Fußballweltmeister

Elf Freunde könnt ihr sein

Das Herz eines jeden Fußballers schlägt höher, wenn es bei der Weltmeisterschaft um diesen Pokal geht.
14. Dez. 2020
Alle vier Jahre kämpfen 32 Mannschaften um den Titel der Fußball-WM, über den Erfolg entscheiden die Spieler auf dem Platz. Doch was macht diese zu einem Team? Das gemeinsame Saunieren nach dem Training wird es kaum sein.

Das Wembley-Stadion in London bebt: Am 25. Mai 2013 gewinnt der FC Bayern München die Champions League. In den Reihen des deutschen Rekordmeisters stehen Spieler wie Manuel Neuer, Jerome Boateng, Philipp Lahm, Toni Kroos, Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller. Ihr Gegner im Finale ist Borussia Dortmund um die Akteure Roman Weidenfeller, Mats Hummels und Kevin Großkreutz. Ein Jahr später werden aus diesen Kontrahenten Teamkollegen. 2014 feiern sie gemeinsam den Weltmeistertitel mit der deutschen Nationalmannschaft in Brasilien.  
Mit dem entscheidenden Tor im Finale bringt Mario Götze den Weltmeister-Pokal nach Deutschland. Er spielt in dem oben genannten Ensemble eine wichtige Rolle: 2013 trägt er noch das Dortmunder Trikot; als er das Siegtor im Weltmeisterschaftsfinale erzielt, steht er bei den Bayern unter Vertrag. Damit verbindet er die beiden größten Gruppen im 23-köpfigen WM-Kader der Deutschen. Sieben Bayern- und vier Dortmund-Spieler holen den Titel in Brasilien. Die beiden Rivalen ergänzen sich prima, machen gemeinsam fast die Hälfte des Kaders aus und gewinnen erstmals nach 1990 die Fußballweltmeisterschaft. 

Mit Blockbildung zum Erfolg?

Wenn viele Spieler derselben Vereinsmannschaft in der Nationalmannschaft zusammenspielen, nennt man das einen Block. Ein Block bringt den Vorteil, dass die Spieler schon stärker untereinander eingespielt sind. Vor großen Turnieren, wie der Fußballweltmeisterschaft, achten die Trainer der Nationalmannschaften oft darauf, die Zusammenstellung des 23-Mann-Kaders auch darauf abzustimmen, dass möglichst viele und große Mannschaftsblöcke vorhanden sind. Es scheint so, als würde die Wahrscheinlichkeit dadurch steigen, dass das Team Erfolg hat. Diese Strategie der Blockbildung wurde bereits in den 1970er und 1980er Jahren umgesetzt. Der Bayern-München Block mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Paul Breitner und Sepp Maier machte in Deutschland den Anfang. Hinzu kamen die Spieler des 1. FC Köln um Wolfgang Overath, Hannes Löhr und Wolfgang Weber. Die Mannschaft wurde zudem mit einem starken Borussia Mönchengladbach-Block um die Spieler Günter Netzer, Berti Vogts, Jupp Heynckes und Herbert Wimmer ergänzt und somit zum erfolgreichsten deutschen Team. Die Strategie dahinter: Die stärksten Mannschaften, zwischen denen es keine Feindschaft gibt, sondern nur eine gesunde Rivalität, zusammenbringen und einen starken Block bilden.

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Zwei Vereine dominierten die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft im Jahr 2014 in Brasilien. | Quelle: flourish: https://app.flourish.studio/visualisation/4672864/edit

Spanien als Vorbild für Deutschland

Dieses Phänomen lässt sich auch bei der spanischen Nationalmannschaft beobachten. Als Spanien im Jahr 2010 die Weltmeisterschaft gewinnt, dominieren in der Mannschaft ein Block aus den beiden stärksten Mannschaften der spanischen La Liga, dem FC Barcelona und Real Madrid. In der Liga verfeindet, raufen sich die Spieler in der Nationalmannschaft zusammen. Bei den Spaniern beginnt dieses Phänomen bereits im Jahr 2008. Mit Spielern wie Andrés Iniesta, Xaví und Carlos Puyol vom FC Barcelona sowie Sergio Ramos und Iker Casillas von den Königlichen aus Madrid, beginnt im Jahr 2008 eine goldene Ära. Diese Spieler spielen über Jahre in denselben Vereinen und sind sich daher bestens vertraut. Die Mannschaft gewinnt den EM-Titel 2008 und sichert sich auch bei den darauffolgenden beiden großen Nationalmannschafts-Turnieren, der Weltmeisterschaft 2010 und der Europameisterschaft 2012, mit den genannten Spielern den Titel. Noch nie war eine spanische Nationalmannschaft zuvor derart erfolgreich, bis heute gilt die Mannschaft um diese Spieler als Jahrhundertelf. 

Der Schlüssel zum Erfolg

Wenn man an die Finals der vergangenen drei Fußballweltmeisterschaften denkt, hat man verschiedene Bilder vor sich: Andrés Iniesta, wie er voller Ekstase nach seinem Siegtreffer gegen die Niederlande jubelt. Bastian Schweinsteiger, wie er sich blutüberströmt in jeden Zweikampf wirft. Oder Antoine Griezmann, wie er seinen “Hampelmann”-Torjubel zelebriert. So verschieden die Spielstile dieser Spieler auch sind, sie haben alle etwas gemeinsam – sie haben alle eine enorm wichtige Bedeutung für ihr Team.

So kommen in den Turnieren manche Spieler in allen Spielen zum Einsatz, andere überhaupt nicht. Bei den “wichtigen” Spielern kann man die Blockbildung ebenfalls beobachten. Betrachtet man die Spieler, die mehr als vier Spiele bei der Weltmeisterschaft bestreiten, sieht man ebenfalls viele Verbindungen. Dort kann die Eingespieltheit aus den Vereinen direkt auf den Platz gebracht werden, denn die wichtigen Spieler kennen sich aus den Vereinen. Doch es ist auch wichtig, dass die Spieler, die weniger eingesetzt werden, eine Verbindung zu den Teammitgliedern haben. Denn so herrscht eine gute Stimmung im Lager der Nationalmannschaft. Sei es beim Saunieren oder Muskeln lockern in der Eistonne. Das sind Faktoren, die den Teamgeist fördern.

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Innerhalb der Weltmeister-Mannschaften von Spanien und Deutschland gab es deutlich mehr Spieler, die schon im Verein zusammenspielten, als es bei Frankreich der Fall war. Dieses Bild verändert sich auch bei den Akteuren nicht, die am häufigsten spielten. | Quelle: Patrick Steinle

Ausnahmen bestätigen die Regel

Bei der L`Equipe Tricolore, der französischen Nationalmannschaft, kann man einen solchen Block jedoch nicht ausmachen. Dennoch wird die Mannschaft von Trainer Didier Dechamps im Jahr 2018 Weltmeister. Aus der nationalen Liga können die Franzosen nur wenige Spieler generieren. Im europäischen UEFA-Klub-Koeffizienten-Vergleich der europäischen Top-Fußball-Ligen liegt die französische Ligue 1 hinter der deutschen Bundesliga und der im Ranking führenden spanischen La Liga. Das Ranking gibt darüber Auskunft, aus welchem Land die europäischen Vereine den größten Erfolg im internationalen Fußball verbuchen. Da es in Frankreich mit Paris St. Germain nur ein Verein gibt, der im internationalen “Haifischbecken” eine Chance hat, fällt das Ranking nicht zugunsten der Franzosen aus. Der stärkste Verein Frankreichs setzt vielmehr auf internationale Talente. Somit entwickeln sich viele junge französische Spieler, wie Paul Pogba oder Antoine Griezmann einst, im europäischen Ausland. Frankreichs Unverbundenheit der Spieler wird auch bei den Schlüsselspielern deutlich. Unter den Spielern, die am häufigsten eingesetzt wurden, findet man nur drei Verbindungen. Dass das Team im Turnier von 2018 auch ohne Blockbildung den Titel gewinnen kann, zeigt die Unberechenbarkeit des Fußballs. Denn am Ende entscheiden mehrere Faktoren über den Erfolg bei einem Spiel oder einem ganzen Turnier.

“Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht”

Sepp Herberger

Es können einige Faktoren eine Rolle spielen, wie Nationalmannschaften bei Weltmeisterschaften abschneiden. Allerdings bleibt der Fußball ein unberechenbares Spiel, bei dem vieles andere noch ins Gewicht fällt, wie die gewählte Taktik des Trainers, die Stimmung im Team, Talente in den eigenen Reihen, Verletzungen sowie natürlich auch ein Quäntchen Glück. 
Am Beispiel der französischen Nationalmannschaft bei der vergangenen Weltmeisterschaft kann man sehen, dass auch eine geringe Blockbildung zum Titelgewinn führen kann. Sepp Herberger, der Trainer der deutschen Nationalmannschaft beim ersten Weltmeistertitel 1954, wusste bereits damals: “Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht.” Sportergebnisse kann man nicht vorhersagen.
Somit ist es weiterhin spannend zu beobachten, wer die kommende, erstmalige "Winter-Fußballweltmeisterschaft” 2022 in Katar für sich entscheiden wird. Nur eines ist klar: der Gewinner lässt sich nicht durch Blockbildungen prophezeien. 

Der Datensatz für die Analyse befindet sich auf GitHub. Die Rohdaten hierfür wurden von transfermarkt.de und kicker.de genutzt und in die statistische Programmiersprache R eingesetzt. Dadurch konnten die Daten für eine Visualisierung verwendet werden.