Musikszene 5 Minuten

"Ich zieh mich quasi aus, mach mich nackt"

Yeva in einer auffälligen Roten Jacke hält ein rotes Kabeltelefon an ihr Ohr.
Frech, Bunt, Knallig – das ist Yeva | Quelle: Jan Hänsch
08. Juli 2025

Sie studiert, singt, schreibt und produziert: Yeva ist eine junge Künstlerin aus Stuttgart, zwischen Berliner Electro-Vibe, emotionaler Ehrlichkeit und feministischer Selbstreflexion. Im Gespräch spricht sie über ihren Weg zur Musik, ihren kreativen Prozess, ihre psychischen Krisen – und darüber, wie sehr Beziehungen uns formen können.

Wie hast du mit der Musik angefangen?

Mit 13 habe ich meinen ersten Song mit meinem Onkel aufgenommen.  Ich war im Chor, habe Gedichte geschrieben. Mit 16, 17 habe ich angefangen zu kiffen, Freunde haben Beats gebaut, ich habe gerappt. Auf Englisch – richtig Rap, richtig böse. (Lacht)

Gibt es die noch irgendwo zu hören?

Ne, die gibt’s nur auf meinem Handy.

Du bist erst in deine eigene Wohnung gezogen, wie fühlt es sich für dich an, allein zu wohnen? Ist es sowas wie Ankommen?

Es ist einfach schön. Ich kann zu Hause ich selbst sein. Ich kann singen, wann und wie laut ich will, Musik machen, wann ich will. Ich habe meinen eigenen Raum. Ich entscheide, wann es ordentlich ist oder eben nicht. Und obwohl ich allein wohne, fühle ich mich selten einsam, weil viele Freunde im gleichen Haus oder in der Nachbarschaft wohnen.

Zieht du Kraft aus diesem Raum? Ist das auch ein kreativer Rückzugsort?

Ja, auf jeden Fall. Mein Prozess hat sich über die Zeit verändert. Die Songs, die ich gerade schreibe, entstehen oft einfach aus Spaß. Ich setze mich einfach hin, nehme, zum Beispiel ein Sample von Splice, das ist wie so ein Online Distributor für Samples, oder YouTube und schreibe drauf los.

Yeva performt im Rampenlicht auf einer Bühne.
Ehrlich, Emotional und mit sich selbst im Reinen – Yeva's Performances sind bunt.
Quelle: Lena Fischer

Du produzierst auch selbst?

Ich baue erste Skizzen. Einfach Akkorde, etwas Gesang, manchmal ein bisschen Drums. Ich spiele zwar kein Instrument, aber einfache Sachen kriege ich hin. Dann baue ich aus Samples oder Snippets meinen eigenen Beat und gehe mit dem Entwurf zu meinem Produzenten. Dann überarbeiten wir es nochmal im Feinen. Also ich bin eigentlich immer dabei. Es gab bis jetzt nur einmal den Fall, dass ich nicht mitgewirkt habe beim Writing und der Produktion.

Hat sich deine Arbeitsweise verändert?

Total. Früher bin ich oft mit Null ins Studio gegangen. Heute bringe ich fast fertige Ideen mit. Diese Entwicklung kam mit mehr Selbstsicherheit. Ich habe gelernt, meinen Skills zu vertrauen.

Und du arbeitest inzwischen häufiger allein?

Im Wechsel. Wenn ich traurig bin, ziehe ich mich zurück, schreibe allein. Ich habe gerade eine Demo gemacht über das Gefühl, zu dünn zu sein. Wenn die Hose nicht mehr passt.

Woher kam dieses Gefühl?

Ich hatte vor einem Jahr über zehn Kilo weniger. Ich war damals schon sehr dünn. Wenn ich heute Fotos von damals sehe, erschreckt mich das. Das kam durch extremen Stress, Appetitlosigkeit. Ich war eine Woche in der Klinik, habe Medikamente genommen. Heute habe ich Strategien, mit solchen Phasen umzugehen.

"Ich ziehe mich quasi aus, mache mich nackt."

Yeva

Und wie hat sich das auf deine Musik ausgewirkt?

Früher habe ich meine Gefühle in abstrakte Bilder verpackt – wie auf meiner EP „Unter Wasser“. Da spreche ich in Bildern, die für ein allgemeines Gefühl stehen. Da benutz ich das Bild unter Wasser für Taurigkeit. Heute bin ich konkreter: "Eine Körbchengröße kleiner und dazu ein flacher Arsch", „Der Reißverschluss passt nicht“. Ich ziehe mich quasi aus, mache mich nackt. Es ist halt auch krass, weil du dann dich ja nicht nur vor der Internet-Welt entblößt, sondern ja vor allem vor meiner Familie, vor Freunden, wenn du dann mit den Reaktionen konfrontiert wirst, aber das gehört dazu.

Warum bist du auf Deutsch umgestiegen?

Irgendwann hab ich mal gecheckt, dass das irgendwie nur so eine Kunstperson wäre, wenn ich das auf Englisch mach, dass ich dann nicht so flexibel bin mit meiner Sprache, mit meinen Emotionen. Dann hab ich irgendwann mal gesagt: "Hey, mach Deutsch."

Wie würdest du deinen Stil heute beschreiben?

Er ist lauter geworden. Er ist kraftvoller geworden. Früher war er sphärisch, jetzt geht er mehr nach vorne. Etwas Baddie aber auch emotional, manchmal laut, manchmal verletzlich. Also, wo dieses ganze Hyperpop-Thema in Deutschland aufkam, hab ich mich schon mega inspiriert gefühlt. Und auch die Zeit in Berlin, wo ich das halbe Jahr war, hat mich auch sehr geprägt mit elektronischer Musik. Als ich dann von Berlin zurückgekommen bin, da hab ich eigentlich angefangen dann mit diesem Berliner Electronic/New Wave-Sound.

Und in Stuttgart? Wie ist die Musikszene hier?

Also in der Stuttgarter Musikszene kennt man sich mit der Zeit. Es sind halt viele kleinere Szenen unter sich und so einen großen, großen Zusammenhalt mit Verein oder Organisation sehe ich nicht so hier. Finde ich ein bisschen schade, aber es gibt halt viele mäßig bis erfolgreiche Künstler*innen hier in Stuttgart in der Szene, die aber ihre ganz eigenen Nischen haben.

Hier kannst du in das neue Lied "Ich trau mich nicht" von Yeva reinhören. | Quelle: Spotify – Yeva

"Aber auch den Mut zu haben zu gehen, wenn's halt mehr weh tut, als dass es einen glücklich macht."

Yeva

Du hast auch einen neuen Song veröffentlicht. Worum geht es darin?

Es geht um Selbstverantwortung. Wo möchte ich stehen? Wo bin ich grade und kann ich das noch mit mir und meinem Selbstwert vereinen, oder ist jetzt vielleicht wirklich die Zeit einfach zu gehen und danke zu sagen. Aber auch den Mut zu haben zu gehen, wenn's halt mehr weh tut, als dass es einen glücklich macht. Vor allem an die jungen Girls da draußen.

Hat das etwas mit deiner letzten Beziehung zu tun?

Ja, definitiv. Ich war in einer toxischen Beziehung. Mein Ex hat mich oft runtergemacht – manchmal subtil, manchmal direkt. Er hat zum Beispiel ein Foto von mir bearbeitet und gefragt: „Warum hast du so viele Falten?“ Seitdem sitzt so eine kleine Stimme in meinem Kopf, die mir immer wieder zuflüstert, ich sei nicht gut genug. Das nagt. Aber ich frage mich auch: Warum bin ich geblieben? Warum habe ich nicht besser auf mich aufgepasst? Toxisch ist nicht nur, wie jemand dich behandelt, sondern auch, wenn man in so einer Situation bleibt. Man nimmt sich dann diese Selbstverantwortung und sorgt gar nicht mehr für sich selber.

In dem Lied „Ich trau mich nicht“ hast du geschrieben, dass du dich selbst verloren hast und zu jemandem wurdest, der du eigentlich gar nicht sein wolltest.

Ich glaub, dass ich selber irgendwann mal mein inneres Strahlen verloren hab. Meine, eigentlich witzige, positive Art ist irgendwie untergegangen. Ich war auch krass von mir selber enttäuscht, dass ich selbst so toxisch wurde. Innerhalb der Beziehung. In meinem Text schreib ich auch: "Vielleicht sind wir beide einfach jung und dumm, und beide verletzt." Niemand von beiden hat eigentlich Recht, weil in einer toxischen Beziehung, das muss man auch verstehen, sind beide schuld.

"Toxisch ist nicht nur, wie jemand dich behandelt, sondern auch, wenn man in so einer Situation bleibt."

Yeva