Es gibt auch Jüngere, die dann noch einen Zweitjob haben, weil sie sich auch woanders verwirklichen wollen.
Endlich Zeit für das, was zählt
Endlich Wochenende. Endlich wieder Ausschlafen, durch die Stadt schlendern und endlich Zeit für Kochabende mit meinen Liebsten. Meistens fiebere ich die ganze Woche darauf hin. Doch leider muss ich jedes mal aufs Neue feststellen, dass diese zwei Tage für meine Pläne einfach nicht ausreichen. Ein Dilemma, dessen Lösung auf der Hand liegt. Die Etablierung einer 4-Tage-Woche. Unternehmer*innen schaufeln den Mitarbeitenden einen zusätzlichen Tag in der Woche frei und setzen gleichzeitig auf eine höhere Produktivität unter den Angestellten.
Vollzeit macht krank
Die Anzahl an deutschen Unternehmen, die den Übergang zu einer kürzeren Arbeitswoche testen, ist aber verschwindend gering. Dabei ist die 5-Tage-Woche in ihrem Konzept schon längst veraltet. Eine Studie (Aragon Institute of Health Sciences) bestätigt, dass die Überarbeitung im Job einer der häufigsten Gründe für ein Burnout ist. Die Wahrscheinlichkeit auszubrennen, steigt bei 40 Arbeitsstunden und mehr, gegenüber einer Arbeitswoche von maximal 35 Stunden um das sechsfache. Arbeitszeiten zu verdichten, um einen weiteren Tag frei zu räumen, scheint mir demnach ebenso wenig sinnvoll. Die Datenerhebung eines Marktforschungsinstituts (Toluna) zeigte außerdem, dass sich in Deutschland schon 2019 ganze 55 Prozent unter 1004 Befragten nach einer 4-Tage-Woche sehnten. Sogar bei geringerer Bezahlung.
Wo bleiben wir da?
Das 4-Tage-Modell mit geringerer Arbeitszeit (32 bis 36 Wochenstunden) wurde bereits 2015 in Island (Association for Democracy and Sustainability) mit vollem Erfolg erprobt. In den kommenden Jahren schwappte es nach Spanien und Großbrittanien über. Und wo bleiben wir da? Einige deutsche Unternehmen entschließen sich sogar bewusst gegen die viertägige Arbeitswoche, weil sie befürchten, der Workload sei nicht in einer verkürzten Zeitspanne zu erledigen. Dabei beweisen diverse Studien genau das Gegenteil – eine höhere Motivation und Produktivität unter den Mitarbeitenden.
Susanne Wanger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erklärt, wie das Arbeitsmodell funktioniert und welche Auswirkungen es auf den Arbeitsmarkt hat.
Peter Imhof, Personalleiter der Media Broadcast GmbH in Köln, hat das Arbeitsmodell vor vier Jahren in seinem Unternehmen eingeführt. Angestellte haben insgesamt weniger Arbeitsstunden und freitags frei. Die Resonanz: überwiegend positiv.
„Es gibt auch Jüngere, die dann auch noch einen Zweitjob haben, weil sie sich auch woanders verwirklichen wollen“, betont Imhof. Speziell unter den jüngeren Arbeitnehmenden macht sich ein großer Shift in den Arbeitseinstellungen bemerkbar. Einer Umfrage (Peakon) zufolge wollen wir uns nicht mehr den lieben langen Tag abrackern, wenn wir die „Sinnhaftigkeit“ in unserem Job nicht erkennen. Besonders schwer fällt es auch, wenn unsere Zukunft so ungewiss ist. Woher sollen wir schon wissen, wie stark die Anzahl der Naturkatastrophen noch zunimmt? Sollten wir die Bucket-List dann nicht lieber jetzt schon abarbeiten?
Stichwort: Flexibilität
Schaut man sich unsere aktuelle wirtschaftliche Situation in Deutschland an, so haben einige Mitarbeiter*innen jedoch Angst, mit einem geringeren Gehalt nicht über die Runden zu kommen. Hier allerdings, äußert Imhof, ist wichtig zu beachten, dass der Nettozuwachs bei steigendem Gehalt abnimmt. Das liegt an der Steuerprogression. Dennoch müssen Menschen mit diesen Sorgen die Gewissheit haben, weiterhin 40 Stunden arbeiten zu können, um auf ihr Vollzeit-Gehalt zu kommen.
Das 4-Tage-Modell als solches ist aktuell nicht in allen Berufen gleichermaßen umsetzbar. Für Dienstleistungsunternehmen ist diese Umstellung noch wesentlich leichter als für Berufe im sozialen Sektor. Schulen mit einer 4-Tage-Woche? Kindergärten, die an Freitagen schließen? Fragen über Fragen, die wir uns dringend stellen müssen.
Denn langfristig wollen wir doch alle mehr Zeit, für das, was unser Herz erfüllt. Und viel mehr noch: eine Arbeit, deren Sinnhaftigkeit wir erkennen.