Fußballer mit Existenzängsten
Es muss unaushaltbar sein. Das will man sich doch gar nicht ausmalen, worauf Fußballprofis während der corona-bedingten Saisonpause verzichten mussten. Kein Blattgold auf dem Steak. Die Versicherung des Drittwagens, natürlich ein Luxuswagen, ist nicht mehr bezahlbar. Für den Flatscreen-Fernseher, der nun schon zwei Jahre alt ist, kann kein Ersatz gekauft werden. Die Fußballschuhe der neuesten Generation sind nicht mehr im Budget. Obwohl, die werden ja sowieso vom Sponsor bezahlt. Im Supermarkt greift der verzweifelte Fußballprofi zu gewöhnlichem Tafelsalz, statt wie sonst das Meersalz aus den Himalaya-Gebirgen zu kaufen. Der schlaue Fußballer ist sparsam und beugt vor, damit das Studium der Kinder später einmal finanziert werden kann.
Ohne den Re-Start der Fußball-Bundesliga hätten wohl 13 der 36 Erst- und Zweitligisten Insolvenz anmelden müssen. Dank der Wiederaufnahme des Spielbetriebs konnte das abgewendet werden. Vor allem die TV-Einnahmen spielen dabei eine große Rolle. Doch nicht nur Vereine, sondern auch so mancher Spieler sah seine Existenz bedroht. Martin Männel ist Torhüter des Zweitliga-Teams Erzgebirge Aue. Er sagt: „Es gibt sicherlich Top-Verdiener bei Bayern München oder Borussia Dortmund. Wir hier in Aue sind definitiv keine Gehalts-Millionäre, die mal ein halbes Jahr lang auf ihr Gehalt verzichten können." Sicherlich ist es für niemanden leicht, lange Zeit ohne Einnahmen zu überleben. Dennoch ist der Fußball, auch in der zweiten Liga, ein Millionengeschäft. Paradox, dass bei Profis Existenzängste aufkommen. Hätte man sich etwas zur Seite legen können? Schwierig, wenn man sich an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt hat.
Auch die Familie des Profis hat wenig zu lachen. Die Kinder bekommen kein neues Iphone, sondern müssen sich mit einem Android-Smartphone begnügen. Dafür werden sie in der Schule doch ausgelacht. Gott sei Dank war der Schulbesuch lange Zeit nicht möglich. Dennoch: Familienstreit vorprogrammiert. Der Handyvertrag der Frau umfasst nicht mehr endlose Telefonminuten, sondern ist auf 5000 Minuten begrenzt. Mehr ist einfach nicht mehr drin. Zum Frühstück gibt es keinen koffeinfreien Fluffy-Puffy-Unicorn-Frappuccino von Starbucks mehr. Stattdessen gibt es lediglich einen Cappucino. Dritte-Welt-Verhältnisse.
Während der Corona-Zwangspause trainierten die Spieler allein von daheim aus. Existenz-Ängste als zusätzlicher Ballast beim Bankdrücken. Sprints bergauf braucht es nicht, denn die Last auf den Schultern ist groß genug. Schönsaufen ist nicht, denn Sportler trinken kein Alkohol.
Das ist doch alles niemandem zuzumuten. Fußballprofis sind die wohl ärmsten Säue in der Corona-Krise. Nicht Krankenschwestern, die täglich Überstunden anhäufen und ständig in unmittelbarem Kontakt mit dem Virus sind. Nicht Gastronomen, die monatelang ihre Gaststätten schließen müssen. Nicht Freibäder, die lange Zeit nicht einmal öffnen konnten. Nicht Selbstständige, die keinerlei Absicherung haben. Nicht Kinder, die nicht zur Schule gehen oder sich auf dem Spielplatz mit ihren Freunden treffen können. Nein, nein: Die Fußballprofis sind es. Gut, dass der Fußball wieder rollt. Und der Rubel auch.
Einen weiteren Teil der Kolumne Versteh einer die Fußballer findet ihr hier.