„Man sagt im Recruiting gerne, man sollte eigentlich die faulen Leute einstellen, weil diese den effizientesten Weg finden, Dinge zu tun.“
Wenn ChatGPT deine Bewerbung schreibt
Mit freundlichen Grüßen ChatGPT – so müsste eigentlich die Grußformel in mittlerweile zahlreichen Bewerbungsanschreiben lauten. Bereits 19 Prozent der Jobsuchenden nutzen die KI, um ihr Bewerbungsanschreiben zu formulieren. Weitere 42 Prozent können sich vorstellen es zu tun. Dies ergab eine Studie des Recruitingsoftware-Anbieters Softgarden von September 2023.
Wozu überhaupt ein Anschreiben?
Ein Anschreiben zu verfassen ist lästig und zeitaufwändig, also warum sich nicht von einer künstlichen Intelligenz helfen lassen? Dafür ist zunächst wichtig, was eigentlich der Mehrwert eines Anschreibens ist. HR-Experte Prof. Dr. Michael Weißhaupt ist der Meinung, dass klassische Bewerbungsanschreiben in den letzten Jahren bereits ohne den Einfluss von KI an Bedeutung verloren haben. Wieso, erklärt er hier:
Auch aus eignungsdiagnostischer Sicht habe das Anschreiben keine Relevanz. Laut Weißhaupt sind darin kaum Informationen enthalten, welche einen prognostischen Schluss darauf zulassen, ob sich die bewerbende Person für die ausgeschriebene Stelle eignet. Prognostisch relevante Informationen wie die Berufserfahrung oder Schulbildung könnten dem Lebenslauf entnommen werden.
Doch warum wird ein Anschreiben dann trotzdem noch von vielen Unternehmen in Bewerbungsunterlagen erwartet? Eine Antwort darauf hat HR-Business-Partner und Rekruter Daniel Gfrörer. Laut ihm liefert das Anschreiben einen guten Indikator dafür, ob eine Person authentisch ist. Es verleihe einer Bewerbung die persönliche Note, durch die sich Unternehmen ein gutes Gesamtbild der Person machen können. Außerdem lasse sich dadurch eine klare Motivation erkennen. „Mit den heutigen Online-Bewerbungstools können sich Bewerbende in 3 Minuten auf 6 Stellen bewerben“, so Gfrörer. Ein authentisches, auf die jeweilige Stelle zugeschnittenes Anschreiben kann seiner Meinung nach zeigen, dass die Person sich bewusst für diese eine Stelle entschieden hat. Wer sich also die Mühe macht, einen guten Text zu formulieren, sammelt bei dem Personaler Pluspunkte. Und nicht nur das: „Wer kein Anschreiben mitschickt, der hat es bei mir persönlich wirklich schwer, in die engere Auswahl zu kommen.“ Das Anschreiben ist demnach ein Türöffner, um überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.
Offenheit der Unternehmen für KI-Anschreiben
Um die genannte Motivation und Authentizität im Bewerbungsanschreiben rüberzubringen, darf es nicht zu generisch sein. Doch das ist genau die Gefahr, die KI-generierte Texte von ChatGPT mit sich bringen. Wenn die KI jedoch gut gefüttert wird, können wirklich überzeugende Anschreiben dabei herauskommen, die selbst von geschulten Recruiting-Verantwortlichen nicht als solche erkannt werden. Daniel Gfrörer steht dem Ganzen in seiner Funktion als Rekruter offen gegenüber. Laut ihm spreche es eigentlich sogar für die Bewerber*innen, wenn sie die neusten Technologien clever für sich nutzen: „Man sagt im Recruiting gerne, man sollte eigentlich die faulen Leute einstellen, weil diese den effizientesten Weg finden, Dinge zu tun.“
Außerdem gebe es ja immer noch den Gegencheck zum Rest der Bewerbungsunterlagen und letztendlich die Prüfung im persönlichen Gespräch. Spätestens dort stelle sich heraus, wenn die Person, die vor einem sitzt, nicht so ist, wie sie in ihrer Bewerbung vorgab zu sein. „Wenn das Gespräch allerdings bestätigt, was die künstliche Intelligenz geschrieben hat, dann ist das okay“, so Gfrörer.
Laut einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur herrscht auch unter den großen deutschen DAX-Unternehmen allgemeine Akzeptanz gegenüber KI-generierten Bewerbungen, wie die Zeit berichtet. Einige sind diesen gegenüber sogar sehr positiv eingestellt und beziehen sich auf die immer wichtiger werdende Kompetenz im Umgang mit künstlicher Intelligenz, welche dadurch von den Bewerbenden bewiesen wird.
Mit der Bewerbung glänzen
In Zeiten, in denen also nahezu jede*r eine perfekte Bewerbung erstellen kann, ohne sich dabei selbst zu bemühen, wird es für Jobsuchende immer schwieriger, mit ihrer Bewerbung herauszustechen. Mit folgenden Tipps können Bewerbende laut Gfrörer einen individuellen und bleibenden Eindruck hinterlassen.
Wie sich der Bewerbungsprozess zukünftig entwickeln wird und ob es das Bewerbungsanschreiben in zehn Jahren noch geben wird, ist ungewiss. Möglicherweise könnten laut Gfrörer auch ganz neue, interaktivere Verfahren und Medien die bisherigen Methoden ersetzen. Gut vorstellen könne er sich beispielsweise Bewerbungsvideos anstelle von Texten: „Wenn jemand in einem 30-sekündigen Video zusammenfasst, was ich sonst über zwei Seiten Lebenslauf lesen müsste, gern!“ Der persönliche Kontakt im Bewerbungsprozess wird seiner Meinung nach weiter zurückgehen. Einer Sache ist er sich allerdings sicher: Solange Menschen mit Menschen zusammenarbeiten, wird es auch im Bewerbungsprozess immer eine menschliche Komponente geben. „Ich bin davon überzeugt, dass auch in zehn Jahren die letzte Entscheidung noch von Menschen getroffen wird.“