Am I enough?
Frau Frener, Sie sind wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Medienpsychologie an der Universität Hohenheim. Glauben Sie, dass Jugendliche ohne Social Media glücklicher aufwachsen würden?
Nein, würden sie nicht. Es sind nicht soziale Medien, die jemanden glücklich oder unglücklich machen, sondern die Art und Weise, wie sie genutzt werden.
Würden Sie Selbstzweifel, vor allem verursacht durch Social Media, als eine Krankheit der Generation Z beschreiben?
Nein, ich glaube, dass es einfach eine neue Phase ist. Wir sind jetzt in einem Zeitalter, in dem Social Media das Ganze maßgeblich treibt – und wir waren früher in einem Zeitalter, in dem andere Medienformen wie Fernsehen, Zeitschriften oder Musikvideos mit sehr schlanken Personen das Ganze getrieben haben. Es handelt sich also eher um einen Paradigmenwechsel.
Woher kommt dieser dauerhafte soziale Vergleich aus psychologischer Sicht?
Diesen psychologischen Vergleich gab es schon immer. Es ist ein ganz normales menschliches Phänomen, dass wir versuchen, unsere Umwelt und die eigene Person einzuordnen. Dabei gibt es zwei Mechanismen: zum einen den sozialen Abwärtsvergleich mit Personen, die man als weniger kompetent oder schön einstuft – hierbei steigt der Selbstwert. Zum anderen den sozialen Aufwärtsvergleich: Ich schaue mir Leute an, die besser, schöner, schneller sind. Da ist das Ziel nicht das Ego-Pushing, sondern eher, dass ich mir an dieser Person etwas abgucken und dabei Neues lernen kann. Das ist erst mal ganz natürlich. Es stellt sich aber das Problem, dass bei Social Media diese Vergleichsprozesse anders aussehen als im realen Leben, weil wir viel mehr Vergleichsmöglichkeiten haben. Das führt dazu, dass gerade dieser Vergleich nach oben viel ausgeprägter ist.
Wie gefährlich können die Auswirkungen gerade für Jugendliche sein?
Es ist ein klassisches Problem im Teenager-Alter: Man löst sich von den Eltern als Vergleichsmaßstab und richtet den Vergleich stark auf etwa gleichaltrige Jugendliche, die man online und offline sieht. Problematisch ist dabei, dass vieles auf Social Media beispielsweise durch Filter beschönigt und verzerrt ist. Diese Veränderungen werden, wie Studien zeigen, von den Betrachter*innen oft nicht bemerkt, was einen starken negativen Einfluss auf das eigene Körperbild haben kann. Unter diesen Bedingungen steigt die Anfälligkeit für negative Konsequenzen wie Essstörungen, wobei das nicht unbedingt nur ein Phänomen von Social Media ist, sondern vor dem Social-Media-Zeitalter beispielsweise durch Jugendzeitschriften hervorgerufen wurde.
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Wie kann man diesem Problem selbst entgegenwirken?
Man hat es selbst ein Stück weit in der Hand: Ich kann bei der Nutzung von Instagram & Co beobachten, was mich triggert und was ein einzelner Post mit mir macht: Fühle ich mich danach besser oder schlechter? Man kann diesem Profil dann auch bewusst entfolgen und anderen folgen, die diese Gefühle nicht hervorrufen, wie Seiten zu Selbstliebe, Politik oder Nachhaltigkeit.
Zudem kann die Kommunikation außerhalb der Medien helfen. Im Gespräch mit Freund*innen merkt man schnell, dass es vielen ähnlich geht – es ist also nichts, was nur ich selbst empfinde, sondern ein Gruppenphänomen.
Können diese angesprochenen Selbstliebe-Accounts auf Social Media jungen Menschen wirklich helfen?
Prinzipiell ist „Body Positivity“ natürlich eine gute und wichtige Sache, aber es wird mittlerweile auch von Personen, die damit wieder ihren schlanken und trainierten Körper in Vordergrund rücken, fehlgenutzt. Da muss man klar unterscheiden: Sind es „klassische“ Influencer*innen, die unter #SameBodyDifferentPose Selbstdarstellung betreiben, oder sind es wirklich Accounts, die sagen, dass es nicht nur auf das Äußere ankommt, sondern auch auf viele andere Dinge – und die diese Dinge auch benennen können. Ich glaube, dass es solche nichtkommerziell geführten Seiten durchaus gibt und dass sie gute Aufklärungsarbeit leisten können – gerade, wenn es darum geht, was gefiltert ist und was nicht.
Selbstliebe-Accounts gegen den Schönheitswahn
Luisa Gaffga ist eine deutsche Selbstliebe-Influencerin. Sie hat selbst unter einer Essstörung gelitten und setzt sich jetzt für mehr Realität und Selbstliebe in den sozialen Medien ein. Ihre Plattform nutzt sie, um von ihren Erfahrungen zu erzählen und mit Self-Love-Affirmations und Selbstliebe-Tipps andere zu ermutigen, sich selbst zu lieben, zu akzeptieren und den eigenen Wert zu erkennen. Luisa erzählt, wie sie ihre Essstörung überwunden hat und welchen Tipp sie anderen geben würde.
Auch wenn es immer mehr Influencer*innen wie Luisa gibt, die sich dagegenstemmen: Filter, Photoshop und damit verbundene Schönheitsideale wird es geben, solange Social Media existiert. Letztendlich entscheiden wir mit den Inhalten, die wir konsumieren, aber selbst, wie viel Einfluss die Medien auf uns und unser Selbstbild haben.