„Einige Politiker*innen tun sich ja oft superschwer für Jugendliche mitzudenken und Kommunikation und Austausch zu suchen.”
Alte Politik vs. junge Bedürfnisse
„Wenn man jung ist und sich beschwert, dass irgendwas falsch läuft in der Politik, dann sollte man zum Arbeitskreis Stuttgarter Jugendrat (AKJ) gehen", meint Jugendrats-Sprecher Mehmet Ildes*. Er ist eines von 49 Mitgliedern des gesamtstädtischen Jugendrats Stuttgart.
Vor sechs Jahren hat Ildes sich das erste mal zur Wahl aufstellen lassen. Wie viele andere Jugendliche habe er bei seiner ersten Kandidatur sehr große Hoffnungen und Ambitionen gehabt, erklärt der AKJ-Sprecher. "Ist man dann Teil des AKJ, muss man erst mal feststellen, wie schwerfällig Politik sein kann". Bereut habe er die Entscheidung jedoch nie.
Die Wahlen des AKJ
Alle vier Wochen trifft sich der gesamtstädtische Jugendrat zu einer Sitzung, in der es zu Diskussionen und Abstimmungen kommt. Um Ideen umzusetzen, muss meist ein Antrag an den Gemeinderat gestellt und mit der Stadt zusammengearbeitet werden.
Brücke zwischen Jung und Alt
Auch die Kooperation mit gemeinnützigen Vereinen ist Teil der Arbeit des AKJ. „Team Tomorrow Stuttgart” ist eine dieser Organisationen. Ihre Mission: Eine Brücke zwischen „alter” Politik und jungen Menschen zu bauen. Um jugendliche Teilhabe zu stärken, organisiert „Team Tomorrow” beispielsweise Gesprächsrunden oder Interviews. Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Vereins, Tomma Profke, hat auch schon einige Erfahrungen in Zusammenarbeit mit dem Jugendrat Stuttgart gesammelt. Sie sieht die Kooperation als essentiell: „Sowas wie der Jugendrat, ein gewähltes Jugendgremium, ist für uns als Partner superwichtig.”
„Organisationen wie ‚Team Tomorrow‘ bringen Flexibilität und Ideen, der Jugendrat die gewählte Legitimation und das Antragsrecht im Gemeinderat“, erklärt Profke. Trotz guter Zusammenarbeit sieht sie jedoch auch bei der Kommunikation zwischen dem Gemeinderat und den jungen Bedürfnissen des AKJ Verbesserungspotential: „Einige Politiker*innen tun sich ja oft superschwer für Jugendliche mitzudenken und Kommunikation und Austausch zu suchen”. Eine bessere Kommunikation zwischen Jung und Alt kann laut Profke nur funktionieren, wenn beide Seiten Interesse am Austausch zeigen.
Auch die Mitglieder des AKJ sehen die Möglichkeiten, ihrem Gremium mehr Gewicht zu verleihen und die Kooperation mit dem Gemeinderat auszubauen. Die Jugendlichen äußern vor allem den Wunsch nach engerer Zusammenarbeit. Wichtig ist ihnen die Forderung auf ein Rederecht in den Gemeinderatssitzungen. Der Koordinator des Jugendrats, Roland Kelm, hält einen Erfolg der Forderung für möglich. Jedoch müsse man genau prüfen, was die Gemeindeordnung an Möglichkeiten bietet.
Aushängeschild oder ernstzunehmendes Gremium?
„Teilweise. In vielen Fällen machen die halt letztlich ihr Ding und fragen uns dann auch nicht”, antwortet AKJ-Sprecher Leo Staritzbichler auf die Frage, ob er sich vom Gemeinderat ernstgenommen fühlt. Wie interessiert die Gemeinderäte an einem Gespräch seien, hänge zudem auch sehr stark davon ab, welcher Partei die Abgeordneten angehören.
Die befragten Jugendräte sind sich dennoch einig: Nur ein Aushängeschild der Stadt sind sie nicht. „Man bekommt schon eine gewisse Macht als Jugendlicher”, meint Jugendrats-Mitglied Yael Ehret. AKJ-Koordinator Roland Kelm betont: „Die Jugendräte werden vom Gemeinderat wahrgenommen und auch ernstgenommen”. Er merkt jedoch an: „Es gibt sicherlich von beiden Seiten den Bedarf, sich gegenseitig öfters auszutauschen”.
Fünf Delegierte - Große Ambitionen
Ein Erfolg für die Jugend?
Die meisten Projekte des Jugendrat Stuttgarts konzentrieren sich auf einen Ausbau der Freizeitaktivitäten für Jugendliche und stadtverschönernde Projekte. Darunter fallen unter anderem Skateparks oder legale Graffiti-Wände. Auch in den Themen Sicherheit und Mobilität hat der Jugendrat Erfolge zu verbuchen: Seit einem Antrag des AKJ fahren auch unter der Woche Nachtbusse in die verschiedenen Stadtbezirke und am Wochenende S-Bahnen bis in den frühen Morgen, um einen sicheren Heimweg zu bieten.
Der politische Einfluss auf Themenfelder wie die Klimakrise oder Alltagsrassismus ist geringer, jedoch nicht ausgeschlossen. „Im Jugendrat können die Jugendlichen ihre Themen selbst bestimmen. Insofern ist alles möglich, auch das Bearbeiten gesamtgesellschaftlicher Probleme”, meint Roland Kelm. Diese könne man schließlich auch im lokalen Bereich angehen.
„Was den politischen Einfluss angeht, war für mich die Auseinandersetzung mit dem Gemeinderat über Klimapolitik ein guter Aspekt “, erwähnt Leo Staritzbichler. Der AKJ-Sprecher durfte eine Rede bei der Klima-Generaldebatte des Gemeinderates halten.
Auch interessant
*Die Autorin steht in freundschaftlichem Verhältnis mit dem Interviewpartner.