„Durch die Konfirmation haben sie die Möglichkeit, diese Entscheidung eigenständig zu treffen, auch wenn sie zuvor getauft wurden.“
Glaube ohne Kirche
Die Zeiten, in denen beinahe jeder Deutsche Mitglied einer christlichen Kirche war, sind vorbei. Im Jahr 2002 zählte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) über 52 Millionen Mitglieder. Ende 2022 verzeichnet das Statistische Bundesamt nur noch etwa 40 Millionen Menschen, die dem christlichen Glauben angehören, sowohl der evangelischen als auch der katholischen Konfession. Ein häufiger Grund für den Austritt ist der Kirchenbeitrag, der in Baden-Württemberg acht Prozent des Bruttoeinkommens beträgt, wobei Personen mit geringerem Einkommen entsprechend weniger zahlen.
Religiöse Gemeinden im Vergleich
Jüdische Gemeinden erheben in Deutschland eine Mitgliedssteuer, die auf Einkommen und Kapitalerträge anfällt und vom Finanzamt eingezogen wird. Dies bringt dem Staat einen Ertrag von zwei bis vier Prozent. Die Finanzierung islamischer Gemeinden basiert auf großzügigen freiwilligen Spenden der Gemeindemitglieder. Aktuell erhalten sie staatliche Subventionen im Rahmen einer generellen Religionsförderung gemäß dem Haushaltsplan und Unterstützung von gemeinnützigen Organisationen sowie staatlichen Fördermitteln.
In Baden-Württemberg erfolgt der Kirchenaustritt aus der christlichen Kirche meist durch eine persönliche Erklärung beim Standesamt oder Notar. Austrittswillige in jüdischen und muslimischen Gemeinden durchlaufen unterschiedliche Prozesse. Die islamische Gemeinschaft in Deutschland ist mit über fünf Millionen Mitgliedern nach den christlichen. Im Gegensatz dazu zählt die jüdische Gemeinschaft, basierend auf Statista-Daten, mit einer Million Mitgliedern zu den kleinsten.
In der islamischen Gemeinde ist ein Austritt möglich, wenn eine Person kein Glaubensbekenntnis mehr ablegt und dies dem Gemeindevorstand mitteilt. Im Judentum ist der Übertritt (Gijur) ein mehrjähriger Prozess, inklusive Studien und einer Begleitung durch einen Rabbiner. Eine Prüfung vor einem Rabbinats-Gericht und das rituelle Tauchbad sind obligatorisch. Obwohl ein formaler Austritt aus einer jüdischen Gemeinde möglich ist, wird ein Austritt aus der Gemeinschaft als nicht machbar angesehen.
Die Sicht der Kirche
Ohne die Kirchensteuer wären viele wichtige soziale Einrichtungen, wie die Diakonie oder die Suchthilfe, in finanziellen Schwierigkeiten. Thomas Dongus, Erster Vorsitzender der evangelischen Kirchengemeinde Deckenpfronn, betont ihre Notwendigkeit und warnt vor möglichen Einschnitten bei einem freiwilligen System.
Die Taufe als Kind und die aktive Teilnahme in der Kinderkirche seit 40 Jahren haben den religiösen Werdegang von Thomas Dongus geprägt. Diese Erfahrungen vermitteln den Kindern die bedeutungsvolle Botschaft: Gott liebt dich. Dongus hält diese Zusicherung, zu Gott zu gehören und von ihm geliebt zu werden, für von großer Bedeutung. In Bezug auf die Idee, dass Kinder selbst entscheiden sollten, wenn sie religionsmündig sind, hat er einen klaren Standpunkt: „Durch die Konfirmation haben sie die Möglichkeit, diese Entscheidung eigenständig zu treffen, auch wenn sie zuvor getauft wurden.“
Frei von Glaubensbindungen
Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) vereint Menschen ohne religiöse Bindung zusammen, um das Menschenrecht der Religionsfreiheit zu schützen und die klare Trennung von Staat und Religion zu fördern. Ihr Ziel ist es, Personen dabei zu unterstützen, selbstbestimmt zu handeln und ein besseres Verständnis für die Rolle von Religion in der Gesellschaft zu vermitteln.
„Konfessionslos in der Schule“, so heißt der Ratgeber von Rainer Ponitka. Er ist Landesprecher des IBKA in Nordrhein-Westfalen. Die Idee kam ihm in den Sinn, als sein Sohn in der Grundschule mit Kruzifixen, Gottesdiensten und Religionsunterricht konfrontiert wurde. Dabei erkannte er, dass es nicht genügt, lediglich konfessionslos zu sein, und dass er aktiv werden muss, um auch anderen zu helfen. Als ehemals katholisch getauftes Kind trat Ponitka im Alter von 15 Jahren aus der Kirche aus und hat heute, als Atheist, klare Vorstellungen darüber, wie Kinder ohne religiöse Bindung in Bezug auf das Thema Religion herangeführt werden sollten: „Keine religiöse Bindung durch Taufe oder Geburt, sondern eigene Entscheidung, mit Erreichen der Religionsmündigkeit.“
„Keine religiöse Bindung durch Taufe oder Geburt, sondern eigene Entscheidung mit Erreichen der Religionsmündigkeit.“
Diese Einsichten und persönlichen Erfahrungen prägen das Bestreben des IBKA, eine Umgebung zu schaffen, in der Menschen unabhängig von religiösen Bindungen respektiert werden und die individuelle Entscheidungsfreiheit im Umgang mit Glaubensfragen betont wird.
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