Superblock 3 Minuten

Keine Autos mehr in der „Autostadt“

Fahrradfahrende in einem verkehrsberuhigten Bereich.
Verkehrsberuhigte Bereiche in der Innenstadt fördern das Fahrradfahren. | Quelle: Kim Hellmann
07. Dez. 2023

Tradition hin oder her: Damit Stuttgart bis 2035 klimaneutral ist, müssen andere Mobilitätsformen dem allzu beliebten Auto vorgezogen werden. Durch einen baldigen Superblock in Stuttgart-West würde sich der Verkehr in der Innenstadt deutlich verringern. Ein Kommentar.

Für eine nachhaltige Zukunft muss die Stuttgarter Innenstadt weitgehend autofrei werden. Mit der Umsetzung des Superblocks Stuttgart-West wird der Straßenraum zum Begegnungsraum. Menschen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, bekommen Vorrang. Momentan scheitert die Umsetzung an langen Ämterdurchläufen. Das muss schneller gehen, wenn Stuttgart seine Klimaziele erreichen will. Barcelona gilt als Vorreiter der Superblocks und beweist, dass alternative Angebote zum Autofahren positive Effekte für die Großstadt mit sich bringen.

Als Superblock wird ein Straßenblock von etwa 400 mal 400 Meter beziehungsweise drei mal drei Häuserblöcke definiert, in dem der Kfz-Verkehr neu organisiert wird. Ein ausgeklügeltes System von Einbahnstraßen verhindert, dass die Straßen innerhalb dieser Zonen zur Durchfahrt genutzt werden. Zu Fuß Gehende und Radfahrende haben Vorrang. Der dadurch gewonnene Straßenraum wird neu genutzt: Es werden Bäume gepflanzt, Blumenkübel gesetzt und Parkbänke errichtet.

Quelle: Deutsches Institut für Urbanistik (difu)

Die Augustenstraße in Stuttgart-West gleicht einer Betonwüste. Die Anwohnenden nutzen den Straßenrand als Großraumparkplatz. Es gibt momentan fast keine Bäume, dafür viel Durchgangsverkehr. Von ansprechend ist keine Rede. Ein Gebiet voller Einzelhandel und Gastronomie muss attraktiver gestaltet sein. Kein Meer von Autos, sondern Sitzgelegenheiten und Grünflächen müssen her.

Simulationsbild, wie der Superblock in der Augustenstraße aussehen könnte.
Simulationsbild: So könnte der Superblock in der Augustenstraße aussehen. | Quelle: Kim Hellmann
Die Augustenstraße sieht trüb aus und ist von Baustellen und Durchgangsverkehr geprägt.
Momentan sieht die Augustenstraße trüb aus und ist von Baustellen und Durchgangsverkehr geprägt. | Quelle: Kim Hellmann
Ein bepflanztes Parklet steht vor den Türen von Greenpeace.
Das bisher einzige Parklet im geplanten Superblock findet man vor den Türen von Greenpeace. | Quelle: Kim Hellmann

Stuttgart braucht den Superblock

Das Superblock-Konzept wird den Verkehr in den betroffenen Straßen durch Diagonalsperren deutlich reduzieren. Bänke, Parklets, Spielmöglichkeiten für Kinder und mehr Grün versprechen endlich eine verbesserte Aufenthaltsqualität für die Leute aus der Nachbarschaft. Ähnlich wie Barcelona ist Stuttgart dicht besiedelt und die Quartiere sind rasterförmig aufgebaut. Viel Verkehr, viel Blech, miserable Luft, nerviger Lärm und wenig Grün. Das sind die Probleme der beiden Städte. In Barcelona wurden sie effektiv angegangen. Auch Stuttgart muss diesem Beispiel schnellstmöglich folgen.

Die Liste an positiven Auswirkungen der Superblocks in Barcelona ist beeindruckend lang: Nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) passieren nun 82 Prozent weniger Fahrzeuge die Hauptverkehrsstraße des Bezirks Sant Antoni. 25 Prozent weniger Stickstoff-Schadstoffe verbessern seit der Einführung des Superblocks die Luftqualität. Es gibt so gut wie keine Verkehrsunfälle mehr und das in einer absoluten Großstadtmetropole. Außerdem stieg in Poblenou die Zahl der Geschäfte im Erdgeschoss um 30 Prozent an, was die Attraktivität des Gebiets stark erhöhte. Vor allem sozial und ökonomisch benachteiligte Menschen profitieren von der Reduktion des Autoverkehrs, da sie häufig in lärmbelasteten Gegenden leben.

Der Superblock in Stuttgart wird somit nicht nur der Umwelt zugutekommen, sondern auch die Lebensqualität der Stadtbewohner*innen nachhaltig verbessern. Worauf warten wir also?

Tradition loslassen und Veränderung fördern

Seit zwei Jahren geht der Pkw-Bestand in Stuttgart zurück. Ende 2022 waren laut Statistischem Landesamt Baden-Württemberg rund 300.000 Autos zugelassen. Das sind fast 3.000 weniger als im Vorjahr. Zusätzlich ist die Zahl der Pkws pro Einwohner*in gesunken. Diese bemerkenswerte Entwicklung muss sich beschleunigen. Der Superblock treibt sie entscheidend voran, denn er setzt eine positive Vision der Stadt jenseits der Automobilität um. Für Stuttgart-West sind nämlich zahlreiche Fahrradbügel und Carsharing-Stellplätze geplant, welche die Reihe an überflüssigen Parkplätzen ersetzen und somit die alternative Fortbewegung fördern.

Auch wenn Stuttgart einen weltweit ausgezeichneten Ruf als Automobilstandort verzeichnet, leidet die Stadt umwelttechnisch massiv darunter, was sie selbst erschaffen hat. Momentan macht der Verkehr in Stuttgart als drittgrößter Sektor ganze 14 Prozent der Treibhausgasemissionen aus. Der Umwelt zuliebe müssen Stuttgarter*innen ihre Einstellung zum Auto ändern. Für Sentimentalität ist hier in Anbetracht des 1,5-Grad-Ziels kein Platz mehr.

Die Kritik, mit dem Auto im Superblock eingeschränkt zu sein, ist vorerst unbegründet. Wer mit dem Auto das Quartier durchfahren will, muss lediglich einen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Ein ausführliches Verkehrsgutachten bestätigt eindeutig, dass die Knotenpunkte im Superblock zu keiner Zeit überlastet sein werden.

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Ein Verkehrsgutachten bestätigt einen funktionierenden Straßenverkehr im Superblock. | Quelle: Kim Hellmann

Das darf aber nur eine kurzfristige Lösung sein. Auf lange Sicht müssen sich auch Stuttgarter*innen vom Auto verabschieden, so schwer es auch fallen mag. Öffentliche Verkehrsmittel und Sharing-Angebote müssen es erlauben, das Auto abzuschaffen. Der Superblock gibt hierfür genau den richtigen Impuls. Autospuren in Fahrradspuren umwandeln und Parkplätze abschaffen, macht es schön ungemütlich, das Auto zu benutzen. Jetzt gilt es also rasch, den Papierkram in den Griff zu bekommen, sodass dem Superblock in Stuttgart nichts mehr entgegensteht.

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