Skinny is back – und mit ihr ein gefährliches Ideal

„Geh ins Gymmie, werde skinny, mach daraus eine Show. Wir sind pretty im Bikini, das ist Bauch, Beine, Po.“ So rappt Shirin David und trifft mit dieser Zeile einen Nerv. Die „Skinny“-Ästhetik ist zurück: auf TikTok, in Musikvideos, und ganz besonders auf den Laufstegen der letzten Fashion Weeks in Paris, Mailand, London und New York. Superenge Jeans, superflache Bäuche, superdünne Models. Es wirkt wie ein Déjà-vu: Das Bild der Frau, das in den 90ern durch das Model Kate Moss geprägt wurde, feiert sein Comeback. Damals hieß es „Heroin Chic“ – ein Look, der mit eingefallenen Wangen, fahlem Teint und vor allem abgemagerten und kränklich aussehenden Models eines verkörperte: Verzicht! Die Message war klar: Nur wer dünn ist, ist schön. Nur wer dünn ist, ist erfolgreich. Nur wer dünn ist, zählt.
Zwischen Fortschritt und Rückschritt
Und gerade deshalb ist es so irritierend. Denn hatten wir nicht in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht? Body Positivity war in aller Munde. Es sah so aus, als hätten wir begonnen, Körper in ihrer Vielfalt zu akzeptieren. Menschen mit Kurven bekamen Reichweite, Vorbilder wurden greifbarer, gesünder, realer. Marken warben mit Diversität und es schien, als käme endlich Bewegung in die starre Norm. Aber wie stabil war dieser Fortschritt wirklich? Oder war Body Positivity nur ein kurzfristiger Hype, solange er sich gut vermarkten ließ? Sobald die Haute Couture wieder nach „klassischer“ Eleganz ruft, werden kurvige Körper einfach wieder aussortiert?
Die Macht der Bilder
Modetrends sind nie nur oberflächlich. Sie transportieren Haltungen, Werte, Normen. Und diese prägen subtil, aber wirkungsvoll unser Denken. Wenn auf Covern, in Serien und auf Social Media plötzlich wieder ausschließlich dünne Körper als erstrebenswert inszeniert werden, bleibt das nicht ohne Folgen. Natürlich kann man sagen: „Es ist doch nur Mode. Jede*r darf tragen, was einem gefällt.“ Aber das greift zu kurz. Wer in der Umkleide steht und das Gefühl hat, in keine der neuen, wieder hautengen Jeans zu passen, fragt sich eben doch: Bin ich falsch?
Bei einer Umfrage der AOK kam heraus, dass 40 % der Befragten durch Social Media den Druck verspüren besser aussehen zu müssen.
Bei der Befragung nahmen 1.500 Personen im Alter zwischen 14 und 30 Jahren teil.
Ist Dünnsein das neue Erfolgsversprechen?
Dünn sein ist kein Feindbild. Aber das Ideal des Dünnseins ist ein Problem, wenn es zum Maßstab für Wert, Schönheit und Erfolg wird. Hinzu kommt: In einer Leistungsgesellschaft wie unserer hat das Körperbild immer auch mit Disziplin zu tun. Dünnsein wird gleichgesetzt mit Kontrolle, Ehrgeiz, Selbstoptimierung. Dicksein dagegen, noch immer, mit Schwäche, Nachlässigkeit, sogar Versagen. Das ist nicht nur unfair, es ist auch gefährlich. Denn wo Schlankheit zur Eintrittskarte für gesellschaftliche Anerkennung wird, wächst der Druck. Gerade bei jungen Menschen. Vor allem bei Frauen. Das stärkste Gegenargument wäre: „Aber niemand wird gezwungen, dünn zu sein.“ Stimmt. Aber niemand muss einen Zwang spüren, damit er wirkt. Es reicht schon, wenn die gesellschaftlichen Zeichen eindeutig sind. Wenn im Feed nur noch Sixpacks, Bikini-Gaps und schmale Taille erscheinen, wird Vielfalt zur Ausnahme. Body-Positivity-Bewegung hat einen wichtigen Impuls gesetzt. Sie ist nicht gescheitert. Sie wurde nur nicht konsequent genug durchdacht. Ein gesundes Körperbild braucht mehr als ein paar diverse Werbekampagnen. Es braucht eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Wert, Würde und dem Blick auf uns selbst.
Lasst uns unsere Körperbilder heilen!
Was also tun? Die Mode allein wird es nicht richten. Aber wir können anfangen, unser denken wieder aktiv zu hinterfragen: Wem nützt dieses Ideal? Wer profitiert davon, dass sich junge Menschen schlecht fühlen, wenn sie essen? Und warum sollte unser Wert an einer Jeansgröße hängen? Vielleicht ist es an der Zeit, das nächste Schönheitsideal gar nicht mehr zu definieren. Vielleicht geht es gar nicht darum, was „in“ oder „out“ ist. Sondern darum, wie frei wir sind, uns in unserem Körper wohlzufühlen, ohne ständige Bewertung, ohne Vergleich. Denn die Jeans darf eng sein. Unser Denken nicht!