Aus den Ringen, aus dem Sinn
Wenn 2021 mit einem Jahr Verzögerung die Olympischen Sommerspiele in Tokyo stattfinden, stehen viele Randsportarten wieder im Rampenlicht. In diesem Jahr kommen mehrere neue Sportarten dazu – unter anderem Baseball, Skateboarden und Surfen.
Als Randsportarten werden Sportarten bezeichnet, die von wenigen Leuten ausgeübt werden und/oder in der (medialen) Öffentlichkeit selten wahrgenommen werden.
Olympia als das Sportevent schlechthin nimmt für kleinere Sportarten eine wichtige Rolle ein. Vor allem für die, die erstmals im olympischen Programm vertreten sind. „Grundsätzlich bedeutet das für diese Verbände und Sportarten erst mal eine unwahrscheinliche Steigerung des öffentlichen Interesses“, erzählt Barbara Lischka vom Geschäftsbereich Leistungssport des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Zu keiner anderen Zeit bekommen sie so viel Aufmerksamkeit, sowohl vom Publikum als auch von den Medien. Bei den Spielen in Rio de Janeiro 2016 etwa verfolgten 8,55 Millionen ARD-Zuschauer*innen das Halbfinale der Beachvolleyball-Damen im Ersten, während beim ZDF 7,52 Millionen Zuschauer*innen die Entscheidungen im Bogenschießen einschalteten. Zum Vergleich: Das Finale des Fußballturniers der Männer ordnete sich mit 8,25 Millionen Zuschauer*innen in eine ähnliche Kategorie ein.
Ein finanzielles Plus
Neben der öffentlichen Wahrnehmung sind die Olympischen Spiele für die Randsportarten auch aus finanzieller Sicht wichtig. Mit der Aufnahme in die olympische Familie erhalten die Sportarten eine strukturelle Förderung durch das Innenministerium, erklärt Barbara Lischka und ergänzt: „Das beinhaltet die Förderung über einen gesamten Olympiazyklus, das heißt wir reden immer über vier Jahre.“ Athlet*innen des Olympiakaders bekommen seit 2019 monatlich 800 Euro. Auch Stipendien der Deutschen Sporthilfe können das Budget aufbessern. Die Förderung der einzelnen Sportverbände orientiert sich an den Erfolgen aus vergangenen Spielen und Wettbewerben, sowie erfolgsversprechenden Entwicklungen im Nachwuchsbereich. Sie erreicht vor allem den Spitzensport. Der Breitensport profitiert davon weniger, da dieser von den Ländern und Kommunen finanziert wird.
Tatsächlich können die Olympischen Spiele Randsportarten verändern. Als Paradebeispiel gilt Curling, das 1998 bei den Spielen in Japan debütierte. Die zuvor eher unbekannte Sportart entwickelte sich zum Publikumsliebling und zählt bis heute rund zwei Millionen aktive Spieler*innen. Dieser Hype lässt sich vor allem auf Kanada zurückführen, wo nach aktuellen Angaben 90 Prozent aller Curler*innen beheimatet sind. In Deutschland hingegen schwankt die Zahl der Mitglieder seit 2006 zwischen 600 und 700. Anders ergeht es dem Beachvolleyball, das durch die Einführung 1996 ins olympische Programm in Deutschland weiter an Popularität dazugewonnen hat. Nach Angaben des Volleyball-Verbandes wurden 1995 und 1996 1500 neue Spieler*innen gemeldet, zudem wiesen die nationalen Wettbewerbe im Jahr nach Olympia einen Rekord von 550.000 Zuschauer*innen auf.
Im Schatten der Etablierten
Trotz der Olympischen Spiele schwinden die Mitgliedszahlen vieler Sportverbände: Der Deutsche Schwimmverband hat im Jahr 2020 im Vergleich zu 2000 rund 8,2 Prozent seiner Mitglieder verloren, im Tischtennis sind es sogar 22,5 Prozent weniger. Außerdem verschwinden viele Sportarten wie Curling oder Bogenschießen außerhalb der Spiele von der öffentlichen Bildfläche. In den Medien finden sie neben etablierten Sportarten wie Fußball oder Handball nur wenig Beachtung. Im Fernsehen werden nur bei wichtigen Wettbewerben kurze Zusammenfassungen gezeigt, ansonsten sind sie höchstens in Nischenprogrammen wie dem DOSB-Streamingdienst “Sportdeutschland.TV“ zu sehen.
Trotz der medialen Aufmerksamkeit während den Olympischen Spielen sind viele Randsportarten außerhalb nach wie vor unterrepräsentiert. Die Sponsoren und Fördergelder helfen den Verbänden zwar ungemein, jedoch sind ihre Hilfen zeitlich begrenzt. Um ihnen längerfristig helfen zu können, brauchen sie mehr als zwei Wochen Rampenlicht.