Au revoir, Au-pair

Au-pairs leben und arbeiten in ihren Familien. Sie sind das älteste Geschwisterkind, Babysitter, Entertainer. Für eine Unterkunft ist also gesorgt, für Essen auch – sollte man meinen. Viele Erfahrungsberichte behandeln die gleiche Thematik: Leere Kühlschränke, 50 Stunden Arbeitszeit die Woche, übermäßige Tätigkeiten im Haushalt und das zu einem Hungerlohn.
Ein Au-pair ist ein junger Mensch, der meist für ein Jahr im Ausland in einer Gastfamilie lebt. Dort unterstützt er die Eltern primär bei der Kinderbetreuung und übernimmt leichte Tätigkeiten im Haushalt. Im Gegenzug hat das Au-pair die Möglichkeit eine neue Sprache und Kultur kennenzulernen und erhält zusätzlich ein Taschengeld von der Familie. Der Begriff stammt aus dem Französischen und bedeutet „auf Gegenseitigkeit“.
Die Kosten, um ein Au-pair Jahr zu machen, hängen vom Herkunfts- und Zielland (ggf. Visum, Reisekosten) und der Art der Vermittlung ab. Insgesamt kann es zwischen 50 und mehreren Tausend Euro kosten.
Für Au-pairs ist der verhältnismäßig günstige Auslandsaufenthalt einer der größten Vorteile des Konzeptes. Sie können an der Erfahrung wachsen und soziale Kompetenzen erlernen. Damit dies allerdings möglich ist, muss man genug Glück haben, an eine passende Familie zu geraten, die das Au-pair nicht mit einer billigen Putzkraft verwechselt. In Foren stößt man schnell auf Horrorgeschichten mit kontrollsüchtigen im einen und überforderten Gasteltern im anderen Extrem. Um die kostspielige Vermittlung durch eine Agentur zu umgehen, reisen viele Au-pairs privat ins Ausland. Dadurch fehlt ihnen jedoch eine Ansprechperson, die ihnen im Notfall helfen kann, um die Familie zu wechseln. Bei diesen Familien, die nicht durch Organisationen geprüft werden, sind schimmelige Zimmer, zwei bis drei Euro Stundenlohn oder zu lange Arbeitszeiten keine Seltenheit.
Verantwortung ohne Expertise
Hinzu kommt, dass nicht alle Au-pairs pädagogisches Wissen mitbringen. Einige haben vielleicht schon gebabysittet, aber das kommt keinem fachlichen Wissen gleich. In jedem Fall benötigen sie feste Anleitungen der Eltern, wie sie mit den Kindern umgehen sollen, da die Art der Erziehung nicht Aufgabe eines Au-pairs ist – lediglich die Umsetzung. Fehlen solche Richtlinien, prallen verschiedene Erziehungsstile aufeinander. Diese können auch zwischen den Au-pairs wechseln, was zu zusätzlicher Verwirrung bei den Schützlingen führen kann. Kinder testen gerne ihre Grenzen und Widersprüche in der Erziehung können dazu führen, dass sich die verschiedenen Parteien gegenseitig behindern und kein Stil wirklich erfolgreich ist.
Au-pairs sind kein Elternersatz
Neben den Au-pairs selbst, die unter der Erfahrung leiden können, darf auch die Perspektive der Kinder bei der Diskussion über das Konzept nicht außer Acht gelassen werden. Stabile Bezugspersonen, in den meisten Fällen die Eltern, sind notwendig, damit die Kinder zeitlich begrenzte und somit instabile Beziehungen verarbeiten können, wenn diese wieder enden. Der Psychoanalytiker John Bowlby, Begründer der sogenannten Bindungstheorie aus den 1950er und 1960er Jahren, war selbst als Kind häufig von wechselnden Kindermädchen betreut worden. Diese, für Bowlby traumatische, Erfahrung veranlasste ihn dazu, auf dem Gebiet zu forschen. Seine Theorie besagt, dass die Bindungen mit primären Bezugspersonen essenziell für die Entwicklung eines Kindes seien, insbesondere in den ersten Lebensjahren. Die Eltern sollten also trotz Au-pair weiterhin präsent bleiben und sich ausreichend um ihre Kinder kümmern. Das Au-pair sollte nicht die Person sein, mit der die Kinder am meisten Zeit verbringen und darf nicht zur primären Bezugsperson werden. Dazu kommt, dass die Wechsel zwischen den Au-pairs problematisch werden können, wenn die Eltern ihre Kinder nicht darüber aufklären und diese unter dem „plötzlichen“ Au revoir leiden.
Dementsprechend sollte es keine leichtfertige Entscheidung sein, nach einem Au-pair zu suchen. Gasteltern sollten alle Aspekte abwägen und sich darüber Gedanken machen, dass ein Au-pair keine billige Arbeitskraft ist, sondern, zumindest in Teilen, in die Familie integriert werden sollte. Die Eltern sollten zudem weiterhin die wichtigsten Menschen im Leben ihrer Kinder bleiben und sich nach der Arbeit genug Zeit für sie nehmen. Darüber hinaus müssen sie ihre Kinder auf die wechselnden Bindungen vorbereiten und ihnen klarmachen, dass ihr Au-pair nur auf Zeit da ist – und danach eventuell jemand Neues kommt. Alles andere wäre unverantwortlich, nicht nur den jungen Au-pairs, sondern insbesondere deinen eigenen Kindern gegenüber.
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