Durch Yoga habe ich erst gelernt, dass Sport nicht wehtun muss.
Sport als Wunderlösung für Depressionen?
„Immer, wenn ich zur Arbeit gekommen bin, fühlte es sich an, als trete mir jemand in den Bauch,“ erinnert sich Jenny. Ihre Erklärung für die Magenschmerzen: der morgendliche Kaffee. Dann kamen hormonelle Probleme dazu, ihre Blutwerte tanzten aus der Reihe. Sie fuhr von einem Spezialisten zum nächsten, beim Psychiater fällt schließlich das Wort, das sie verwirrt zurücklasst: Depressionen. „Wie kann etwas, was so körperlich ist, vom Kopf kommen?“
Mittlerweile hat Jenny einen Blog, auf dem sie von ihrer Geschichte mit Depressionen erzählt. Sie will Menschen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Auch sie fühlte sich einsam. Zuzugeben, dass sie Depressionen hat, war ein riesiger Schritt. In der Anfangszeit ließ sie sich krankschreiben, blieb von der Arbeit fern. Bis die Krankenkasse anrief und ihr einen Aufenthalt in einer Rehaklinik anbot. Ihre Bedingung: ihren Hund mitzunehmen. Sechs Wochen verbrachte sie dort. Eine schwierige Zeit für sie. Strikter Plan, wenige Pausen. „Die Zeit hat mir nicht gutgetan. Entweder spricht man über seine eigenen Probleme oder hört sich in Gruppentherapien die Probleme anderer an. Und in der Mittagspause wird über das Essen gemeckert.“
Jenny macht schon ihr ganzes Leben lang Sport. Auch während ihres Klinikaufenthalts war es Teil des Therapieplans. Das Problem: Das System ist auf ältere Leute ausgerichtet. „Ich habe mich gefühlt wie ein Zirkuspferd. Entweder musste man im Kreis rennen und sich Bälle zuwerfen oder im Schwimmbad irgendwelche Hampelmannübungen machen.“
Bei der Suche nach Mitteln, die ihr gegen die Depression helfen, stieß sie ebenfalls auf Sport. Sie zwang sich zu Training, obwohl es immer wieder Wochen und Monate gab, in denen sie sich kaum aufraffen konnte. Dabei maß sie ihre Erfolge, kontrollierte Zahlen, kaufte sich Pulsmessgeräte, trieb ihren Körper an die Grenzen. Sport half ihr nicht, trieb sie weiter in das dunkle Loch. Bis sie mit Yoga anfing.
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Sie lernt, sich nicht unter Druck zu setzen. In der Ruhe des Yogas findet sie ihr Gleichgewicht wieder. „Ich kann mich erinnern, in meiner tief depressiven Phase Fahrrad gefahren zu sein – und ich fahre schon mein ganzes Leben Fahrrad, seit zehn Jahren sogar Rennrad. Ich konnte plötzlich nicht mehr freihändig fahren. Ich habe die Balance nicht mehr gefunden.“
Erhöhte Ausdauer, gesenktes Risiko für Herzinfarkt, Muskelaufbau – dass Sport positive Effekte für den Körper hat, ist unumstritten. Was dabei im Gehirn passiert, ist noch nicht komplett erforscht. „Ausdauerbelastung fördert die Ausschüttung von Hormonen, die für die mentale Gesundheit förderlich sein können,“ erklärt Dr. Henning Budde, Professor für Sportwissenschaft und Forschungsmethodik an der MSH Medical School Hamburg. Diese Hormone können aber auch schädlich für die Psyche sein. Als Beispiel nennt er Cortisol, ein Stresshormon, das unter anderem bei mentalen Prozessen wie Kognition ausgeschüttet wird – und bei Depressionen.
Laut Dr. Budde weisen Studien darauf hin, dass zwei Aspekte wichtig sind, um ein verbessertes Lebensgefühl zu erzielen: regelmäßig und intensiv Sport machen. Welche Intensität sich richtig anfühlt, muss jeder selbst herausfinden. Doch es zählt: nicht unter Druck setzen! Das ist auch für Jenny eine wichtige Erkenntnis. „Wenn ich joggen gehe, bestimme ich das Tempo. Ich horche in mich herein: ‚Bin ich außer Atem? Tut's weh?‘ Dann spaziere ich.“
Auf die Frage, ob Sport Depressionen heilen kann, gibt es keine eindeutige Antwort. Wie in allen Aspekten im Leben zählt, dass jeder Mensch unterschiedlich ist. Was dem einen hilft, kann sich für den anderen falsch anfühlen. Trotzdem ist Bewegung wichtig für den Körper. Ob ruhigerer Sport wie Yoga oder intensive Cardio-Intervalle, regelmäßiges Training ist in jeder Hinsicht zu empfehlen.