landes einzusetzen und sich gegen Rechtsextremismus zu stellen ist nicht extrem. Auch nicht links. Es ist normal.