Olympia 2022

Randsportarten: Kein Geld ohne Förderung

Eisschnelllauf und Curling sind Randsportarten, die weniger mediale Aufmerksamkeit genießen.
20. Jan. 2022
Keine Sponsoren, kaum Geld, wenig Freizeit – In Randsportarten ist das nicht selten. Hendrik Dombek kann sich seine Eisschnellläufer-Karriere nur mit Sportförderung finanzieren. Nach gescheiterter Olympiaqualifikation muss er sich den Förderplatz jedoch erneut erkämpfen.

15 Sportarten. 17 Tage: die Olympischen Winterspiele 2022. Skispringen, Bob und Biathlon sind die Sportarten, die wohl jedem sofort in den Kopf springen, wenn es um Wintersport geht. Es sind auch die Sportarten, in denen das Team Deutschland in den letzten Jahren viele Medaillen geholt hat. Im Schatten derer, steht jedoch der weniger bekannte Sport. Nordische Kombination, Curling und Eisschnelllauf gehören zu den Randsportarten der diesjährigen Winterspiele, die vom 4. bis 20. Februar in Peking ausgetragen werden. Um Teil von Olympia zu sein, benötigt es hartes Training, gerade zu Zeiten der Olympiaqualifikation. Eisschnellläufer Hendrik Dombek trainiert deshalb zweimal am Tag und unterbricht seinen Sport nur für ein schnelles Mittagessen und die Physiotherapie. „Das ist schon das Ziel jedes Sportlers und auch ein Kindheitstraum, an den Olympischen Spielen teilzunehmen“, erzählt Dombek. 

Randsportarten

Sportarten, die kaum öffentliches und mediales Interesse genießen sowie von vergleichsweise wenigen Menschen ausgeübt werden.

Während der Vorbereitung auf die Winterspiele zu studieren oder einen Beruf auszuüben ist zeitlich kaum möglich. „Ich wollte mich auf meinen Sport konzentrieren, um mich auf Olympia vorzubereiten.“ Dombek pausierte sein Psychologiestudium für die Winterspiele. Umso enttäuschender war es für den Eisschnellläufer, als er sich nicht qualifizieren konnte. „Ich habe die letzten vier Jahre alles darauf ausgelegt, insofern ist‘s natürlich ein bisschen niederschmetternd, das nicht zu schaffen“, erklärt Dombek.

Kein Geld für den Beruf

Eisschnelllauf ist neben Eiskunstlauf und Shorttrack eine der drei Eislauf-Disziplinen, die in Peking dieses Jahr ausgetragen werden. Die Niederlande sind mit ihren 42 Goldmedaillen mit Abstand die erfolgreichsten im Eisschnelllauf. In Deutschland hingegen, ist der Sport eher den Randsportarten zuzuordnen. Gerade für Athlet*innen solcher Randsportarten stellt die Finanzierbarkeit ein großes Problem dar. Eisschnellläufer Dombek verdient mit seinem Sport, trotz enormem Zeitaufwand, kaum Geld. Im Gegenteil: Er zahlt für seine Ausrüstung und die Teilnahme an Turnieren. Eine Studie der Deutschen Sporthilfe zeigt, dass ungefähr 30 Prozent des jährlichen Spitzensportler*innen-Einkommens von 18.680€ für den Sport ausgegeben werden. Der kalkulatorische Stundenlohn, berechnet aus sportbezogenen Einnahmen sowie Ausgaben und den für Sport aufgebrachten Stunden, beträgt rund 5 Euro. Das liegt deutlich unter dem deutschen Mindestlohn.

Von Verband zu Verband ist jedoch verschieden, was die Sportler*innen bezahlt bekommen. Der Deutsche Curling-Verband (DCV) übernimmt beispielsweise die Turnier-Startgelder der einzelnen Curler*innen. „Dadurch, dass wir nur sehr wenige Leute sind, können sie uns den Aufenthalt noch zahlen“, erzählt der deutsche Curler Klaudius Harsch. Der DCV ist mit seinen 760 Mitgliedern rund 700-mal kleiner als der deutsche Skiverband. Curling ist als Randsportart außerdem keine beliebte Anlaufstelle für große Sponsoren. „Wir sind jetzt keine Basketballer, die Millionen dafür kriegen, irgendwelche Schuhe anzuhaben, sondern sind froh, wenn wir die Schuhe überhaupt bekommen“, meint der 21-jährige Curler. Um herauszufinden was sich hinter dem Randsport verbirgt, haben wir Curling einmal selbst ausprobiert: 

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Förderung gegen Leistung

Die Möglichkeiten, sich und den Sport selbst zu finanzieren sind sehr gering. Verschiedene Sportförderungen, wie die Bundeswehr, -polizei und die Deutsche Sporthilfe, greifen an dieser Stelle ein und unterstützen die Sportler*innen finanziell. Die Bundeswehr beschäftigt Spitzensportler*innen für elf Monate als Freiwillige Wehrdienstleistende. Wenn die Sportler*innen weiterhin ihre Leistung erbringen, kann ihr Dienst auf bis zu 23 Monate verlängert werden. Curler Harsch und Eisschnellläufer Dombek sind beide Sportsoldaten der Bundeswehr. Sie erhalten monatliches Gehalt und absolvieren am Ende der Saison eine Ausbildung. Zudem ermöglicht die Bundeswehr den Athlet*innen, ihren Sport weiter in vollem Umfang auszuführen. Doch die verfügbaren Bundeswehrplätze für Sportsoldat*innen sind begrenzt. Jedem Sportverband wird nur eine gewisse Anzahl an Plätzen zur Verfügung gestellt. „Grundlage hierfür sind unter anderem die Anzahl der Olympischen Medaillenentscheidungen, die bisherigen Erfolge und die Erfolgsaussichten“, erklärt André Dupont, Hauptmann aus dem Dezernat Sport der Bundeswehr.

„Wenn man nicht gut genug ist sich den Bundeswehrplatz zu erlaufen, sollte man sich vielleicht überlegen aufzuhören.“

Hendrik Dombek, Eisschnellläufer

Anschließend handhaben die Verbände die Belegung der Plätze in Absprache mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). So könnte man als Leistungssportler*in eines Olympia- beziehungsweise Perspektiv- oder Nachwuchskader oder einer deutschen Nationalmannschaft von dem Verband vorgeschlagen werden. Eisschnellläufer Dombek muss sich nach gescheiterter Olympiaqualifikation noch einmal in einem Wettkampf seinen Sportsoldatenplatz sichern. Daran hängt seine gesamte Profikarriere. Ohne Bundeswehrplatz müsste sich der 24-Jährige überlegen, ob er den Sport noch finanzieren könnte. Auf die Frage hin, was er vorhabe, wenn er die Stelle nicht bekäme, antwortet er: „Wenn man nicht gut genug ist sich den Bundeswehrplatz zu erlaufen, sollte man sich vielleicht überlegen aufzuhören.“

Anders sieht es hingegen im DCV aus. Da der Verband sehr klein ist, findet innerhalb des Verbandes kein Wettbewerb um die verfügbaren Plätze statt. Die Anzahl der Plätze werden in einem jährlichen Treffen von Bundeswehr und der Verbandsspitze besprochen. Die Bundeswehr gibt auch hier die freie Anzahl an Plätzen vor, sodass der Verband die Curler*innen dem DOSB vorschlagen kann. So hat auch Curler Harsch nach längerer Diskussion einen Sportfördergruppenplatz zugeteilt bekommen. Für ihn sind die Olympischen Spiele ebenso das große Ziel. Harsch schaffte es im Mixed Doppel, einer der drei Winterspiel-Disziplinen im Curling, bis zur Olympiaqualifikation und schied dann aus. Da die Lage in Peking stark kritisiert wird, könnte man womöglich meinen, dass dieser geplatzte Traum nur halb so schlimm sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Mehr dazu lest ihr in dem Kommentar über die Menschenrechtssituation und die Wetterbedingungen der Olympischen Spiele 2022:

Olympia bleibt das Ziel

Sowohl Curling als auch Eisschnelllauf sind Randsportarten, die während der Olympischen Winterspiele mehr im Rampenlicht stehen als sonst. Eisschnelllauf ist dieses Jahr mit 14 Wettbewerben sogar die größte Olympische Sportart. Dennoch sind Randsportarten in Deutschland medial unterrepräsentiert, was unter anderem an dem Mangel der Erfolge liegt. „Es gibt einige Sportarten, die herausstechen wie Biathlon, Skispringen und Bob, in denen Deutschland halt sehr viel gewinnt“, erklärt Eisschnellläufer Dombek. Er eröffnete einen TikTok Kanal, um über das Eisschnelllaufen zu informieren und Einblick in seinen Sportler-Alltag zu gewähren. Auch auf Instagram erzählt der Profisportler seinen Abonnent*innen von Turnieren und teilt Fotos sowie Videos von seinen Wettkämpfen. Klaudius Harsch, der 21-jährige Curler konzentriert sich zunächst auf die Weltmeisterschaft im April. Wie es mit seiner Curling-Karriere weitergeht, macht Harsch unter anderem von seinem Team der nächsten Saison abhängig. „Ich würde gerne weitermachen, aber das hängt davon ab, ob das Team auch den Aufwand betreiben möchte, um an die Weltspitze zu kommen.“ Langfristig hofft Harsch neben dem Curling, studieren zu können.

Vorerst sieht es so aus, als würden beide Sportarten weiterhin Randsportarten bleiben. Die wenigen Medaillen führen nämlich dazu, dass kaum Medieninteresse besteht und eine geringere Anzahl an Förderplätzen geboten wird. Wir können gespannt sein, wie viele der diesjährigen Medaillen an die deutschen Randsportarten gehen und ob der Teufelskreis durchbrochen wird.