Superman auf beigem Grund
Die S2 nach Schorndorf kommt „in Kürze“. Superman sitzt mir gegenüber. Breit grinsend. Er sprüht vor Tatendrang. Das tut gut. Mit der Zeit gefriert sein Lächeln. Immerhin grinst er schon seit Monaten. Superman ist ein Graffito (ja, das ist der korrekte Singular). Seit diesem Sommer begrüßt er die Fahrgäste in der S-Bahn-Station „Universität“. Und er ist das Beste, was der Station hätte passieren können.
Es ist ein Rätsel, wie man eine Station bauen konnte, die so wenig Lebensfreude ausstrahlt. Die S-Bahn-Station „Universität“ hat nur einen Job: Die Studierenden willkommen heißen, ihnen einen Energiekick geben, ganz ohne Koffein und Zucker, und sie ins Abenteuer Unialltag schicken. Wahrscheinlich hatte man das auch im Sinn, als man technische Zeichnungen von großen Erfindungen an die Wände malen ließ. Schade nur, dass man dafür die Farben beige und braun auserkor. Beige wie der lehmige Schlamm auf den Trampelpfaden Richtung Hochschule. Beige wie der uninspirierte Mantel eines alternden Professors am Bahnsteig. Beige wie der Sand an diesen Stränden, an denen man dann doch lieber nicht Urlaub machen möchte.
Graffiti soll man nicht mehr sagen
Doch dann kam Superman. Genau genommen Nikolaus Hebding, Bahnhofmanager der Deutschen Bahn in Stuttgart und Umgebung. Er verstand und rief seine Schergen herbei: die Sprayer der Region. Bezahlt vom Geld der Deutschen Bahn. Sie durften das verschönern, was man nur verschönern konnte. Ich schätze selbst ein Dreijähriger mit Spraydose hätte der S-Bahn-Station neuen Charme gegeben. Die Aktion nennt sich „Bahnhof.Wand.Kunst“. Alles was man mit Punkten trennt ist cool, hat man Hebding wohl gesagt. Aber keine Häme: Das Projekt hat was gebracht. Zwar werden noch oft illegal Züge und Wände besprayt, aber die legalen Sprühereien helfen. An einigen Stationen in Stuttgart, im Norden wie auch im Sommerrain, zieren Graffiti von Künstlern wie Jeroo und Co die Wände. Krasse Graffiti.
Halt. Nein. Farbe auf mein Haupt. Graffiti soll man nicht sagen. Hebding erklärte den Stuttgarter Nachrichten, dass Graffiti Sachbeschädigung seien. In den Stationen findet sich heute Auftragskunst. Krasse Auftragskunst. Die Sprayer haben zwar „alle Freiheiten“, müssen aber ihre Entwürfe mit der Verwaltung abklären. Sprich: Sie haben nicht alle Freiheiten.
Superman ist nun seit ein paar Monaten da und grinst mich jeden Morgen an. Superman und ein paar Buchstaben, die ich nicht entziffern kann. Stuttgart könnte so cool sein. Dann: An der Ecke schrubbt ein Mann im Blaumann mit beißend stinkendem Lösungsmittel ein anderes Graffito weg. Das da war wohl nicht abgeklärt.
Endlich kommt die S2. Heute will ich der Deutschen Bahn eine Mail schreiben. Darüber wie cool sie doch sein könnte, dass Künstler*innen aber am besten sind, wenn sie wirklich frei sind.
Einen weiteren Teil der Kolumne "In Kürze" findest du hier.