„Ich weiß nicht, ob es ein Sinneswandel von meiner Seite war oder ob nicht eher die Partei einen Sinnes- oder Seelenwandel hatte. Ich sage immer: Die Partei hat mich verlassen und nicht ich die Partei.“
Das Land der unbegrenzten Ungerechtigkeiten?
Sandra Blum (Name von der Redaktion geändert), 52, kann nicht fassen, „wie ein normal denkender Mensch Donald Trump unterstützen kann“.
Blum wanderte 1993 aus der deutschen Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler in die USA aus. Dort studierte sie in Arizona Politologie und Erziehungspsychologie. Mittlerweile lebt sie mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Tampa, Florida. Die starke Spaltung Amerikas in Demokraten und Republikaner trifft sie persönlich sehr.
Die täglichen Schlagzeilen aus Amerika sorgen auch in Deutschland bei vielen für Kopfschütteln. Laut einer Umfrage des Politmagazins Cicero verstehen über 68 Prozent die Zustimmung, die Präsident Donald Trump in den USA erfährt, nicht. Lediglich knapp zwölf Prozent befürworten seine Präsidentschaft.
Wer sind die wenigen Deutschen, die zu Donald Trump halten?
Einer von ihnen ist Benjamin Wolfmeier, 43. Er hat einen deutschen Vater und eine US-amerikanische Mutter. Seit Kindestagen brennt er für die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika. Er könne sich an keinen Präsidenten erinnern, der in drei Jahren Amtszeit so viele seiner Versprechen eingelöst habe wie Trump. An seiner Wohnzimmerwand hängt ein eingerahmtes Foto des Präsidenten.
Bis 2010 war Wolfmeier noch Mitglied der „Democrats Abroad“, einem Ableger der Demokratischen Partei. Dann wechselte er die Lager.
2016 führte er daher in Colorado Wahlkampf für Donald Trump. Bei Facebook ist er Administrator der Gruppe „Presidential election 2020“ mit mehr als 12.000 Mitgliedern. Seit 2018 agiert er zudem als einer von zwei Pressesprechern der „Republicans Overseas Germany“ und stellt sich immer wieder den Fragen der deutschen Journalist*innen.
Die von Blum bedauerte Polarisierung der USA sei laut Wolfmeier kein neues Phänomen: „Das Land war immer schon gespalten.“ Er glaube nicht, dass sich das während der Präsidentschaft Trumps weiter verhärtet habe, so ticke einfach die amerikanische Gesellschaft.
Krisenmanagement à la Trump
Die Covid-19 Pandemie hinterließ in keinem Land so viele Todesopfer wie in den Vereinigten Staaten von Amerika (Stand 28. Juni 2020). Die Schwächen des Sozialsicherungssystems der USA offenbarten sich zudem auf schmerzhafte Weise. Mehr als 45 Millionen Menschen verloren zeitweise ihren Job. Die Arbeitslosenquote schoss von 3,5 Prozent im Februar innerhalb weniger Wochen auf den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen: 14,7 Prozent. Der Arbeitsmarkt wird sich vermutlich nicht so schnell von diesem Schock erholen. Experten rechnen damit, dass diese Quote Ende 2021 weiterhin bei knapp zehn Prozent liegen könnte.
Donald Trump führt auf umstrittene Art und Weise durch die Krise. Drei Monate dauert es, bis er adäquate Maßnahmen ergreift, um die Pandemie auszubremsen. Durch das Verwenden von Begriffen wie „Kung Flu“ spielt er die Gefahr des Virus bis zuletzt herunter. Mitten in der Coronakrise kündigt Trump zudem der spendenfinanzierten Weltgesundheitsorganisation WHO die finanzielle Unterstützung und Zusammenarbeit.
Das Krisenmanagement des Präsidenten beurteilt Wolfmeier „für das, was da reingerollt ist von China“ als angemessen. Es sei unfair, die Vereinigten Staaten von Amerika mit Ländern wie Deutschland zu vergleichen. Die USA (etwa 330 Millionen Einwohner) müsse viel eher mit der Europäischen Union (etwa 450 Millionen Einwohner) verglichen werden. Dort stünde sie wesentlich besser da.
Die Europäische Union berichtete bisher rund 1,23 Millionen Infizierte und mehr als 132.000 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19. In der USA liegt die Fallzahl bei etwa 2,51 Millionen, die bestätigten Todesfälle bei über 125.000.
Quelle: Our World in Data, Stand 28. Juni 2020
No Justice, No Peace
In Amerika sterben vor allem Dunkelhäutige an den Folgen der Covid-19 Pandemie. Im Bundesstaat Illinois leben insgesamt 14 Prozent Afro-Amerikaner, der Anteil der dunkelhäutigen Toten beträgt dort 42 Prozent. Die soziale Ungerechtigkeit greift jedoch noch tiefer. Der gewaltsame Tod des Afro-Amerikaners George Floyd durch einen Polizeibeamten machte dies zuletzt erneut sichtbar. Eine weltweite Bewegung gegen Polizeigewalt und Rassismus ist ins Rollen gekommen, die zu nachhaltigem Wandel führen könnte. Doch die größtenteils friedlichen „Black Lives Matter“-Demonstrationen werden anfänglich von Vandalismus und Plündereien durch Pyromanen und Kriminelle überschattet.
Die Polizei vertreibt daraufhin gewaltfrei protestierende Menschen vor dem Weißen Haus mittels Tränengas und Gummigeschossen, damit der Präsident ein Fotoshooting vor der rund 300 Meter entfernten historischen St. John's Church machen kann. Dabei streckt er demonstrativ die Bibel in die Höhe. Sein Verhalten wird von vielen Seiten kritisiert.
„Das Benutzen der Bibel und sein Auftritt dort vor der Kirche waren ein Missbrauch von heiligen Symbolen. Trump hat sich Gott und die Kirche für seine Zwecke zu eigen gemacht.“
Auch der Politik- und Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Klaus Kamps, Experte für US-Politik, bewertet die derzeitige Lage der USA als kritisch. Er betont, dass demokratische Systeme nicht immer durch eine knackige Revolution abgelöst werden, sondern, dass sich autoritäre Systeme auch häufig Stück für Stück durchsetzen. „The Rule of Law“, zu Deutsch: die Rechtsstaatlichkeit, stehe in den USA gerade massiv unter Beschuss.
Ein Mann, ein Wort.
Die Erziehungspsychologin Sandra Blum meint, dass es bei Trump nichts gebe, woran sich Kinder ein Beispiel nehmen sollten. Sie stört vor allem seine Wortwahl. Bei illegalen Einwanderern aus Mexiko ist beim Präsidenten meist von einer „Invasion“ die Rede, dem „Chinese Virus“ erklärte er den Krieg, den „Black Lives Matter“ Demonstranten möchte er mit „Law and Order“ entgegentreten. Ihrer Meinung nach schüre diese militärische Sprache Ängste und Fremdenhass im Land.
Auch Benjamin Wolfmeier würde „persönlich als Mensch“ öfters eine andere Tonart wählen als Herr Trump, inhaltlich habe er ihm jedoch nichts vorzuwerfen.
Von einer Wiederwahl Trumps ist das Mitglied der Republikanischen Partei deshalb felsenfest überzeugt. Der Gegenkandidat der Demokraten, Joe Biden, sei ohnehin dement. „Jedem ist klar, dass Biden kein ganzes Jahr im Amt sein wird“, mutmaßt Wolfmeier.
Ob Donald Trump vier weitere Jahre im Weißen Haus verbringen darf oder nicht, wird sich am 3. November 2020 zeigen. Das amerikanische Volk entscheidet dann darüber, wie tief die Spuren sein werden, die er hinterlässt.
Prof. Dr. Klaus Kamps hat Hoffnung in die Demokratie.