Selbstoptimierung 5 Minuten

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer sind die Unglücklichsten im ganzen Land?

Ein Mädchen betrachtet sich nach ihrer Nasen-OP im Spiegel und denkt schon an noch weitere zukünftige Eingriffe.
Wie viele Eingriffe braucht es, um glücklich sein? | Quelle: Golnaz Bayati
11. Juli 2025

Dicke Lippen, Stupsnasen oder doch lieber die große Oberweite? Wenn das nicht deine Psyche beantworten kann, ist Social Media dein toxischer Guru. Welchen Preis zahlen immer mehr junge Menschen, um ihre Selbstzweifel zu nähren und einem Schönheitsideal zu entsprechen, das gar nicht existiert?  

Hinweis

Dieser Beitrag ist Teil eines Dossiers zum Thema „Selbstoptimierung“.

Dazu gehören auch:

Was geschieht, wenn dein eigenes Spiegelbild dein größter Feind wird? Immer mehr junge Menschen verfallen dem Druck, sich Schönheits-OPs zu unterziehen, der durch Plattformen wie TikTok und Instagram befeuert wird. Heutzutage konfrontiert uns nicht nur unser Spiegelbild, auch Social Media ist ein Mahnmal dafür geworden, wie wir uns selbst sehen. Mittlerweile bieten viele Apps unzählige Beautyfilter an, die dazu dienen, die eigenen Fotos bis zur Unkenntlichkeit zu bearbeiten. Was einst unser Gesicht war, wird zum verzerrten Schatten dessen, was wir gerne wären. In einer Umfrage geben 59,1 Prozent der plastischen Chirurg*innen an, dass immer mehr Patient*innen Fotos als Vorlage für eine Behandlung vorzeigen. Dafür werden spezielle Bildbearbeitungsprogramme verwendet. Vor allem junge Frauen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren sollen davon betroffen sein. 

Die perfekten Lügner*innen

In diesem Alter sind Mädchen noch in ihrer Selbstfindungsphase und fallen somit besonders leicht in die Falle der optischen Selbstoptimierung. Dirigiert wird dieser Zirkus vor allem von Online-Plattformen wie TikTok. Laut einer Befragung durch die DGÄPC lässt sich verzeichnen, dass Social Media eine machtvolle Position im Bereich der Schönheitschirurgie ausübt. Hier kommen die Hauptakteure ins Spiel, denn diese Position wird von sogenannten Influencer*innen vertreten. Diese erwecken bei den User*innen das Verlangen nach optischer Veränderung, der nur durch einen ästhetischen Eingriff Realität wird. TikTok ist die Brutstätte für solche Menschen, die beispielsweise eine Nasen-OP so darstellen, als würde man sich ein Eis kaufen gehen. Mit einem strahlenden Lächeln in die Kamera nehmen sie einen mit auf eine Reise in die Türkei, ein Land, das bislang der Vorreiter für günstige Nasenkorrekturen ist. Der gesamte Prozess wird dabei dokumentiert, Schwellungen nach der OP werden mit einem perfekt inszenierten Schulterzucken belächelt, man erhält Einblicke, wie die Tamponaden nach der Operation gezogen werden und wenn die Schiene dann nun endlich ab kommt, darf die erste Enthüllung der perfekten Stupsnase natürlich nicht fehlen. Auffallend bei solchen Videos ist immer, wie krankhaft und mit fast unumstößlichen Willen beteuert wird, dass man sich das viel schlimmer vorgestellt hätte, als es schlussendlich sei. Clever dabei ist, dass potenzielle Risiken, wie zum Beispiel Thrombosen, Embolien, allergische Reaktionen und Herz-Kreislaufreaktionen, bewusst nicht erwähnt werden. 

Das Geschäft mit der Gesundheit

Hinter dieser Selbstdarstellung auf Social Media steckt mehr als nur ein schönes Lächeln vor der Kamera, denn viele Krankenhäuser und Chirurg*innen bieten im Austausch von Reichweite, eine kostenlose Operation für Influencer*innen an. Ein Begriff dafür ist „Influencer-Marketing“. Den User*Innen wird also suggeriert, dass die Influencer, die sich beispielsweise einem BBL unterziehen, keine Beschwerden oder Komplikationen haben. Ein Nebenprodukt dieser Marketingstrategie sind Videos mit Titeln wie „My BBL journey“, wo man die Influencer*innen bei ihren Eingriffen begleiten kann. Dabei wird eine Transparenz vorgegaukelt, die so echt ist, wie das Hyaluron in ihren Lippen.

Quelle: @dr.linde.english

Auch bei solchen Videos wird mit ungebändigter Eifrigkeit beteuert, dass man überhaupt keine Schmerzen verspüre, während etliche Schläuche aus dem Gesäss herausragen. Dass man eine Woche lang weder sitzen noch auf dem Rücken liegen kann und mit starken Schwellungen und Blutergüssen rechnen muss, wird gar nicht erst erwähnt. Ebenso wenig wird angesprochen, dass dieser Eingriff weltweit die höchste Sterblichkeitsrate bei Schönheitsoperationen aufweist.

Was ist ein Brazilian Butt Lift? (BBL)

Beim Brazilian Butt Lift wird der Po durch Eigenfett vergrößert. Hierfür wird Fettgewebe aus fettreichen Körperstellen abgesaugt und durch das gewonnene Fettgewebe wird es in das Gesäß injiziert. 

Quelle: watson.de

Der Kampf zwischen Schönheit und dem Selbstbetrug

Wo stehen wir also, wenn ethische Werte unter Hashtags und Followern begraben werden? Klar ist, dass immer mehr junge Menschen unter einem gestörten Selbstbild leiden, eine Nebenwirkung des digitalen Zeitalters. Wie ein Mantra wird einem eingeredet, dass wir uns für solche Eingriffe aus freien Stücken entscheiden. Doch wo ist die Freiheit, wenn der Verstand beeinflusst wird? Wie bei einer Narkose werden wir von Menschen benebelt, die ein unrealistisches Schönheitsideal aufrechterhalten wollen. Schönheitsoperationen bergen Risiken und über diese muss aufgeklärt werden. Statt Hilfe in einer Schönheitsklinik zu suchen, sollten wir uns mit dem auseinandersetzen, was sich als unser größter Feind entlarvt hat: Der eigene Verstand. Wir sollten uns eher um unser psychisches Wohlbefinden sorgen, uns Psycholog*innen anvertrauen, die einen nicht optisch verändern, sondern moralisch unterstützen wollen. Denn kosmetische Eingriffe retten dich nicht, wenn deine Seele eine Operation braucht.