Letzte Worte 3 Minuten

"Ich bin gescheitert"

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„Der Schriftsteller ist ein Mensch, der andere Menschen dazu bringen will, sich die eigene Freiheit bewusst zu machen“- Bücher spielten in Sartres Leben eine zentrale Rolle. | Quelle: Emely Sträter
15. Juni 2025

Menschen gehen, Worte bleiben. In dieser Kolumne geht es um die letzten Sätze berühmter Persönlichkeiten und was sie uns damit über ihre Geschichte und das Leben zu sagen haben. – Warum trug Sartre so wenig Stolz in sich?  

Wir schreiben den 22. Oktober 1964. Jean-Paul Sartre lehnt seinen Literaturnobelpreis ab. Seine Begründung löst bei vielen ein Schmunzeln aus, denn er bekundet voller Entsetzen: „Ich sehe nicht ein, warum 50 alte Herren, die schlechte Bücher schreiben, mich auszeichnen sollten. Die Leser sollen sagen, was ich wert bin. - Nicht diese Herren!" 

Diese Geste offenbart: Jean-Paul Sartre war kein Fan von halben Sachen. Ganz nach dem Motto „Ganz oder gar nicht". Geprägt von Kompromisslosigkeit und dem Wunsch nach Freiheit und Gleichheit schrieb Sartre, was das Zeug hält. Seine letzten Worte mögen überraschen, denn er behauptet kühl: ,,Ich bin gescheitert". Als Romancier, Dramatiker, Religionskritiker, Revolutionsenthusiast, Publizist und Philosoph (Hab ich was vergessen?) machte er sich das Denken zur Lebensaufgabe. Letztendlich scheitert er so an seinen eigenen, sehr hohen Ansprüchen.

Wer also ist dafür verantwortlich, dass wir uns als Versager und Gescheiterte sehen? Kurz und knapp: Wir selbst.  

Authentizität auf die Eins

Es gab wenig, was Sartre so sehr missbilligte wie sich in Selbstmitleid suhlende Menschen. Dabei war es genau das, was er in seinem letzten Moment tat. Und das war gut so. Er war überzeugt davon, dass jeder Mensch zur Freiheit verurteilt ist. Nichts Übersinnliches, keine vorgezeichnete Ordnung. Nur ein Individuum, dem es gilt, sich selbst eine Bedeutung zu schaffen, einen Lebenssinn (Eine ziemlich große Aufgabe, wenn ihr mich fragt.). Seinen Lebenssinn fasste er in philosophischen Werken zusammen. Geleitet von der Idee der Selbstverantwortung des Existenzialismus, wollte er die gesellschaftliche Ordnung revolutionieren (Ich sage es nochmal: eine ziemlich große Aufgabe, wenn ihr mich fragt.) Auch in der Politik sah er Grund zu Revolution. Der Wunsch nach einer gerechteren Gesellschaft wuchs, sollte nicht zur Realität werden. Trotz seiner Solidarisierung mit Studenten und Arbeitern und seinem Einsatz bei vielen Protesten gegen Kolonialkriege, verharrte die Gesellschaft wie sie war. Steif und ungerecht. 

All die Mühe, und jetzt?!

Zwischen all dem Pessimismus und der großen Frage des Warums ist vor allem eins wichtig: Wir scheitern nur an unseren eigenen Ansprüchen, niemand verurteilt und enttäuscht uns so sehr wie wir selbst. Denn wer sich für die eigene Freiheit entscheidet, macht sich verletzlich. Verletzlich für die Ungewissheit, das Scheitern und der Wahrscheinlichkeit, sich selbst nie ganz gerecht zu werden. Scheitern ist kein Makel, kein Nachteil, sondern liegt einfach der Tatsache zugrunde, dass wir alle nur Menschen sind. Denn wir alle stellen uns ab und an die Frage: Was wenn es nicht klappt...?

Probieren wir’s aus! Enttäuschen wir uns selbst!