Welcome to the Jungle
Der rote Schnabel blitzt in der Sonne, die hellgrünen Federn flattern im Wind. Hoch oben in der Baumkrone sitzt der exotische Papagei und schaut hinab. Hinab auf eine Baustelle neben einer achtspurigen Stadtautobahn. Es riecht nach Abgasen und Rauch. Laut schlagen die Glocken des Doms. Irgendwo schallt eine Sirene durch die Straßen. Der Papagei ist hier zu Hause: In der Millionenstadt Köln.
Seit den 60er Jahren leben Halsband- und Alexandersittiche in vielen europäischen Großstädten. Ursprünglich aus privater Haltung entflohen oder absichtlich freigelassen, haben sich die Tiere seitdem in den Städten angesiedelt. Am Rhein in Köln fühlen sich die Vögel besonders wohl. Sie sind bunt – so bunt wie Köln selbst.
Wenn ich sie in den Straßen sehe – insbesondere, wenn ich sie höre – zaubert mir das ein Lächeln ins Gesicht. Und so geht es vielen. Die meisten mögen die exotischen Bewohner. An einigen Fenstern werden sie sogar gefüttert. Auch sind sie ein beliebtes Fotomotiv. Köln hat einen besonderen Sound: „KRAAAH, KRAAAH“.
Paradiesvögel in High-Heels
Ein paar Straßen weiter: Rote Perücke, Make-Up, glänzender Schmuck, ein kurzer Rock und High-Heels. Das Outfit ist mühevoll zusammengestellt und schillert durch die Straßen Kölns. Eine Drag-Künstlerin ist auf dem Weg zu ihrem Auftritt am Abend. Sie ist bunt und fällt auf – wie die beliebten Papageien.
Doch hier ist es leider oft umgekehrt. Die Paradiesvögel unter uns Menschen werden nicht von allen gern gesehen. Geht man als Dragqueen auf die Straße, muss man sich leider immer noch vor Anfeindungen fürchten. Angst vor verbaler oder physischer Gewalt ist oft präsent. Und das selbst im bunten Köln. Hier wurden 2018 zwei bekannte Kölner Dragqueens auf dem Heimweg beleidigt, mit Getränken übergossen und geschlagen. Aufpassen muss man, wenn man nicht dem Mainstream entspricht und nicht grau in grau ist.
Dragqueens sind Menschen, die einen Beruf ausüben, eine Familie haben, in Frieden leben und ihren Hobbys nachgehen wollen. Nur eines unterscheidet sie manchmal von anderen: Das Aussehen.
Auch die grünen Papageien sind nicht besser als die Tauben in der Stadt. Beide hinterlassen ihren Dreck und vermehren sich immer mehr. Beide sind laut und beschallen die Straßen am frühen Morgen. Nur eines unterscheidet sie: Das Aussehen.
Doch ist das nicht unfair? Warum werden die Papageien für ihr buntes Federkleid geliebt, Dragqueens dagegen müssen sich fürchten? Hier muss sich unsere Wahrnehmung ändern. Denn die grünen Papageien zeigen eindeutig: Wir Menschen lieben bunte Vögel. So können die Dragqueens der Lüfte vielleicht ein Hoffnungsschimmer für die Paradiesvögel der Menschen in Köln sein.
Einen weiteren Teil der Kolumne „Der Mainstream" findest du hier.