Urlaub wegen der Periode?
„Diese Legislaturperiode ist eine Legislaturperiode der feministischen Errungenschaften", sagte die spanische Ministerin für Gleichstellung, Irene Montero. Die Politikerin der linksgerichteten Partei Podemos hatte Grund zur Freude, als das spanische Parlament im Dezember 2022 mehrheitlich für den Menstruationsurlaub stimmte. Der Entwurf muss noch vom Senat verabschiedet werden, dann ist Spanien das erste europäische Land mit einem Menstruationsurlaub.
Der Begriff ist allerdings irreführend: In Spanien sollen sich Frauen mit starken Menstruationsbeschwerden bald mehrere Tage pro Monat zusätzlich freinehmen können. Die Schmerzen müssen aber ärztlich abgeklärt werden. Der Staat zahlt das Gehalt während den Fehlzeiten. Klingt auf den ersten Blick einwandfrei, oder? Die neue Regelung stößt aber auch auf ziemlich viel Kritik. Dass der Sonderurlaub in Spanien umstritten ist, zeigt sich schon bei der Abstimmung im Parlament. Der Gesetzentwurf wurde mit 190 Ja-Stimmen und 154 Nein-Stimmen angenommen. Die spanische Gewerkschaft UGT befürchtet eine Benachteiligung für Menstruierende. Arbeitgeber*innen könnten dadurch Männer bevorzugen.
In Deutschland gibt es bisher keine politische Debatte, ob ein Menstruationsurlaub auch hierzulande angebracht wäre. Zwar kann man in den sozialen Medien sehen, dass einige Menschen sich diese Regelung wünschen würden, im Bundestag ist dieses Thema aber bisher nicht angekommen. Das hat verschiedene Gründe. Was bringt der Periodenurlaub für Nachteile mit sich und wäre diese Regelung in Deutschland überhaupt möglich und sinnvoll?
Was spricht für einen Menstruationsurlaub?
Stechende Schmerzen im Unterbauch, Kopfschmerzen, Übelkeit und Stimmungsschwankungen – das alles sind Symptome der Periode. Auch wenn diese Schmerzen meist eine harmlose Ursache haben, für Betroffene stellen sie jeden Monat eine große Belastung dar.
Wie viele Menschen haben überhaupt Menstruationsbeschwerden? Dabei kommen verschiedene Umfragen zu unterschiedlichen Antworten. Die gemeinnützige Organisation Plan International ist zum Ergebnis gekommen, dass etwa 72% der befragten Frauen an Unterleibsschmerzen während der Periode leiden. Laut einer Umfrage der Erdbeerwoche haben 63% der befragten Frauen Bauchschmerzen und 27% leiden unter Rückenschmerzen als Begleiterscheinung der Periode. Hinzu kommt, dass bestimmte Unterleibserkrankungen wie Endometriose oft mit stärkeren Periodenschmerzen einhergehen.
Auch die Leistungsfähigkeit wird von der Periode beeinflusst. Das zeigt eine niederländische Studie. Von den über 32 000 befragen Frauen gaben 80% an, trotz Beschwerden zur Arbeit, Schule oder Universität zu gehen, an diesen Tagen aber deutlich unproduktiver zu sein. Es macht also Sinn, Menschen mit Menstruationsbeschwerden frei zu geben.
Wenn der Staat den Lohn während des Sonderurlaubs zahlt, werden Arbeitgeber*innen finanziell entlastet. Der Menstruationsurlaub könnte Menschen mit regelmäßigen, periodenbedingten Fehlzeiten somit besser vor einer krankheitsbedingten Kündigung schützen. Zudem wird die Menstruation dadurch in Zukunft vielleicht weniger tabuisiert.
Welche Nachteile bringt der Menstruationsurlaub mit sich?
Frauen haben es auf dem Arbeitsmarkt immer noch schwerer als Männer. Das zeigt unter anderem der Gender Pay Gap. Bestimmte Rechte für Frauen, wie das Recht auf Mutterschutz sind für Arbeitgeber*innen eine zusätzliche finanzielle Belastung und deshalb unattraktiv. Die Diskriminierung von Frauen könnte sich durch einen Periodenurlaub weiter verschlimmern. Gerade in einem kleinen Betrieb mit wenig Personal stellt der Sonderurlaub für Arbeitgeber*innen eine Belastung dar. Jede fehlende Arbeitskraft muss schließlich ersetzt werden.
Die Menstruation ist zudem immer noch stark mit Scham behaftet. Die niederländische Studie kam zum Ergebnis, dass nur 20% der Frauen ihren Arbeitgeber*innen offen sagen würden, dass Menstruationsbeschwerden der Grund für ihre Fehlzeiten sind. Sich wegen der Periode krank zu melden, ist für viele Menschen eine große Überwindung. Deshalb ist es gut möglich, dass die meisten Menschen ihr Recht auf einen Menstruationsurlaub überhaupt nicht nutzen würden
Auch interessant
Ist ein Menstruationsurlaub in Deutschland gesetzlich möglich?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Daher müssen für Männer und Frauen, genauso wie für nicht binäre Menschen am Arbeitsplatz die gleichen Rechte gelten.
Für die Einführung des Menstruationsurlaubs stellt das eine Hürde dar. Das Gesetz muss einem Menstruationsurlaub aber nicht zwingend im Weg stehen, findet Rechtsanwältin Alexandra Lades. Sie arbeitet in einer Nürnberger Rechtsanwaltskanzlei im Bereich Arbeitsrecht.
„Es ist im Arbeitsrecht ein großes Problem, dass man Sachverhalte immer unterschiedlich auslegen kann“, sagt Alexandra Lades und fügt hinzu: „Diese Auslegungen werden immer dann interessant, wenn sich jemand daran stört.“ Im Falle des Periodenurlaubs müsse man diesen dann juristisch argumentieren, wenn sich Menschen ohne Periode durch den Sonderurlaub diskriminiert fühlen und sich auf das Gleichbehandlungsgesetz berufen würden. „Ja in diesem Fall würde der Sonderurlaub erst einmal dagegen verstoßen“, erklärt Lades. Ein Gegenargument seien aber die körperlichen Unterschiede der biologischen Geschlechter von Mann und Frau. „In diesem Fall könnte man sehr gut argumentieren, weil Periodenschmerzen eine naturgegebene Benachteiligung sind,“ sagt die Nürnberger Rechtsanwältin. Laut Alexandra Lades sei sich die Mehrheit der Jurist*innen einig, dass man diese Regelung rechtlich durchbringen könnte.
Ist ein Menstruationsurlaub in Deutschland sinnvoll?
„Soweit die Menstruationsbeschwerden einer Arbeitnehmerin über das übliche Maß hinausgehen, begründet dies in Deutschland eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit.“, erklärt eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Das heißt, Menschen mit Menstruationsbeschwerden können sich in Deutschland drei Tage ohne Attestpflicht krankschreiben lassen. Arbeitgeber*innen sind in dieser Zeit verpflichtet, den Lohn weiter zu zahlen.
In Spanien ist das anders: Die ersten drei Tage haben Arbeitnehmer*innen keinerlei Ansprüche auf eine Fortzahlung des Lohns. „Das hat mich tatsächlich schockiert“, meint Rechtsanwältin Lades. Demnach würde der Menstruationsurlaub in Spanien Menschen finanziell schützen, die aufgrund von Periodenschmerzen nicht arbeiten gehen können.
„Wenn wir uns das deutsche System anschauen, haben wir diese Probleme so nicht, weil es bei Fehlzeiten während der Menstruation einen guten Schutz gibt“, erklärt Lades. Dem Arbeitgeber muss der Grund außerdem nicht offenbart werden. Das sehe in der Praxis jedoch oft anders aus: „Wenn man sich krank meldet, will meist jeder wissen, was man hat. Ob man dann offen sagt, dass Menstruationsbeschwerden der Grund sind, ist aber eine andere Sache“, meint Alexandra Lades.
Dass der Menstruationsurlaub in Deutschland eingeführt wird, ist unwahrscheinlich. Gesetzlich möglich wäre die Regelung, aber wäre sie für uns Betroffene eine Verbesserung? Wenn wir starke Periodenschmerzen haben, können wir uns drei Tage ohne Attest krankmelden. Natürlich ist die Menstruation keine Krankheit. Letztendlich ist das Ergebnis aber das gleiche: Menschen, die wegen Periodenschmerzen nicht arbeiten können, müssen gesetzlich geschützt werden. In Deutschland ist das einfach und unkompliziert.
Es könnte bestimmt viele Reformen in Deutschland geben, um Menstruierende zu entlasten. Home Office während der Periode oder vom Staat subventionierte Periodenprodukte wären Möglichkeiten. Der klassische Menstruationsurlaub eher nicht.