"Da wird das Geld echt knapp! Jetzt sind unsere Eltern unsere Hauptsponsoren!"
Gefangen am anderen Ende der Welt
Faszinierende Gebirge und traumhafte Strände – vier Wochen lang reise ich mit meinen beiden Freundinnen durch das malerische Vietnam. Am letzten Abend unseres Aufenthaltes lassen wir es auf der „Backpackerstreet“, einem Partyviertel in der Stadt Ho Chi Minh, nochmal ordentlich krachen und geben unsere letzten Dong für Bier aus. Das schmeckt für die umgerechnet 35 Cent pro Flasche nämlich wahrlich fantastisch.
Plötzlich klingelt mein Handy. „Ihr müsst schauen, ob ihr morgen noch nach Hause kommt, die Grenzen werden dicht gemacht!“, schreit mein Vater aufgebracht ins Telefon. Ich halte das für einen schlechten Scherz, von den Einschränkungen wegen Corona ist in Vietnam bis dato nicht viel zu spüren. Ein Blick ins Netz verrät uns: Tatsächlich. Ab dieser Nacht werden die weltweiten Maßnahmen zur Eindämmung der Krise drastisch verschärft und ein Großteil aller Flüge gestrichen. Wir packen noch in derselben Nacht unsere Backpacks und machen uns auf den Weg zum Flughafen.
Ausnüchtern am Flughafen
Dort angekommen stellen wir verärgert fest, dass die Ansprechpartner*innen unserer Airline erst zwei Stunden vor Abflug vor Ort sein werden. Mit keinerlei Auskunft zu unserem Flug heißt es nun hoffen und warten – immerhin haben wir jetzt genug Zeit, um nüchtern zu werden.
Währenddessen erfahre ich von Freunden per Videocall, dass sie zeitgleich in Australien festsitzen. Doch leider haben sie nicht ganz so viel Glück wie wir, ihre Reise endet bereits, bevor sie begonnen hat. Aus ihrem Plan, die angesagtesten Surfspots abzuklappern, wird nichts. Kurz nach ihrer Ankunft in Sydney wird plötzlich alles geschlossen. Als sie weiter nach Melbourne reisen, herrscht dort bereits Ausnahmezustand. Zuerst Bars, dann Hostels, selbst Strände sind gesperrt.
Kompletter Lockdown
Beim Scrollen durch Social Media stellen wir fest, dass es Touristen weltweit gerade ähnlich geht. Unzählige Flüge wurden gestrichen und Menschen aus aller Welt bangen um ihren Rückflug in die Heimat. Grund dafür sind die strengen Beschränkungen des internationalen Flugverkehrs sowie Einreisebeschränkungen und Quarantänemaßnahmen vieler Länder, um der Verbreitung von COVID-19 entgegenzuwirken.
Auch die Jungs wollen nur noch eines: weg aus Australien und zurück nach Hause. Doch die Flughäfen sind dicht.
Rettungsflüge der Deutschen Bundesregierung
Aber was geschieht, wenn Staaten alle Reisen untersagen? Aufgrund des stark reduzierten Passagierverkehrs hoffen Hunderttausende Deutsche auf die von der Bundesregierung gestellten Rettungsflieger. Die Rückholaktion startet Mitte März, um gestrandete Deutsche mithilfe einer Zusammenarbeit des Auswärtigen Amtes und kommerziellen Fluganbietern zurückzuholen. Finanziert werden soll diese, laut Auswärtigem Amt, indem die Betroffenen etwa die Höhe der Kosten eines herkömmlichen Economy Tickets beisteuern. Der Rest solle mit Haushaltsgeldern abgedeckt werden. Auf die Anfrage hin, ob diese Kosten bereits zurückgefordert wurden, gab das Auswärtige Amt zum Zeitpunkt Mitte Juni allerdings keine Auskunft.
Geldsorgen machen sich bemerkbar
„Nach der Onlineregistrierung für das Rückholprogramm auf der Website des Auswärtigen Amtes bekamen wir per Mail mitgeteilt, dass es schlichtweg zu viele Anfragen gibt. Junge, Alte und Kranke werden bevorzugt behandelt", erfahre ich von meinem Freund Miloš auf die Frage, ob sie das Programm in Anspruch nehmen. Stattdessen folgt der Verweis auf eine Airline, die wohl noch regulär fliegen soll. Insgesamt dreimal geben die beiden Gelder für überteuerte Ersatztickets aus, in der Hoffnung, am Ende doch noch ohne Rückholaktion nach Hause zu kommen.
Zwei dieser drei Flüge werden gecancelt. Das Geld haben sie bis heute nicht gesehen. Unzählige Reisende plagt aktuell das gleiche Problem.
Prof. Dr. Ronald Schmid ist Rechtsanwalt und Experte für Fluggastrechte und Reiserecht sowie Mit-Herausgeber der Zeitschrift „Reiserecht aktuell“. Zurück in Deutschland frage ich ihn, welche Rechte man als Reisende*r in so einem Fall hat. Seine Antwort darauf ist eindeutig: Der Fluganbieter, bei dem man gebucht hat, sprich eine Leistung bezahlt, aber aufgrund von Corona nicht bekommen hat, ist verpflichtet, das Geld in Höhe der Flugticketpreise zurückzubezahlen. Häufig möchten die Airlines dabei nur Gutscheine als Rückerstattung anbieten. Der Rechtsexperte verweist hierbei auf die europäische Vorschrift der Fluggastrechte-Verordnung (offiziell: (EG) Nr. 261/2004). In dieser steht deutlich drin, dass der Flugpreis zurückzuzahlen ist. Die Zustimmung gegenüber einem Gutschein beruht damit auf freiwilliger Basis. Lehnt man diesen ab, ist die Fluggesellschaft verpflichtet, das Geld binnen sieben Tagen zurückzuzahlen.
Als wichtigen Tipp für die Zukunft rät der Experte Folgendes: „Damit solche Fälle erst gar nicht eintreten, würde ich entweder immer per PayPal bezahlen oder aber mit einer Kreditkarte, von der ich weiß, dass sie ein sogenanntes Charge-Back-Verfahren anbietet.“ Bei diesem Verfahren kann man innerhalb einer gewissen Frist die Bank verbindlich auffordern, das Geld beim Vertragspartner zurückzufordern, weil dieser seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, erklärt er. Unter Beachtung dieser Zahlungsmethoden können in Zukunft gestrichene Flüge also zumindest dem Geldbeutel keinen Schaden mehr zufügen.
Final Boarding Call for flight TK0163
Nach 16 Stunden Angst und Ungewissheit am Airport HCMC ist es endlich soweit. Das Airline-Personal läuft vor und öffnet den Check-In Schalter, unser Flug findet tatsächlich statt. Wir können unser Glück kaum fassen! Im letzten Flieger, der Ho Chi Minh am Tage des Lockdowns verlässt, sitzen meine beiden Freundinnen und ich mit breitem Grinsen.
Und auch bei meinen Freunden aus Australien klappt es, wenn auch erst im dritten Anlauf. Pünktlich zu Semesterbeginn landen die beiden in Deutschland.
Endlich zurück
Die meisten aller gestrandeten Touristen sind mittlerweile wieder zurück in Deutschland. Und schon beginnt das Fernweh. In einer Pressemitteilung des Auswärtigen Amtes appelliert Heiko Maas jedoch an die Vernunft der deutschen Bürger. Reisehinweise und -warnungen sollen dringend beachtet werden - eine zweite Rückholaktion wird es nämlich nicht geben.
"Jeder reist jetzt ganz bewusst auf sein eigenes Risiko, das er damit in Kauf nimmt!"
„Zu Beginn der Pandemie konnte man als Reisender noch sagen, man war vom Ausgang überrascht, da einfach keiner damit gerechnet hat. Jetzt weiß man als Reisender allerdings, was passieren kann und muss deshalb mit allem rechnen“, so Schmid. Er empfiehlt in naher Zukunft deshalb nur dort hinzugehen, wo man notfalls auch mit der Bahn oder dem Auto nach Hause kommt - ganz gleich, wie faszinierend und traumhaft das Ziel auch sein mag.
Die immer aktuellsten Reiseinformationen lassen sich der Website des Auswärtigen Amtes entnehmen:
https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/10.2.8Reisewarnungen