„Die Entkriminalisierung ist noch nicht das Ende, sie ist ein guter erster Schritt, aber noch nicht genug.“
Portugals Umgang mit Drogen – ein Vorbild für Deutschland?
Seit 2001 sind in Portugal jegliche Drogen entkriminalisiert. Der Besitz von Betäubungsmitteln gilt für bis zu zehn festgelegte Tagesrationen als eine Ordnungswidrigkeit. Alles, was darüber hinaus geht, definiert das Gesetz als „dealen“ und somit als eine Straftat. Im Rahmen des Eigenbedarfs gibt es also nur eine Bußgeldandrohung – beim zweiten Erwischtwerden wird dieses fällig. Vor allem aber umfasst die Politik Hilfen wie Beratungs- und Therapieangebote. Auch Substitutionsangebote – wie Methadonprogramme für Ex-Heroinabhängige – und medizinische Behandlungen sind Teil dieser Hilfe. Auf lange Sicht soll den Konsument*innen die Tür zurück in die Gesellschaft geöffnet werden. Dies ist aber nicht alles, denn Portugals Ansatz beginnt bereits im Schulunterricht, in Freizeitstätten oder auch auf Festivals.
Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, Portugal und Deutschland sind gar nicht so unterschiedlich. Dies bestätigt auch Torsten Passie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bei der Diakonie Hannover. Im Gegenteil, sie würden sich sogar in Teilen gleichen. So kümmern sich Gesundheitsämter und -behörden genauso um Beratung, Behandlung und Hilfen zum Ausstieg wie um die Stabilisierung der gesundheitlichen und sozialen Lage der Abhängigen. Psychiater Passie erläutert: „Der Kern besteht darin, dass in Deutschland zunächst eine strafrechtliche Verfolgung eingeleitet wird“. Trotz allen Gemeinsamkeiten also ein entscheidender Unterschied im Zuständigkeitsbereich der Polizei und Staatsanwaltschaft.
Schwarzmarkt noch immer ein Problem
Die Jahre seit der Entkriminalisierung veränderten Portugal: Beispielsweise ging die Kriminalitätsrate mit Drogenzusammenhang zurück. Sozialwissenschaftler Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences sieht hier unter anderem einen Zusammenhang mit der Transparenz rund um den Eigenbedarf. „Sie schützt Menschen vor Auffälligkeit und Haftstrafen – hier ist die Politik bereits im Vorfeld sehr wirksam“. Portugal habe europaweit die geringste Rate an Gefängnisinsass*innen mit Drogenerfahrung – Deutschland hingegen liege an der Spitze.
Einen weiteren Erfolg verzeichnete Portugal mit dem Rückgang von drogen- und allen voran heroinabhängigen HIV-Neuinfizierten. Außerdem wurde der EU-Partner, entgegen anfänglicher Gesetzeskritiker, nicht zum Drogenhotspot Europas. Die Anzahl der Drogenabhängigen liegt sogar deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.
Und dennoch hat Portugal auch noch einige Baustellen abzuarbeiten. Speziell der illegale Drogenhandel konnte durch die Maßnahmen noch immer nicht nachhaltig bekämpft werden. Dies bemängelt auch Stöver: „Die Entkriminalisierung ist noch nicht das Ende. Sie ist ein guter erster Schritt mit wichtigen Kennzahlen des Erfolgs, aber noch nicht genug“. Es brauche ein kontrolliertes System, welches von Anbau über Verkauf bis hin zur Abgabe der Drogen reicht. Nur so könne man dem Schwarzmarkt entgegenwirken, erklärt er.
Beide Staaten können voneinander lernen
Die deutsche Politik sieht der Sozialwissenschaftler mit ihren Vorhaben auf dem richtigen Weg. „Überfällig“ nennt er die Legalisierung. „Die Kriminalisierung erreicht immer weniger Schmuggler- und Händlerstrukturen“, kritisiert er und fährt fort: „Konsumierende machen 200.000 Fälle pro Jahr aus. Das ist nicht Auftrag der Polizei und hat auch nichts mit Prävention zu tun.“
Das portugiesische System sieht Stöver insofern als Vorbild, als dass man sich bei der Entkriminalisierung keineswegs nur auf Cannabis beschränken sollte. „Für die anderen Substanzen kann Portugal ein Zwischenschritt sein“, unterstreicht er. Voraussetzung dafür sei aber eben ein geschlossenes System, welches man dann als „Blaupause für andere Substanzen nehmen kann“. Für Deutschland ist dies jedoch nicht zwingend nennenswert. Die Pläne einer Cannabis-Entkriminalisierung hierzulande gehen ohnehin nur mit einem solchen System einher. Ein Punkt an dem sich eventuell Portugal ein Beispiel an der Bundesrepublik nehmen kann.