Traditioneller Einzelhandel

David gegen Goliath

Es wird persönlich: In inhabergeführten Läden nimmt man sich Zeit für die Beratung der Kunden.
25. Jan. 2018

Bei der Suche nach einem abwechslungsreichen Shopping-Erlebnis kann man häufig verzweifeln. Alle Innenstädte scheinen gleich zu sein. Doch abseits der hektischen Einkaufsstraßen eröffnet sich noch eine Welt an kleinen, persönlichen Läden. An diesen Orten findet ein Überlebenskampf statt.

Würde sich ein Ortsfremder auf die Stuttgarter Königstraße verirren, würde er nicht erkennen, in welcher Stadt er sich befindet. Die Haupteinkaufstraße sieht aus wie jede andere deutsche Einkaufsmeile. Filialisten, wie H&M und Co. reihen sich aneinander. Laut dem Immobilienberater „Colliers International Deutschland“ füllen sie 92 Prozent der Ladenlokale in der Einkaufsstraße. Möchte man individuellere Läden entdecken, muss man in Seitenstraßen suchen, denn nur hier können sich inhabergeführte Läden noch mit Mühe halten.

Ladenkiller Nummer 1

Ein Ladenlokal in den 1a-Lagen des Stuttgarter Zentrums kostet bis zu 320 Euro pro Quadratmeter. Dies hat Colliers International Deutschland“ herausgefunden. Bei einer Fläche von hundert Quadratmetern kommen im Monat schnell 32.000 Euro Miete zusammen. Und das können sich oft nur große Filialisten leisten.

100 Jahre „Berger“ – Eine seltene Erfolgsgeschichte

Ein Ausnahmefall ist das Geschäft „A. Berger OHG“. Seit fast hundert Jahren hält sich der Laden schon erfolgreich in der Stuttgarter Innenstadt und befindet sich in der dritten Generation. Das Schneiderei- und Nähfachgeschäft gehört damit zu einer aussterbenden Art.

Aber wie konnte sich der Laden so lange halten? Die Inhaberfamilie hat einen großen Vorteil: Sie ist Eigentümer des Hauses und kann so die hohen Mietpreise umgehen.

Die persönliche Beratung ist ein weiterer wichtiger Überlebensfaktor für inhabergeführte Läden. Der Inhaber, Andreas Berger, glaubt nicht, dass sein Laden ohne die Beratung überleben könnte. „Wir gehen speziell auf den Kunden ein und versuchen auch Probleme oder Wünsche zu erfüllen. Das ist eigentlich in vielen Läden gar nicht mehr vorgesehen“, erklärt er. In den meisten Läden nimmt sich der Kunde die Ware nur noch aus den Regalen und bezahlt. Der ganze Einkauf verläuft anonym, ohne viel Kontakt zum Personal.

Überlebenskampf

Ein weiterer inhabergeführter Laden, der in der Innenstadt um sein Bestehen kämpft, ist der Spielzeugladen „Tausendschön“. Dessen Besitzer, Horst Bansemer, hat nicht das Glück Eigentümer des Ladens zu sein und Mühe, den Laden bei den hohen Mietpreisen zu halten.

Betritt man den bunten und hell erleuchteten Spielwarenladen, fällt einem sofort auf: Alle Spielsachen liegen offen in den Regalen und auf den Tischen. Dadurch können die Kunden direkt im Laden das ausgepackte Spielzeug sehen und herausfinden, wie es funktioniert. Man baut noch im Laden eine Verbindung zum Produkt auf. In großen Ketten und Kaufhäusern kann man meist nur die verpackte Ware betrachten.

Bansemer setzt als Überlebensstrategie auf die Besonderheit seiner Produkte, die von ihm persönlich ausgesucht werden. Bietet man in seinem Laden etwas an, das es in jedem Kaufhaus gibt, hat man, laut dem 71-Jährigen, schlechte Chancen in der Innenstadt zu bestehen.

Problem: Lange Öffnungszeiten

Geöffnet bis 20 Uhr, Mitternachtsshopping, verkaufsoffene Sonntage. Inhabergeführte Läden haben aufgrund von Personalmangel oft Probleme, mit den Öffnungszeiten der Filialisten Schritt zu halten. Ist es für sie überhaupt möglich, in diesem Punkt mit den Markenriesen mitzuhalten? Dazu gibt es verschiedene Meinungen:

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Interaktives Audio: Klickst du auf einen Punkt, hörst du verschiedene Meinungen dazu, ob lange Öffnungszeiten für kleine Geschäfte möglich sind. | Quelle: Isabel Riedel

Filialist ist nicht gleich Bösewicht

Ist die Konkurrenz durch große Filialisten nur etwas Schlechtes? Nicht unbedingt, findet der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Baden-Württemberg, Marius Haubrich. „Es ist für jede Stadt zuerst einmal wichtig, dass überhaupt Frequenz da ist. Wenn Sie ein Geschäft aufmachen und es sind keine Kunden da, dann kann ein Geschäft noch so schön sein.“ Und für diese Frequenz sorgen die Filialisten. Sind genug Kunden in der Innenstadt vorhanden, können die inhabergeführten Läden diese, laut Haubrich, auch für sich gewinnen.

Sicher scheint, dass kleine Läden aus den 1a-Lagen in die 1b-Lagen abwandern werden. Aus Sicht des Handelsverbandes bedeuten A&B-Lagen aber nicht gut und schlecht. Marius Haubrich betont: „Ich gehe ja auch gezielt in eine B-Lage, weil mir der Händler gut gefällt und weil ich da einen tollen Service und ein tolles Sortiment zu guten Preisen finde“.

 

Das Fluxus - individuelles Einkaufszentrum mitten in Stuttgart

Keine Ketten, nur inhabergeführte Läden. Wer nach Geschäften sucht, die es nicht in jeder Stadt gibt, findet gleich 18 davon in der Temporary Concept Mall „Fluxus“. Die Passage ist nicht überlaufen und zahlreiche Sitzmöglichkeiten und Cafés sorgen für ein entspanntes Shopping-Erlebnis. Doch wer hier einkaufen will, muss schnell sein: Die Passage besteht nur noch bis Sommer 2018.

Wo?: Calwer Passage, Calwer Straße, 70173 Stuttgart

Hier findet man ein kunterbuntes und mit Sorgfalt ausgewähltes Sortiment.
Der Charme des Geschäftes liegt in der Liebe zum Detail.
Ware zum Anfassen. Das Spielzeug kann im Laden unverpackt betrachtet werden.
Urgestein: Fast hundert Jahre hält sich „A. Berger OHG“ schon in der Stuttgarter City.
Kunterbunte Vielfalt: Bei Familie Berger findet man garantiert die richtige Farbe für das Nähgarn.
Mitten in Stuttgart: Die Temporary Concept Mall „Fluxus“.
Die Holzmöblerei ist eines der 18 inhabergeführten Geschäfte im „Fluxus“.
Shopping-Oase: Viele Cafés und Sitzmöglichkeiten sorgen für einen entspannten Einkauf.