Polizei - perfekter Freund und Helfer oder doch auch fehlbar?

Was darf die Polizei und was darf sie nicht? Kann die Gesellschaft weg sehen, wenn ein Polizist im Rahmen des Dienstes seine Grenzen überschreitet? Grenzen, die ein*e normale Bürger*in nicht überschreiten darf. Und falls ja, was passiert, wenn andere deswegen zu Schaden kommen? Denn bei einem solchen Schaden sich gegen die Polizei zu wehren, kann eine Herausforderung darstellen.
In der immer wieder aufflammenden Diskussion um vermeintliches Fehlverhalten der Polizei besteht eine regelrechte Angst vor Kritik an der Institution. Zuletzt präsent waren der Fall um Lorenz A., einen beim Einsatz getöteten PoC* und der Skandal um den „ACAB“ – Pullover der Grünen-Jugend-Vorsitzenden Jette Nietzard. In der Debatte wird appelliert beschuldigte Polizist*innen nicht vorschnell zu verurteilen, während die Opfer häufig, schnell als Kriminelle diffamiert werden. Das Verhalten der Beamten wird ohne genaueren Blick als: „Es wird schon richtig so gewesen sein“, abgetan. In der Ermittlung um den Tod von Lorenz ist jetzt, nach knapp zwei Monaten klar: „Es gab keinen Warnschuss.“ Das war es dann aber auch wieder. Bei einer Strafanzeige gegen Polizeibeamte muss man mit einer Niederlage rechnen. Laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum, werden rund 93% aller Anzeigen gegen Polizeibeamte wieder eingestellt. Dazu kommt, dass auf eine Anzeige meist eine Gegenanzeige der Polizei folgt. Man steht also alleine da. Weder wird der eigene Fall fair aufgeklärt, noch kann man sich rechtlich wehren.
Umso wichtiger ist es deshalb die Solidarität der Gesellschaft. Warum es uns aber so schwer fällt, solche Situationen zu kritisieren und als Fehlverhalten statt unvermeidbarer Tragödie zu sehen, bleibt erst einmal offen. Das bedingungslose Vertrauen in die Polizei zeigt sich auch, in „dankbaren“ Instagram-Kommentaren. Bei den womöglich rassistisch motivierten Kommentaren unter Beiträgen zu Lorenz, finden sich eine Vielzahl von Menschen, die der Polizei eine Art Immunität von Fehlern zusprechen. Wenn ein Mensch von der Polizei erschossen wird, dann muss das ja einen triftigen Grund haben. Die Option eines Fehlverhaltens steht hier nicht im Raum.
Der Mythos einer unfehlbaren Polizei steht für diese Leute somit im Weg, eventuelle, strukturelle Probleme bei der Polizei zu erkennen und zu bekämpfen. Da hilft es auch nicht, dass die Aufklärung des Todesfalls die benachbarte Polizei Delmenhorst übernimmt. Die Polizei kontrolliert sich erneut selbst. Um eine lückenlose Aufklärung gewährleisten zu können, bedarf es aber einer verstärkten Kritik außerhalb der Institution. Die Polizei als bewaffnete Staatsgewalt verfügt über eine Macht, die wichtig für den Schutz und die Sicherheit der Zivilbevölkerung ist, trotz dessen, oder gerade deshalb auch permanent stark, kritisch Reflektiert werden muss. Wie im Fall von Lorenz noch mal deutlich wird, das vermeintliche Fehlverhalten von Beamt*innen kann Leben kosten.
Es ist wichtig, dass der Polizist nicht vor der vollständigen Aufklärung verurteilt wird. Genauso wichtig ist es jedoch ihn nicht ohne weiteres freizusprechen. Die Polizei muss den Druck durch Außen spüren, damit Fehler nicht zugelassen werden.