Hilft Vitamin-D gegen den „Winterblues"?
Es ist Winter. Ich stehe auf und draußen ist es noch dunkel. Auch tagsüber scheint häufig die Sonne nicht richtig. Das dämpft oft meine eigene Stimmung. Es ist anders, wenn die Strahlen der Sonne meine Haut berühren. Ich fühle mich direkt besser. In meinem Umfeld habe ich nachgefragt, wie es den anderen in den Wintermonaten ergeht. Viele leiden, unter Antriebslosigkeit und depressiven Verstimmungen. Ein vermeintlicher Geheimtipp gegen den „Winterblues“; die zusätzliche Einnahme von Vitamin-D-Präparaten. Stimmt das?
Unser Körper als Vitamin-D Produzent
Wir können Vitamin-D auf zwei Wegen in unserem Körper aufnehmen. Über die Ernährung und über die Haut. Zweiteres geschieht laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) über die UVB-Lichtexposition. Das heißt, Vitamin-D-3 wird über die Sonnenbestrahlung der Oberhaut gebildet. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (Bfr) gibt an, dass so 80-90% des Bedarfs gedeckt werden können. Es empfiehlt, sich täglich ungefähr 5 bis 25 Minuten der Sonne auszusetzen. Dabei sollte ca. ein Viertel der Körperoberfläche (Gesicht, Hände und Teile von Armen und Beinen) unbedeckt sein. Die Zeitspanne variiert unter anderem nach der Intensität der Sonne, der geografischen Lage und dem Hauttyp. Je stärker pigmentiert ein Hauttyp ist, desto mehr Zeit in der Sonne braucht der Körper.
Mit einem gefüllten Vitamin-D Speicher durch die kalten Monate
In den Wintermonaten bekommt unsere Haut weniger Sonnenstrahlen ab. Die Sonne scheint schwächer und die Haut wird von den Klamotten überdeckt. Gleichzeitig findet vieles im alltäglichen Leben drinnen statt. Dadurch wird weniger Vitamin-D über die Haut eigenproduziert (endogene Synthese). Unser Körper kann jedoch Vitamin-D in Form von 25-Hydroxyvitamin-D (25-OH-Vitamin-D) im Fett- und Muskelgewebe speichern. Diese Speicher werden im Winter „angezapft“. Prof. Dr. Peter Stehle vom Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gibt an, dass „eher geringfügige jahreszeitliche Schwankungen“ des Vitamin-D-Spiegels im Blutserum gemessen werden können. Er erklärt, dass Daten aus Deutschland eine durchschnittliche Vitamin-D-Konzentration bei Erwachsenen im Winter von 48 nmol/L (19 ng/mL) belegen. Im Sommer lägen die Werte bei knapp über 60 nmol/L (25 ng/mL). Als optimal wird nach seinen Angaben in wissenschaftlichen Auswertungen ein Serumwert von > 50 nmol/L (20 ng/mL) angegeben. Dieser Zielwert würde im Winter geringfügig unterschritten werden.
Abkürzungen:
nmol: Nanomol (10 −9 mol), SI-Basiseinheit der Stoffmenge, Mengenangabe bei chemischen Reaktionen
nmol/L: Nanomol pro Liter
ng und µg : physikalische Einheiten für die Masse eines Körpers
- 1000 ng = 1 Mikrogramm (µg)
Es gibt demnach saisonale Schwankungen in der Produktionsfähigkeit unseres Körpers von Vitamin-D. Das kann allerdings durch das Speichern von Reserven ausgeglichen werden. Daher sind keine direkten negativen Folgen zu beobachten.
Wann kann die zusätzliche Einnahme von Vitamin-D-Präparaten sinnvoll sein?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung veröffentlichte 2012 Referenzwerte. Diese geben an, wie hoch ungefähr die zusätzliche notwendige Zufuhr von Vitamin-D bei fehlender endogener Synthese (körpereigene Herstellung) sein sollte. Der Zufuhrwert liegt bei 20 µg/Tag (1 µg = 40 Internationale Einheiten (IE); 1 IE = 0,025 µg). Das gilt für alle Altersgruppen nach dem ersten Lebensjahr.
Eine unzureichende endogene Synthese im Sommer betrifft den Ausführungen von Prof. Dr. Stehle zu Folge vorrangig Risikogruppen, wie ältere immobile Personengruppen. Da diese oft wenig in die Sonne kommen. Oder Früh-/Neugeborene. Hier kann die zusätzliche Einnahme von Vitamin-D-Präparaten notwendig sein. Bei der Aufnahme von Vitamin-D durch Nahrungsmittel oder der körpereigenen Produktion über die Sonnenbestrahlung der Haut kann es laut dem Bundesinsitut für Risikobewertung (Bfr) zu keiner Überdosierung kommen. Anders ist es bei der zusätzlichen Einnahme durch Vitamin-D-Präparaten. Bei einer regelmäßigen Überdosierung können sich Nierensteinen bilden oder Nierenverkalkung können auftreten.
Die Dosierung ist auf Vitamin-D-Präparaten immer angegeben. Dennoch ist zu beachten, dass der Referenzwert der DGE sich auf die Zufuhr bei fehlender endogener Synthese bezieht! Eine Pauschale Bewertung des individuellen Bedarfs ist grundsätzlich nicht möglich. Daher ist es wichtig, die eigenen Blutwerte von Ärzt*innen überprüfen zu lassen und sich gegebenenfalls ein geeignetes Präparat empfehlen zu lassen.
Ade also mit dem Mythos „Winterblues durch zu wenig Vitamin-D“ in der kalten Jahreszeit?
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung kann bei häufiger Sonnenbestrahlung die gewünschte Vitamin-D-Versorgung ohne die Einnahme eines Vitamin-D-Präparats erreicht werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung spricht im Zusammenhang mit einer ausgewogenen Ernährung von einer „guten Vitamin-D-Versorgung des Körpers“. Es gibt bisher keine wissenschaftliche Grundlage, die belegt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Gefühl des Winterblues und der zusätzlichen Einnahme von Vitamin-D als „Stimmungsbooster“ gibt. Herr Prof. Dr. Stehle führt den weit verbreiteten Ernährungsmythos auf „ökonomische Interessen der Hersteller von Vitamin D-Tabletten“ zurück.
Dennoch sollte sich jeder von uns genügend Zeit an der frischen Luft genehmigen - vor allem in den Sommermonaten. Umso „Energie zu tanken“, um den eigenen Vitamin-D-Speicher für die Wintermonate zu füllen. Der Mythos Vitamin-D als „Stimmungsbooster“ gegen den Winterblues ist wissenschaftlich nicht belegt. Dennoch können auch im Winter einige Zeit im Freien und genügend Bewegung in vielen Fällen bestimmt helfen, sich besser zu fühlen. So geht es mir oftmals. Lange Winterspaziergänge und Bewegung verbessern meine Stimmung und so komme ich trotz wenig Sonne und viel Dunkelheit gut gestimmt durch die Wintermonate. Und wenn die Sonne dann doch mal scheint, ist die Antriebslosigkeit wie weggeblasen.