"Du kannst nur dein Bestes geben"
"Du kannst nur dein Bestes geben"
Für Jennifer Taylor beginnt der Tag meistens sehr früh und direkt aktiv. Sobald ihr Wecker klingelt, macht sie einige Dehnübungen und Pilates-Einheiten um wach zu werden und fit zu bleiben. Nach einer Dusche und nicht zu vergessen, ihrem geliebten Kaffee, macht sie sich auf, in einen Tag, der meist voller Überraschungen steckt. Einen immergleichen Alltag wie man ihn aus den meisten Berufen kennt, den gibt es für Models nicht. In einem Alltag, der von Fotoshootings, über Fernsehwerbung, bis hin zu Musikvideodrehs führt, ist jeder Tag anders. Das ist ein Umstand, der zwar sehr stressig, aber auch sehr aufregend und schön für die 23-jährige Britin ist.
Heute ist Jennifer auf einem Dreh in Schottland für einen Werbespot eines CamperVan-Herstellers. Die Arbeit der Models wird oft unterschätzt, denn sie können nicht nur eine leere Hülle sein. Nein, die Erwartungshaltung der Foto-/Videograf*innen sind hoch. Jennifer braucht genau die richtige Mimik und Gestik, genau die richtige Bewegung, genau die richtige Aufnahme. Das zu liefern ist lange nicht so einfach, wie es nach außen hin wirkt. Die Britin hat jedoch trotzdem sehr viel Spaß an ihrem Job als Model. „Auch wenn es anstrengend sein kann, ich habe dabei so viel Spaß, dass es sich für mich eigentlich gar nicht nach Arbeit anfühlt!“ erzählt sie in einem klaren britischen Englisch mit ihrer ruhigen Stimme. Zusätzlich zum Modelalltag kümmert Jennifer sich über den Tag verteilt auch um ihre Social Media Präsenz, indem sie immer wieder Instagram Stories von ihrem Tag hochlädt, Feedposts für ihr Profil aussucht und auf Privatnachrichten von Follower*innen und auch potentiellen Interessent*innen für weitere Drehs und Shootings antwortet.
Zurückweisung als Teil des Jobs
Jedoch war die Situation in ihrem Job nicht immer so frei und schön für das Model. Jennifer musste schon recht früh lernen, mit Zurückweisung umzugehen, so wie fast alle ihrer Modelkolleg*innen. Models bewerben sich meistens auf mehrere hundert Model-/Talentagenturen und bekommen auf ihre Bewerbungen hunderte von Absagen, bevor sie diese eine Zusage einer Agentur bekommen. So war es auch bei Jennifer Taylor. Ihr Mut und ihr Selbstbewusstsein wurden immer weiter runtergeschraubt, da sie Absage nach Absage bekam, weil es ein starkes Überangebot an Bewerber*innen gibt. Mit gerunzelter Stirn denkt sie daran zurück, als sie erst einmal lernen musste, dass das nicht an ihr liegt. Die Modelagenturen haben eben nur sehr wenige Kapazitäten bei sehr vielen Bewerber*innen. Dazu kommt, dass Jennifer nur 5.3 feet groß ist, was im Deutschen etwa 1,60 cm entspricht und für ein Model recht klein ist. Aber Aufgeben war für Jennifer keine Option, sie hat weiter an sich geglaubt, genau wie ihre Freund*innen und ihre Familie. Diese waren anfangs zwar skeptisch, da Model kein sehr sicherer Beruf ist, doch sie alle wussten, dass die Britin dafür brennt, weshalb sie sie auf ihrem Weg zum Modeln begleitet und unterstützt haben. Jennifers Freund*innen haben ihr sogar den Weg zum Modeln geebnet: Ihr Freundeskreis besteht aus vielen kreativen Menschen, die bereits als Teenager schon gerne fotografiert haben. Oft hat sich die Britin in ihrer Jugend coole Fotospots gesucht, um dort erste Laien-Fotoshootings mit ihren Freund*innen hinter der Kamera zu bestreiten.
Als ihr Hobby und Traum, das Modeln, dann zum seriösen Berufswunsch wurde, hat sie nach unzähligen Bewerbungen ihre heutige Agentur, die BAME agency gefunden, bei der sie sich sehr wohl fühlt. Wie erleichtert und glücklich sie war, als sie das Angebot der Agentur bekam, daran erinnert sich das Model gerne zurück.
Trotzdem muss sie auch heute noch viel mit Zurückweisung umgehen: Die Agent*innen, die die Models buchen, suchen immer einen bestimmten Typ von Model für ihren Auftrag. Deshalb bekommen Models immer und immer wieder Absagen, hören ständig ein Nein, auch wenn sie das perfekte Model abgeben. Dass das nichts Persönliches ist, damit musste auch Jennifer lernen umzugehen. Trotzdem hat sie ein Lächeln auf den Lippen: Sie gönnt es auch ihren anderen Kolleg*innen. „Wenn ich nicht gebucht werde, dann sollte es nicht sein. Sie suchen einen bestimmten Typen und wenn ich das nicht bin, dann macht mich das nicht schlechter als Andere. Dann bin ich eben beim nächsten Kunden wieder der gesuchte Typ." Das ist einer der wichtigsten Grundsätze, die sich die 23-Jährige verinnerlicht hat, um sich nicht herunterziehen zu lassen.
Jennifer hat gelernt, dass sie all den Stress und Druck nicht zu sehr an sich herankommen lassen darf. „Du kannst nur dein Bestes geben.” Sagt sie und wirkt dabei im Reinen mit sich selbst. Das Model weiß, dass sie immer ihr Bestes gibt, und ist damit zufrieden. Sie kann das so entspannt sagen, da sie in letzter Zeit viele ihrer Wunschjobs bekommen hat. Erst kürzlich war sie Teil des Musikvideos zu „Late night talking“, ein Song von Harry Styles, einer der populärsten Musiker weltweit momentan. Hier kann man sie in Action erleben, sie hat im Musikvideo eine der größten Rollen bekommen, was ihr viel Aufmerksamkeit verschafft hat. Jobs wie diese sind es, um die man kämpfen muss, die den Models dann aber Öffentlichkeit verschaffen und sie herausheben. Mit den anderen Darsteller*innen aus dem Musikvideo versteht sich Jennifer auch bis heute gut, sie knüpft gerne viele Kontakte und genießt es, wenn die Stimmung am Set gut ist und sie mit den Mitarbeitenden persönlichen Kontakt pflegen kann.
Das Modelbusiness
Als Jennifer Taylor eine Pause während ihres Werbespotdrehs für den CamperVan-Hersteller bekommt, kommt eine melancholische Stimmung auf, als sie über die Modelbranche nachdenkt. Auch wenn Jennifer das Gefühl hat, in den letzten Jahren hat sich die Modelbranche und das Bild, das sie nach außen transportiert verändert, weg vom Schönheitsideal und hin zur Inklusivität, so ist die Industrie trotzdem hart. Mit einem nachdenklichen Blick erzählt sie vom Konkurrenzkampf unter den Models, wie groß der Druck ist, immer abliefern zu müssen, immer noch ein Stückchen besser sein zu müssen als alle anderen, um sich im Castingprozess für einen Modeljob durchsetzen zu können. Jedes Mal wieder, wenn es um ein neues Shooting oder einen neuen Dreh geht. Jennifer hat aber die Eigenschaft, anderen Models ihre Jobs gönnen zu können.
Außerdem unterscheidet die Britin zwischen der Branche der Fashion-Models und der Branche der Kreativ-Models, worunter beispielsweise Werbespots und Musikvideos fallen. Letzteres ist auch das Feld, in dem Jennifer arbeitet. „Ich glaube, dass ich niemals auf dem Laufsteg für High-Fashion-Marken sein werde. Diese Art von Model bin ich nicht.“ In ihrer Branche arbeitet man eher zusammen, ist zusammen kreativ. Dort ist der Druck, der Perfektionismus, die Rivalität nicht so groß, sodass sie sich in dieser Branche sehr wohl fühlt. Von anderen Models, vor allem in der Fashion-Industrie, gibt es dazu viele gegenteilige Erfahrungen. Modelbranche ist also nicht gleich Modelbranche.
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Nach der Arbeit ist vor der Arbeit
Nach einem langen Tag auf dem Werbespot-Dreh ist Jennifer ziemlich ausgelaugt. Die Britin bereitet sich ein leichtes Abendessen zu, während sie sich entspannt. Die Arbeit hört aber selbst dann nicht auf: Jennifer Taylor hat einen gleichnamigen YouTube Kanal, den sie komplett allein führt. Sie nimmt am Abend, wenn sie eigentlich bereits Feierabend hat, ihre YouTube-Videos auf, bearbeitet und schneidet sie, um sie anschließend hochzuladen. Danach kümmert sie sich darum, sich abzuschminken, ihre Haut zu pflegen und ihrem Körper etwas Gutes zu tun, denn gerade solche Aspekte sind als Model für die Arbeit wichtig.
Sehr viel Zeit für sich selbst hat Jennifer bei einem so belebten Alltag also nicht. Allerdings ist es das für sie wert und sie hat am Ende des Tages ein zufriedenes Lächeln im Gesicht. In Erinnerungen schwelgend denkt sie daran zurück, wie sie bereits als Kind davon geträumt hat, Model zu werden, und es nun, trotz Zurückweisungen und Hürden geschafft hat, ihre Leidenschaft zu ihrem Beruf zu machen. Das ist auch die Grundlage im Leben des Models: Dranbleiben. Für seinen Traum kämpfen, und sich nicht unterkriegen lassen.