Keine Panik vor der Pille
Verhütung ist für uns alle ein leidiges Thema. Wirklich Spaß macht es natürlich niemandem regelmäßig neue Kondome zu kaufen, akribisch jeden Tag den Kalender zu checken oder sich schmerzvoll eine Spirale einsetzen zu lassen. Mit Abstand am meisten Wirbel gibt es aber um eine ganz bestimmte Verhütungsmethode: die Pille. Ein Teufelszeug, so scheint es zumindest, wenn man sich die ganzen Warnungen und Erfahrungsberichte auf Social Media anschaut. Bei all den Witzen über den riesigen Beipackzettel in der Pillenpackung und sich häufenden Berichten von Frauen, die die Pille absetzen, wird mir manchmal schon ein bisschen mulmig. Und auch aktuelle Erhebungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen: Immer weniger Frauen verhüten mit der Pille. Die Skepsis gegenüber ihr und auch anderen hormonellen Verhütungsmitteln scheint also immer größer zu werden. Da frage ich mich schon: Kann man die Anti-Baby-Pille überhaupt noch nehmen? Oder tun wir ihr mit diesem negativen Bild vielleicht unrecht?
Wie funktioniert die Pille?
Um das diskutieren zu können, muss man erst einmal verstehen, wie genau die Pille überhaupt wirkt. Hierzu schauen wir uns erstmal den natürlichen weiblichen Zyklus genauer an. Damit Frauen schwanger werden können, sind nämlich ganz fein abgestimmte Hormonschwankungen nötig.
Entscheidend in diesem Prozess sind 4 Hormone: FSH (folikelstimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) sorgen dafür, dass genau eine Eizelle heranwächst, Östrogen und Progesteron bereiten die Gebärmutter und ihre Schleimhäute auf eine mögliche Schwangerschaft vor.
Die Pille enthält eben dieses Östrogen und Gestagen, welches wie das körpereigene Progesteron wirkt. Durch die Einnahme des Präparats schwanken diese Hormone also nicht mehr, sondern bleiben konstant. Das sorgt dafür, dass keine vollständige Eizelle mehr gebildet wird und eben auch keine Schwangerschaft mehr möglich ist.
Nach dieser Erklärung wird auf jeden Fall klar: Die Pille greift ziemlich deutlich in den natürlichen Hormonhaushalt ein. Und ich muss zugeben, mir hat das beim Beginn meiner Recherche schon etwas Angst gemacht. Das beste für den Körper ist doch schließlich sein natürlicher Hormonhaushalt, oder nicht? Kann so eine große Veränderung überhaupt gesund sein?
Die Antwort lautet: Es kommt drauf an. Und zwar unter anderem darauf, ob dir dein natürlicher Zyklus überhaupt guttut. Die starken Hormonunterschiede jeden Monat machen sich nämlich nicht nur in der Gebärmutter bemerkbar. Das ganze Hin und Her führt bei manchen Frauen zum Beispiel zu PMS, dem Prämenstruellen Syndrom. Symptome hier sind nicht nur die altbekannten Stimmungsschwankungen, sondern zum Beispiel auch Schlafprobleme, Heißhunger oder Wassereinlagerungen. Bei anderen machen sich die Probleme auf der Haut bemerkbar, hormonelle Akne ist dann die Folge. Und wieder andere müssen während der Periode dran glauben und mit starken Regelschmerzen zurechtkommen. In all diesen Fällen hilft es den Betroffenen das Hormonlevel zu stabilisieren und das geht eben mit der Pille.
Gerade für Endometriosepatientinnen kann das eine große Erleichterung sein. Bei der Krankheit bilden sich Wucherungen in der Gebärmutterschleimhaut, die vor und während der Periode große Schmerzen verursachen. Durch die Hormonzufuhr werden die Symptome gelindert, teilweise verschwinden sie sogar komplett.
Es wird also klar, dass die Pille einen ganz guten Job machen kann, wenn sie als Medikament eingenommen wird und nicht nur zu reinen Verhütungszwecken. Mir persönlich geht’s mit meinem natürlichen Zyklus aber eigentlich ganz gut. Keine Schmerzen, keine krassen Stimmungsschwankungen, alles ist so wie es soll. Ich habe eher ein ungutes Gefühl wegen der ganzen Vorurteilen der Pille gegenüber. Wir haben schließlich alle schon mehrmals davon gehört, dass man von der Einnahme angeblich Thrombose bekommt, depressiv wird oder ordentlich an Gewicht zulegt. Bei so einer Aussicht ist es schon verständlich, wenn sich die Begeisterung für sicheres Verhüten dann doch eher in Grenzen hält. Und diese Sorgen sind tatsächlich nicht komplett unberechtigt. Der springende Punkt ist jedoch: Sie werden maßlos überschätzt.
Vorurteile rund um die Pille
Zunächst zur Thrombose: Dieser Vorwurf der Pille gegenüber ist auf jeden Fall ernst zu nehmen. Gerade wer in seiner Familie bereits Thrombosefälle kennt, sollte mit der Pille lieber aufpassen. Generell ist es aber gut, sich bewusst zu machen, das hormonelle Veränderungen bei Frauen oft mit einem veränderten Thromboserisiko einhergehen. Bei einer Schwangerschaft zum Beispiel kann das Risiko für eine Erkrankung dreimal so hoch wie bei der Pilleneinnahme sein. Frauen, die erstmal nicht vorbelastet sind, können auf die Art des Präparats achten. Es gibt nämlich nicht nur die eine Pille, sondern viele verschiedene Arten, die sich in der Hormonmenge und -zusammensetzung unterscheiden. Pillen aus der älteren Generation steigern das Thromboserisiko weitaus weniger als die neuen Präparate, welche dafür zum Beispiel die Haut reiner machen. Bei der Wahl des richtigen Mittels ist also immer eine ausführliche Beratung notwendig, um eben die passende Pille zu finden.
Weiter zum Thema Depressionen: Es ist tatsächlich so, dass sich das Präparat auch auf die Psyche auswirkt. Durch die Pille haben viele Frauen ein bisschen weniger Affektvariabilität. Soll heißen, generelle Stimmungsschwankungen werden etwas gedämpft. Blöd ist nur, dass sich dieser Effekt vor allem auf die guten Hochgefühle auswirkt. Frauen, die psychisch vielleicht schon vorbelastet sind oder eben eine Veranlagung für Depressionen haben, können durch diesen Effekt erstmals psychisch auffällig werden. Klar muss aber auch sein: Die Pille macht aus einer gesunden Frau keine psychisch kranke. Wer noch nie Probleme mit seiner mentalen Gesundheit hatte, braucht keine Angst vor Depressionen durch die Pille zu haben. Ein Bewusstsein für diese mögliche Auswirkung ist natürlich trotzdem angebracht.
Zu guter Letzt der Vorwurf: „Die Pille macht dick!“. Und auch hier kann ich Entwarnung geben, dieser Effekt konnte bisher nie wirklich nachgewiesen werden. Was sich tatsächlich ein bisschen verändert, ist die Art, wie Wasser im Körper eingelagert wird. Durch die größere Menge an Östrogen wird Wasser im Körper etwas länger zurückgehalten. Das macht sich dann eventuell in den Hüften, Oberschenkeln und am Po bemerkbar. Eine wirklich nennenswerte Veränderung gibt es meistens aber nicht.
Nachdem ich mit ein paar Vorurteilen aufräumen konnte, sei trotzdem gesagt: Die Einnahme der Pille ist natürlich nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Es sind eben keine Smarties, sondern verschreibungspflichtige Hormone. Es sollte auch klar sein, dass die Pille nicht unbedingt für jeden geeignet ist, auch wenn es sie mittlerweile in verschiedensten Hormonstärken und -zusammensetzungen gibt. Wer mental vielleicht schon vorbelastet ist oder durch seine Eltern ohnehin schon ein erhöhtes Thromboserisiko hat, sollte lieber die Finger von der Pille lassen.
Verhütung ist und bleibt ein sehr individuelles Thema. Was für manche super funktioniert, ist für andere keine Lösung. Letztendlich haben aber alle Verhütungsmethoden ihre Daseinsberechtigung und so eben auch die Pille. Sie sollte nicht direkt verteufelt werden, sondern eben gezielt den Frauen verschrieben werden, zu denen sie auch passt. Ein Verhütungsmittel, das zu den sichersten auf dem Markt zählt, leicht einzunehmen ist und für manche sogar noch weitere Vorteile bringt, klingt für mich eigentlich nach einer ganz guten Option, die man zumindest in Betracht ziehen sollte. Eine gesunde Portion Respekt gehört natürlich dazu, die irrationale Angst vor hormoneller Verhütung ist aber hoffentlich hiermit beseitigen.
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