Klimaspiele statt Klimaziele
Was eigentlich schon längst in den Köpfen aller angekommen sein sollte, zeigt der neueste Bericht des Weltklimarates IPCC ein weiteres Mal: Die Zeit und die Möglichkeiten, eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft zu schaffen, rasen davon – mit Vollgas in Richtung Klimahölle.
Noch 2015 unterzeichneten 195 Staaten mit dem Pariser Klimaabkommen die Vereinbarung, die Erderwärmung bis 2100 möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen – 2023 hat die Erde bereits 1,1 Grad erreicht und die Treibhausgas-Emissionen sind noch höher als bei Abschluss des Klimaabkommens. Mit seinem Klimaschutzgesetz will Deutschland bis 2045 klimaneutral werden – was gut klingt, reicht jedoch vorne und hinten nicht.
Denn nicht einmal die nachweislich ungenügenden Klimaschutzziele können von der Regierung eingehalten werden. Es fließt mehr Geld in die Förderung fossiler Energien als in Klimaschutzmaßnahmen, im Verkehrssektor übersteigen die Emissionen das zweite Jahr in Folge ihre eigentliche Grenze und Verkehrsminister Volker Wissing verweigert ein Sofortprogramm, um die Ziele langfristig einhalten zu können. Wo bleiben da die Konsequenzen?
Schluss mit den Spielchen
Die aktuelle Klimaschutzpolitik ist ein Schlag ins Gesicht zukünftiger Generationen. Klimaschutz ist nichts, mit dem man einfach wirbt, mit dem man spielt, nur um dann alle Erwartungen und Pläne wieder über den Haufen zu werfen. Klimaschutzgesetze bringen nichts, wenn sich die Politik nicht daran halten muss und sie werden nicht zum Spaß verabschiedet. Das Ganze ist kein Spiel mehr, sondern beängstigende Realität: In fast allen Modellen des IPCC wird das 1,5 Grad-Ziel bereits im nächsten Jahrzehnt erreicht. Wenn die Menschheit so weitermacht wie bisher, erwärmt sich die Erde laut Weltklimarat bis 2100 um 3,2 Grad. Wenn tatsächlich alle internationalen Zusagen eingehalten werden würden, könnte die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf etwa 2,5 Grad begrenzt werden – also immer noch ein ganzes Grad mehr, als gesetzlich vereinbart.
Egal wie – die Erderwärmung wird noch extremere Folgen und verheerende Lebensbedingungen für Mensch und Natur mit sich bringen, die mit jedem Zehntelgrad Erwärmung noch größer werden: Artensterben, Dürren, Überflutungen, Flucht und Vertreibung, stärkere Ausbreitungen von alten und neuen Krankheiten. Die Liste der Folgen ist lang, und ohne schnelle Reaktionen bedroht der Klimawandel die Lebensgrundlagen derzeitiger und zukünftiger Generationen. Es ist absurd, wie sehr die Wissenschaft trotz solcher Szenarien noch immer ignoriert wird.
Auch wenn es in einem demokratischen Staat herausfordernd ist, sämtliche Interessen und Bereiche der Politik abzudecken, darf nicht vergessen werden, dass der Klimawandel und seine Folgen jeden einzelnen Lebensbereich betreffen. Ohne rechtzeitige und ausreichende Klimaschutzmaßnahmen werden sozial- und gesundheitspolitische Probleme wachsen und die wirtschaftlichen Schäden durch Klimakatastrophen ins Unermessliche steigen.
Doch nicht nur die Politik liegt in der Verantwortung: Konsum ist ein wesentlicher Treiber in Sachen Klima. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso weiterhin an Verbrennungsmotoren, Autobahnen ohne Tempolimit, Billig-Flügen und dem täglichen Stück Wurst festgehalten wird. Um die Erde nicht zu einem lebensfeindlichen Planeten zu machen, müssen alle etwas verändern. Verzicht ist unbequem – aber noch unbequemer wird es, wenn mit verschlossenen Augen und auf Kosten der Zukunft einfach so weitergemacht wird. Verzicht bedeutet in diesem Fall einen riesigen Gewinn.
Der alleinige Vorsatz, bis 2045 klimaneutral zu werden reicht nicht aus, um den Klimawandel aufzuhalten, denn das Zeitfenster schließt sich viel zu schnell. Die guten Nachrichten: Das 1,5 Grad-Ziel ist noch nicht komplett verloren. Der vorhandene Spielraum muss mit dem Ausbau erneuerbarer Energien, der Transformation der Städte und Mobilität und einer effizienten Landnutzung gefüllt werden. Menschen müssen zur Verhaltensänderung angeregt und unterstützt werden, sei es durch Preisanreize, Fördermittel oder Ge- und Verbote. Das Umweltbewusstsein muss durch Bildungsangebote gestärkt werden und die Wirtschaft in nachhaltige Projekte investieren. Auch wenn Deutschland nur eines von vielen Ländern ist, kann es als eine der führenden Handelsmächte auch in Sachen Klimaschutz Vorbild und Antreiber für weitere Nationen sein. Wir haben das nötige Wissen, die Mittel, die Technologien – was jetzt noch fehlt ist der Wille, an einer lebenswerten Zukunft zu arbeiten und eine konsequente Klimaschutzpolitik: Klimaziele statt Klimaspiele.