„Auch ich werde das die ersten Wochen beobachten, bevor ich mich impfen lasse oder Empfehlungen gegenüber meinen Patienten ausspreche.“
Große Fragen an den kleinen Stich
Der Durchbruch beim Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 rückt näher. Die Europäische Kommission hat am 21. Dezember erstmalig einen Corona-Impfstoff zugelassen. Das Mittel des deutschen Unternehmens Biontech und seinem amerikanischen Partner Pfizer soll ab dem 27. Dezember in Deutschland eingesetzt werden.
Neben der Kooperation Biontech / Pfizer hat auch der US-Pharmakonzern Moderna nach kurzer Entwicklungsdauer in der EU eine Zulassung beantragt. Lange Zeit rechnete die Forschung mit 15 bis 20 Jahren für die Entwicklung eines Impfstoffes. Doch neue Technologien und, im Fall von COVID-19, Vorerfahrungen mit verwandten Viren, wie das SARS- und MERS-Virus, ermöglichen eine schnellere Entwicklung. Die Wissenschaft habe in kurzer Zeit mehr Erfahrung mit den Corona-Impfstoffen gesammelt als mit Impfstoffen gegen andere Viren, so der Pressesprecher des Verbandes für forschende Pharmaunternehmen in Deutschland Rolf Hömke. Die Impfstoffe schützen nach bisherigen Erkenntnissen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vor einer Erkrankung. Biontech und Pfizer versprechen eine 95-prozentige Wahrscheinlichkeit, Moderna 94,5 Prozent. In den Testphasen zeigten die Impfstoffe geringe Nebenwirkungen: Kopf- und Muskelschmerzen sowie Schmerzen an der Einstichstelle. Dennoch könnten sich Geimpfte weiter mit dem Virus infizieren und es unbemerkt weitergeben. Zudem fehlen Daten zu Langzeitfolgen und wie lange der Impfschutz anhält. Ralf Hammer, Facharzt für Innere Medizin aus Karlsruhe, äußert sich skeptisch. Es sei in der Medizin immer so, dass in seltenen Fällen schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten. Bevor er sich oder seine Patienten impft, will er die ersten möglichen Reaktionen abwarten.
Bedeutet eine schnellere Entwicklung weniger Sicherheit?
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), zentrale Prüfstelle in der EU, beschleunigt die Zulassung der Impfstoffe. Dafür bietet sie ein „Rolling-Review“-Verfahren an. So können Hersteller parallel zu noch laufenden Studien Daten bei der EMA einreichen. Das Verfahren nutzten Biontech und Pfizer als auch Moderna. Die Arzneimittelagentur plant bis spätestens Mitte Januar, das zweite Prüfungsergebnis für den Moderna-Impfstoff vorzulegen. Rolf Hömke ist optimistisch, was weitere Zulassungen angeht.
Die beiden Hersteller beantragten eine „bedingte Marktzulassung“. Dabei sollen sie fehlende Daten, wie zur Langzeitwirksamkeit, so schnell wie möglich nachreichen. Liegen genügend positive Ergebnisse vor, kann die EMA die bedingte in eine reguläre Marktzulassung umwandeln. Sollte der Impfstoff weniger sicher oder wirksam sein als angenommen, kann sie die bedingte Zulassung zurückziehen. In Deutschland kontrolliert das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auch zugelassene Impfstoffe ständig auf ihre Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen.
Der Pressesprecher sieht bei den Impfstoffen besondere Herausforderungen in der Verteilung und Anwendung. Sie brauchen teilweise eine sehr kühle Lagerung. Zudem wird es laut Hömke zunächst nicht genügend Impfstoffe für alle geben. Deshalb seien besonders die in der Entwicklung zurückliegenden Projekte wichtig. Sie könnten nachhaltiger und effizienter sein als die bisherigen.
„Wir brauchen eindeutig noch mehr Impfstoffe.“
Weltweit entwickeln Forscher*innen weiter Impfstoffe gegen COVID-19. Falls die Projekte positiv verlaufen, können 2021 verschiedene Impfstoffe verfügbar sein. Erst wenn ca. 70 Prozent der Bevölkerung gegen das Virus immun sind, lassen sich nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) Übertragungen eingrenzen und die Pandemie durchbrechen. In Deutschland müssten dafür ca. 58 Millionen Menschen immun gegen das Virus sein. Pressesprecher Hömke und Hausarzt Hammer zufolge braucht es dafür noch Zeit.
Die Ergebnisse der Umfrage findest du hier.