100.000 frische Landeier, Großstadterzeugnis
Mehr als 100.000 Einwohner haben deutsche Großstädte im Jahr 2021 durch Abwanderung verloren. Mir kommt das nicht besonders viel vor, solange sie nicht alle in dasselbe Dorf gezogen sind. Doch laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung sind es so viele, wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Als jemand, der selbst verstädtert ist, frage ich mich: Woher der Landeiboom? Auch in der Stadt lässt es sich schließlich prima wie in einer Legebatterie leben.
Gerade die Dichte des Stadtlebens ist es aber, die viele Vorzüge mit sich bringt: schnelle öffentliche Verkehrsmittel, noch schnelleres Internet und irgendein Laden hat auch immer offen. Bei aller Schnelllebigkeit bleibt immer die gleiche Farbe en vogue: Großstadtgrau. Steht aber auch nicht allen, eigentlich sieht es sogar überall gleich trostlos aus.
Viel zu lange durften Stadtplaner*innen und Architekten*innen Mist bauen, verständlich, dass viele Ex-Städter*innen ihn jetzt lieber schaufeln.
Wahrscheinlich verlassen viele Menschen die Großstadt, weil es dort sehr oft sehr hässlich ist. Betonwüsten im gleißenden Licht der Glasfassaden - viel zu lange durften Stadtplaner*innen und Architekt*innen Mist bauen, verständlich, dass viele Ex-Städter*innen ihn jetzt lieber schaufeln. Grund für die urbane Unansehnlichkeit ist, dass die deutsche Architekturgeschichte viel mit einer Achterbahnfahrt gemeinsam hat. Auf jeden verspielten Stil folgte ein reduzierter, aus den Trümmern des Weltkriegs schossen Plattenbauten in die Höhe, vielen wird schon beim Hinsehen schlecht und ich möchte einfach nur schreien.
Natürlich kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass die urbane Unansehnlichkeit der Grund für die Flucht der 100.000 neuen Landeier ist. Vielleicht wollen sie einfach vor dem Huhn da sein.
Ebenfalls stadtistisch betrachtet: Frauen werden von Babyenten verfolgt, wie unfähige Stadtplaner neben hässlichen Gebäuden auch noch Angsträume zimmern.