Ein Boykott soll alles gutmachen?!
Es ist schon längst nichts Neues mehr: Die Gegebenheiten der Fußballweltmeisterschaft 2022 sind katastrophal. Im Vordergrund der Kritik steht der Bau der Stadien. Für diese werden Zehntausende Arbeitsmigrant*innen ausgebeutet und müssen bei bis zu 50 Grad Celsius Tag und Nacht arbeiten, ohne dass sie ausreichend Trinkwasser, Nahrung oder Entlohnung bekommen. Vorausgesetzt, sie überleben den Arbeitstag. Seit der Vergabe der WM in Katar sind bereits 6500 Arbeiter*innen gestorben, ohne dass wir davon viel mitbekommen. Die Regierung Katars setzt alles daran, dies nicht ans Licht kommen zu lassen. Und wir lassen sie.
Mittlerweile ist der erste Anpfiff nur noch ein Jahr entfernt und wir müssen uns endlich die Frage stellen: Wie gehen wir mit dem Dilemma Katar um? Weiter wegschauen, wie wir es bisher getan haben? Nein! Wir haben alle die Schlagzeilen in den Zeitungen gesehen und die Infoposts auf Instagram in den Feed gespült bekommen, eventuell kurz darüber nachgedacht und dann den Tab wieder geschlossen. Jetzt heißt es handeln, auch für jede*n Einzelne*n von uns, um gemeinsam etwas ändern zu können.
Was können wir tun?
Aktiv zuhören und uns informieren, Personen, die darüber posten, auf Social Media folgen, Infoposts teilen und so Handlungsdruck auf DFB und FIFA ausüben. Klare Forderungen stellen und diese kundtun. Ich fange direkt mal an: Ich fordere die deutsche Nationalmannschaft dazu auf, endlich Stellung zu beziehen. Tragt eure Statements wieder auf den Rasen, wie ihr es schon einmal getan habt!
Dort müssen sie jetzt ansetzen und weiter machen, denn sie haben die Macht, den DFB und die FIFA so unter Druck setzen, dass diese die Situation vor Ort endlich aktiv verbessern.
Denn vor allem liegt die Verantwortung bei den Entscheidungsträgern, also DFB und FIFA. Die FIFA schreibt in einem Statement auf ihrer Website, sie seien sich der Situation bewusst und würden im Austausch mit Katar stehen. Dadurch ändert sich allerdings nichts. Wir brauchen nicht nur Reaktionen, sondern Aktionen. Die FIFA muss nicht nur mit den Menschen reden, sondern unterbinden, dass diese tragischen Ereignisse überhaupt passieren. Der DFB wird mit seinen Worten schon klarer: Er hält die Vergabe der Weltmeisterschaft an Katar als Austragungsort für eine Fehlentscheidung und fordert von der FIFA, entsprechend zu reagieren. Bisher erfolglos.
Konsequenz: WM boykottieren?
Die WM zu boykottieren wäre eine drastische Maßnahme, die wir ergreifen könnten. Hierbei sind die Meinungen jedoch zwiegespalten. In den sozialen Medien rufen viele Menschen zum dringenden Boykott auf, andere sprechen sich klar dagegen aus.
Doch ist ein Boykott der WM sinnvoll? Nein, das halte ich für kontraproduktiv. Dieselbe Meinung vertritt auch der DFB und ruft ausdrücklich dazu auf, die WM nicht zu boykottieren. Denn selbst wenn wir als Zuschauer*innen die Weltmeisterschaft nicht verfolgen, finden die Spiele trotzdem statt. Und auch im unwahrscheinlichen Fall, dass alle Spieler nicht an der WM teilnehmen, sind die vielen Arbeiter*innen bereits gestorben und wurden ausgebeutet. Es macht nichts rückgängig. Nein, es macht nur vieles sinnlos, was wohl noch tragischer wäre. Viel sinnvoller ist es, laut zu sein. Für dieses Mal ist es jetzt bereits zu spät, doch wir sollten die Spiele nutzen, um Öffentlichkeit für diese Probleme zu schaffen. Das alles sollte uns die Augen öffnen. Der Fußball ist an einem Punkt angekommen, an dem über Leichen gegangen wird, um Stadien zu errichten, Weltmeisterschaften auszutragen und Profit zu machen. Wir müssen uns im Kopf behalten, was hier passiert ist und dafür einstehen, dass wir das mitbekommen und schrecklich finden. Wir müssen verhindern, dass so etwas jemals nochmal passiert. Jede*r Einzelne trägt dazu bei, dass diese WM ein Mahnmal bleibt. Jede*r Einzelne hat eine Stimme, die er/sie nutzen sollte, um unsere Forderungen an die Menschen zu bringen, die tatsächliche Handlungen einleiten und aktiv etwas ändern können.