„Das Wetter ist das Hauptthema in unserer Familie.“
Hat der Wintersport im Schwarzwald eine Zukunft?
Ein Blick auf die Skipiste am Ruhestein Ende Januar: Kratzende Skier in den Kurven. Schnee, der wie eine Puderwolke aufgewirbelt wird. Im Hintergrund ein leises Rütteln des Schlepplifts, frohes Gelächter, heiße Schokolade und eine lange Schlange vor dem Lift. Nina Trayer, die Inhaberin des Betriebs, arbeitet hinter der Theke der gut besuchten Bar am Fuße der Piste. Nur eine Woche später: Neun Grad Celsius, Sonnenschein und seit Tagen gibt es keinen Neuschnee. „Aufgrund der geringen Schneelage ist der Liftbetrieb bis auf Weiteres eingestellt!“, so steht es auf der Website des Skiliftbetriebs. Diesen Winter ist Schnee Mangelware.
Im Schwarzwald sind schneearme Winter keine Seltenheit mehr. Die Landesanstalt für Umwelt in Baden-Württemberg verzeichnet seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881 einen Jahrestemperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius. Der Trend ist eindeutig: Die Temperatur steigt an. Davon sind auch die höheren Ebenen des Schwarzwalds betroffen. Am Ruhestein bei Baiersbronn ist die Klimaerwärmung ein großes Thema. Familie Trayer betreibt dort seit 70 Jahren einen Skilift. Nina Trayer hat das Geschäft von ihrem Vater übernommen und ist seither Inhaberin des Schlepplifts, der Gastronomie und der Bar an der Piste. Hat der Lift geöffnet, arbeiten hier täglich bis zu 15 Angestellte.
Der Lift bleibt heute aus
Mitte Februar ist vom Schnee nicht mehr viel zu sehen. Auf dem ein Kilometer langen Hang überwiegen die grünen Grasflecken. Das Restaurant ist an diesen Tagen das Einzige, was geöffnet hat. Ruhe bedeutet das allerdings nicht. Nina ist damit beschäftigt, die zahlreichen Besucher*innen der Ruhestein-Schänke zu bedienen. Diese sitzen bei angenehmen Temperaturen auf der Terrasse und genießen die Sonne und das Zwitschern der Vögel bei Kaffee und Apfelkuchen. Sie erholen sich von Wanderungen in der Umgebung oder vom Besuch des gegenüberliegenden Nationalparkzentrums. Nina nimmt die Situation gelassen: „Früher gab es auch schon sehr schneearme Winter.“ Christoph Dreiser, zuständig für Klima-Monitoring im Nationalpark Schwarzwald, bestätigt, dass dieser Winter am Ruhestein seit Beginn der Messungen eine der geringsten Schneelagen vorweise. Er betont ebenfalls, dass schneearme Winter bereits vor über 50 Jahren vorgekommen seien. Jedoch lasse sich beobachten, dass diese immer weiter zunehmen.
Das tägliche Geschäft von Familie Trayer ist vom Wetter abhängig. Es entscheidet darüber, wie viele Besucher*innen zum Ruhestein kommen und somit auch darüber, wie viele Einnahmen generiert werden. Nina schaut über den Tag hinweg etliche Male auf ihr Smartphone: „Das Wetter ist das Hauptthema in unserer Familie. Wie sieht es aus? Was ist der Plan? Wenn für den ganzen Tag Regen vorhergesagt wird, brauche ich nicht so viel Ware und Personal.“
In den vergangenen 70 Jahren hat Familie Trayer versucht, ihrem Konzept treu zu bleiben: von November bis März täglich von 9 bis 22 Uhr mit ihrem Skilift zur Verfügung zu stehen. Das Problem ist aber immer häufiger: zu wenig Schnee. Erst ab 20 Zentimetern ist das Skifahren auf der Piste überhaupt möglich. In diesem Jahr musste der Skibetrieb während den Weihnachtsferien, den einnahmestärksten Wochen, geschlossen bleiben. Die Saison konnte erst Mitte Januar starten. Auch über die Faschingsferien Mitte Februar sieht es mit teilweise zweistelligen Temperaturen nicht nach einer Öffnung des Skilifts aus. Bereits die letzten zwei Jahre konnte durch den Schlepplift kein Umsatz generiert werden. „Während des Corona-Lockdowns hätten wir auch über Weihnachten super Schnee gehabt, da hatten wir nur leider durchgängig geschlossen“, bedauert Nina.
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Nach Schneefall ist der Parkplatz voll
Bei guten Schnee- und Wetterverhältnissen kann der Skilift mit Flutlicht bis 22 Uhr geöffnet bleiben. Auch wenn Nina gerade nicht das Wetter überprüft, ist eine Hand dennoch dauerhaft am Telefon. Ständig ruft jemand an, um sich zu erkundigen, wie der Schneebestand an der Piste ist. An manchen Tagen muss Nina das Telefon sogar ausstellen, da sie sonst keine Zeit für andere Aufgaben findet. Trotz Webcam auf der Internetseite, die in kurzen Abständen aktualisiert wird, sind die Besucher*innen skeptisch und wollen sich nochmal telefonisch absichern, bevor sie sich auf den Weg zur Piste machen. Das hält sie jedoch nicht davon ab, zahlreich am Skihang zu erscheinen. In den letzten Jahren hat sich der Andrang sogar vergrößert. „Am Wochenende ist der Parkplatz an schneereichen Tagen bereits um halb Zehn voll“, schildert Nina.
Seit einigen Jahren ist es möglich, beim Ruhestein Skiausrüstungen zu leihen. Dieses Angebot wird nach eigenen Angaben auch sehr häufig genutzt, da sich viele Hobbyfahrer*innen aufgrund der hohen Anschaffungskosten keine neue Ausrüstung mehr anschaffen wollen. Laut Nina stellen sich viele die Frage, wie lange der Wintersport im Schwarzwald so noch möglich sein werde und ob sich die hohen Anschaffungskosten lohnen. „Es ist jetzt alles viel schnelllebiger. Viele Unerfahrene leihen sich Ski und bemerken dann, dass der Sport doch nicht so einfach ist, wie sie sich das vorgestellt hatten.“ Dadurch komme es in diesem Jahr häufiger zu schweren Verletzungen.
Wärmere Winter – neue Konzepte
Wie es in der Zukunft weitergeht, beschäftigt Nina durchaus: „In der Familie reden wir schon viel darüber und haben Angst, dass es irgendwann nicht mehr so sein wird. Mein Vater sagt immer, er ist froh, dass er schon so alt ist.“ Jedes Jahr muss im Oktober oder November entschieden werden, ob weiterhin TÜV für die beiden Schlepplifte beantragt werden soll. „Es muss trotz allem gemacht werden. Falls es im Winter wärmer werden sollte, müssen wir bereit sein, falls es doch noch kälter wird. Man muss also erst investieren und dann hoffen, dass es neu schneit“, erläutert Nina.
Die Möglichkeit, den Hang mit künstlichem Schnee beschneien zu lassen, hat Familie Trayer nicht. Abgesehen von den hohen Anschaffungs- und Stromkosten benötigen Schneekanonen eine Verbindung zu einem Speichersee, der beim Ruhestein nicht zur Verfügung steht. Hans Schipper, Leiter des Süddeutschen Klimabüros am Karlsruher Institut für Technologie, sieht Schneekanonen als keine langfristige Lösung. Durch ihren enormen Wasser- und Energieverbrauch schaden sie der Natur zusätzlich und sie können gut befahrbaren Schnee erst ab einer Außentemperatur von minus drei Grad Celsius produzieren.
„Wir werden immer ein Ausflugsziel bleiben.“
Um das zeitweise Ausbleiben des Schnees auszugleichen, hat sich Familie Trayer bereits eine Alternative überlegt. Einer der beiden Lifte wurde zu einem Kombi-Lift umgebaut. Damit kann der Schlepplift vom Winter im Sommer als Sesselbahn verwendet werden. So wird die Region auch an warmen Tagen attraktiver und auch in der Gaststätte herrscht mehr Betrieb. Nina bemerkt jedoch, dass der Andrang nicht derselbe ist wie in der Wintersaison. Wandertouren bietet das Familienunternehmen nicht an, das übernimmt der Nationalpark. Auch Schipper betont, dass sich Skiliftbetriebe Alternativangebote überlegen sollten. Allgemein sei zu beobachten, dass die Menschen immer kurzfristiger Ausflüge oder Skikurse im Schwarzwald buchen. Das erschwert die Planung für Familie Trayer, da oft nur schwer einschätzen ist, wie viel Ware und Personal gebraucht wird. „Wir werden immer ein Ausflugsziel bleiben. Wenn es keinen Schnee mehr hat, kommen die Leute halt das ganze Jahr zum Wandern“, erklärt Nina. Sie werde sich in der Zukunft auf einen anderen Bereich fokussieren müssen, da sie irgendwann auch nicht mehr gegen die Klimaerwärmung steuern könnten. Die Besucher*innen sollen dafür schrittweise an neue Konzepte wie die Sesselbahn gewöhnt werden.
Schipper betrachtet die schneereichen Winter im Schwarzwald als gezählt. Geschlossene Schneedecken seien in etwa 15 Jahren unterhalb einer Höhe von 1500 bis 2000 Metern eine Seltenheit. Die meisten Skilifte im Nordschwarzwald liegen circa 1000 Metern oberhalb des Meeresspiegels. Dazu gehört auch der Ruhestein. Forscher*innen rechnen bis 2050 mit bis zu 44 Prozent weniger Schneetagen in den Gipfellagen des Schwarzwalds.
Wie genau das Geschäft in den kommenden Jahren weitergeht, ist noch unsicher. Für Nina ist fraglich, ob es überhaupt möglich sein wird, das Skilift-Geschäft noch an die nächste Generation weitergeben zu können. Sicher ist, dass in den nächsten Jahren ein Wandel stattfinden wird, an den sich die Familie anpassen muss.
Solange ausreichend Schnee auf dem Hang liegt, hört man am Ruhestein weiterhin kratzende Skier. Jedoch werden diese Geräusche in Zukunft wohl eher durch klimperndes Geschirr in der Schänke, Vogelgezwitscher und knirschende Wanderschuhe ersetzt. Auch wenn sich die Wintersaison verkürzen wird, blicken Nina und ihre Familie optimistisch in die Zukunft. Sie werden weiterhin freudig Besucher*innen am Ruhestein empfangen, egal ob am Schlepplift, der Sesselbahn oder in der Gaststätte.