Sänger, Charmeur, Mafiosi?
Es ist Februar im Jahre 1947 und Frank Sinatra macht einen Ausflug nach Havanna, Kuba. Mit an seiner Seite: Die Mafiabrüder Joe und Rocco Fischetti. Ihr Ziel: Ein Treffen mit Charles „Lucky“ Luciano – ein Mann, auf dessen Worte fast alle Mafiosi in New York hörten und der Boss der Genovese-Familie, einem Mafiaclan.
Der genaue Hintergrund des Treffens und welche Rolle Sinatra dabei gespielt hat, ist unklar. Klar ist aber, dass es um Geschäfte ging, denn Luciano bekam von Rocco Fischetti zwei Millionen US-Dollar (heute ca. 28 Millionen US-Dollar) überbracht.
1962, nachdem Lucky Luciano an einem Herzinfarkt starb, folgte eine Razzia durch die italienische Polizei auf dessen Wohnung in Neapel. Dort fand sie eine goldene Zigarettendose mit der Inschrift „To my dear friend Lucky, from his friend, Frank Sinatra“ („Für meinen lieben Freund Lucky, von seinem Freund, Frank Sinatra“).
Die zwischen 1943 und 1985 gefertigen FBI-Akten zeigen: Das Treffen in Havanna war nur eine der zahlreichen Verbindungen von Francis Albert „Frank“ Sinatra zur italienisch-amerikanischen Mafia. Die Erhebung von den über zweitausend Seiten FBI-Material mündeten in die Erstellung eines Netzwerkes. Dieses zeigt das wahre Ausmaß der Verbindungen zwischen Sinatra und der Mafia.
Der Rise and Fall (and Rise) von Frank Sinatra
Zwar nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, aber von einem Ukulele spielenden High-School-Abbrecher zum einflussreichsten Musiker seiner Zeit. Frank Sinatra wuchs mit italo-amerikanische Eltern in New Jersey auf. Sein Vater war mal Profiboxer, mal Feuerwehrmann. Sein politisches Interesse und den Drang gegen Rassismus anzukämpfen, hatte er wohl von seiner Mutter in die Wiege gelegt bekommen. Sie war neben ihrem Beruf als Hebamme, auch als örtliche Vorsitzende bei er Demokratischen Partei tätig. Die sich damals stark für die Bürgerrechtsbewegung einsetzten.
Seinen Sprung in die Musikbranche schaffte er mit seinem damaligen Vokalquartett “The Hoboken Four”. Diese gewannen 1935 einen Talentwettbewerb einer Radioshow. Darauf folgte erst eine nationale Tournee und anschließend arbeitete er als Entertainer in einem Musiklokal. Ein paar Jahre später wurde er von einem bekannten Bandleader erkannt und nahm mit ihm auch seine ersten Schallplatten auf. Ab diesem Zeitpunkt kletterte Sinatra konstant die Karriereleiter nach oben. Ab 1943 war er als Solokünstler unterwegs und hatte einen festen Plattenvertrag bei Columbia. Die Plätze in den Charts waren ihm ab diesem Moment sicher.
Der Schein trügte
Sinatra wurde während seiner beruflichen Laufbahn immer wieder der Kontakt zu italo-amerikanischen Cosa Nostra, eine Mafiagruppe aus den größten fünf Familien, vorgeworfen. Zwar gibt es dafür keine Beweise, allerdings spielte er oft in Nachtclubs, die großen Mafiabossen gehörten oder trat exklusiv bei Treffen einflussreichen Mafiabosse wie Lucky Luciano auf. Was ihm irgendwann auch zum Verhängnis wurde.
Sein großer Erfolg hielt nämlich nicht für immer an. Nach Gerüchten über zahlreiche Affären, zwei Scheidungen und über den genannten engen Kontakt zur Mafia, war der Ruf und die Karriere von Sinatra am Boden. Als er durch eine Verletzung an den Stimmbändern ausfiel, verlor er darauf folgend seinen Plattenvertrag bei Columbia. Hier gibt es ebenfalls Gerüchte, dass die Mafia ihn aus dem Vertrag “rauskaufte”.
Sinatra gab aber nicht auf - Er war sich sicher, die Bühne ist sein Zuhause und dafür würde er kämpfen. Sein nächstes Ziel: Die Filmwelt erobern. Kurz darauf hatte er zwar eine Rolle, die aber auch nur zustande gekommen soll, weil der Regisseur von der Mafia bedroht wurde. Doch auch dieser Schachzug hatte funktioniert und der Stein kam wieder ins Rollen.
Zehn Jahre, eine eigenen Plattenfirma und einem neuen Rekord später, verkündete Sinatra seinen Abschied von der Bühne. Die Leidenschaft zur Musik hat ihn bis zu seinem Tod 1998 immer begleitet.
Die amerikanisch-italienische Mafia, auch bekannt als Cosa Nostra, ist eine kriminelle Organisation mit Wurzeln in Italien, die sich seit Ende des 19. Jahrhunderts in den USA etablierte. Sie besteht aus mehreren Familien, die nach Regionen aufgeteilt sind. Die bekanntesten und größten Mafia-Familien sind in New York, Chicago und Las Vegas vertreten.
Der Einfluss der Mafia erstreckt sich auf zahlreiche illegale Geschäfte wie Schutzgelderpressung, Drogenhandel, Waffenschmuggel, Geldwäsche und illegales Glücksspiel. Darüber hinaus hat die Mafia oft legale Geschäfte genutzt, um ihre Einnahmen zu verschleiern. Durch Korruption und Einschüchterung sicherte sie sich jahrzehntelang Macht über Politik, Justiz oder die Wirtschaft.
Ein Mahnmal der Verstrickung von Entertainment, Mafia und der Politik
In einer der vielen FBI-Akten wird berichtet, dass Frank Sinatra neben der Mafia auch gute Kontakt in die Politik hegte. So auch zu dem bekannten Politiker John F. Kennedy und seiner Familie. Der FBI liegen Informationen vor, dass es ein Treffen zwischen Sinatra, dem Vater von John F. Kennedy und vielzähligen Mafiosos gegeben haben soll. In diesem Treffen soll ein Deal zwischen den drei Akteuren ausgehandelt worden sein. Dieser führte dazu, dass Sinatra und zwei weitere Mafiabosse ein bekanntes Glücksspielunternehmen in der Heimatstadt des Vaters erwarben. Da die Mafiabosse ein Großteil ihres Geldes mit illegalen Glückspielkasinos erworben haben, war dies von großem Interesse. Die Mafia unterstütze den Wahlkampf von Kennedy und so konnten Sinatra und die Mafia ihre Glückspielkasinos ohne Probleme weiterführen.
Vor allem Chicagos Mafia soll sich laut den FBI-Akten aktiv, durch beispielweise Spenden, für ein positives Wahlergebnis für Kennedy eingesetzt haben. Auch Sinatra hatte Kennedy in seinem Wahlkampf unterstützt und für ihn sein Wahlkampflied „High Hopes” gesungen. Ob diese Verstrickungen wirklich Einfluss auf den Wahlkampf hatte, konnte nicht sicher festgestellt werden.
Aber die Mafia kursierte nicht nur im Amerika des zwanzigsten Jahrhunderts. Auch in Deutschland verstrickt sie sich in Politik und Wirtschaft.
Die Mafia in Deutschland
Wenden wir den Blick einmal von Frank Sinatra und der Mafia in Amerika ab und richten ihn auf Deutschland. Auch hier soll die Mafia stark vernetzt sein. Viele Mafiosi sollen sich in den 1960er Jahren im Zuge der italienischen Gastarbeiterbewegung nach Deutschland eingeschleust haben. Heute ist Deutschland nach Italien der wichtigste Mafiastandort in ganz Europa.
Dass die Mafia in Deutschland ihr Netz spannt, zeigt nicht zuletzt der Fall Günther Oettinger. Der CDU-Mann war Ministerpräsident in Baden-Württemberg und Kommissar in der EU-Kommission. Im Jahr 1993 kam es zur sogenannten „Pizza-Affaire“: Oettinger werden enge Kontakte zu Mario L., einem Pizzeria-Besitzer und mutmaßlichen Mafiosi nachgesagt. Oettinger hatte sich nie nachweislich strafbar gemacht. Mario L. sitzt derweil in Italien im Knast, da ihm Beziehungen zur ’Ndrangheta, einer Mafia-Organisation, vorgeworfen werden. Denn im Gegensatz zu Deutschland ist in Italien die Mitgliedschaft bei der Mafia illegal.
Sandro Mattioli ist freier Journalist und Autor und recherchiert seit Jahren zum Thema Mafia in Deutschland. Er versucht nicht nur die Vernetzungen der Mafia in Deutschland zu verstehen, sondern auch ihre Strategie. Wir hatten ihn zu einem Interview eingeladen.
Ein Mann zwischen Glamour und illegalen Machenschaften?
Sinatras Aufstieg von bescheidenen Anfängen bis an die Spitze der damaligen Musikbranche verläuft auf eine gewisse Weise parallel zu seiner Beziehung zur Mafia. Aus der Netzwerkanalyse kann man ziehen: Was mit kleinen Kontakten begann, wuchs zu einer Verbindung heran, die am Ende in 30 FBI-Akten voller Anschuldigungen dokumentiert wurde. Man könnte sagen, je erfolgreicher Sinatra wurde, desto enger wurden auch seine Verbindungen zur Mafia. Doch die nachgewiesenen Hinweise reichten nie aus, um Sinatra für eine Zusammenarbeit mit der amerikanisch-italienischen Mafia zu verurteilen. Jedoch haben wir es durch unsere Netzwerkanalyse geschafft, die nachweisbaren Verbindungen zu analysieren und zu visualisieren.
Denn die FBI-Akten zeigen deutlich, dass der Erfolg Sinatra und der immer enger werdende Kontakt zur Mafia kein Zufall war. Die Mafia unterstützte Sinatra – sei es durch organisierte Auftritte oder später sogar durch die Beteiligung an gemeinsamen Geschäften. Sinatras Geschichte ist damit nicht nur die eines Mannes, der für die Bühne lebte, sondern auch ein Sinnbild dafür, wie tief die Verbindungen zwischen Kunst, Politik und Kriminalität sein können. Auch wenn Sinatra stets abstritt, Kontakte zur Mafia gehabt zu haben, zeichnet unsere Netzwerkanalyse ein anderes Bild.
Hier sind alle unsere Daten zu finden, die wir für unser Netzwerk verwendet haben.
Wir haben Frank Sinatras FBI-Akten nach Personen und Mafiafamilien ausgewertet, sowie die Verbindungen zwischen diesen.
Zu den Personen / Familien haben wir folgende Daten erhoben:
Name, Nickname, Job (Künstler / Mafia / Manager / Sonstiges), Geschlecht, Position ( Außenstehender / Handlanger / Oberhaupt), Todesalter, Stadt in der Person oder Familie am häufigsten tätig war, sowie der Bundestaat der Stadt und Typ (Person / Mafiafamilie)
Die Personen und Familien haben wir dann anhand dieser Kritierien verbunden:
Weight (Stärke der Beziehung), Family (sind Personen Verwandte?), Work (legal / illegal / keine), Activity (Drohung / Überfall / Mord / Profit / Freundschaft / Kontakt), Year (In welchem Jahr die Verbindung geschah)