Restaurant 3 Minuten

Wartemomente: Eine Gabel voll Mut

Zwei Mädchen am Esstisch.
Manchmal kann ein Lieblingsgericht mehr über einen Menschen aussagen, als nur die Vorliebe für Pasta. | Quelle: Janina Hartmann
24. Juli 2025

Was uns Wartemomente über die Welt sagen: Beim Italiener geht es manchmal um mehr als nur die Wahl zwischen Pizza und Pasta. Auch kleine Entscheidungen können große Geschichten über uns erzählen.

„Und? Haben Sie sich schon entschieden?“. Der Kellner schaut mich ungeduldig an. Panisch schaue ich auf die Speisekarte und erwarte, dass sie mir eine Antwort gibt. „Ich bräuchte noch fünf Minuten“, sage ich in der Hoffnung, dass er erst in acht Minuten wieder kommt. Ich blättere vor bis zu der Seite mit den Antipasti. Ich war schon öfters in dem Restaurant und habe mich bisher immer für das Gleiche entschieden: „Rigatoni al filetto“. Eine leckere Pasta mit fruchtiger Tomatensoße und Rinderfiletstreifen. Aber eigentlich würde ich gerne was Neues ausprobieren. Motiviert von dem Gedanken aus meiner Komfortzone zu treten blättere ich zu den Salaten. Der karamellisierte Ziegenkäse auf Bruschetta Salat klingt gut. Aber wem mache ich was vor? Mir ist klar, dass ich schlussendlich die geliebten Rigatoni al filetto bestellen werde. Ich warte also auf eine Entscheidung, die ich sowieso nicht treffen werde. Never change a running system – oder so. 

Aber wieso fällt es mir so schwer mich zu entscheiden und meine Komfortzone zu verlassen? Selbst wenn es so vermeintlich simpel erscheint? Immerhin weiß ich, dass diese Entscheidung nicht mein ganzes Leben beeinflussen wird, oder? Sie kostet mich höchstens 20 Minuten mehr Wartezeit.

Die Kunst der Spontanität

Ich bin ein Mensch, der keine Überraschungen mag. Das bedeutet nicht, dass ich nicht spontan bin. Wenn mich jemand kurzfristig anruft und sagt „Es ist Freitagabend, lass uns jetzt weggehen!“ dann sage ich niemals nein. Ich mag es aber ein festes Paket zu buchen. In dem genau das drin ist, was vereinbart war: Oh, die Bar, in die wir gehen wollten, hat zu? Blöd, ich hatte es mir perfekt ausgemalt. Oh, die haben hier kein Corona-Bier? Blöd, darauf habe ich mich schon gefreut. Und schon ist sie da, die Enttäuschung. Was ich dabei oft vergesse, ist dass sich aus diesen Planänderungen etwas viel Besseres ergeben kann. Etwas Aufregendes, das dir deine Zwangsjacke aus Routinen auszieht. 

Ein Sprung ins kalte Wasser

Einmal war ich mit einer Freundin am Meer. Der Tag war nicht so sonnig wie die anderen und es ging ein starker Wind. Wir hatten uns darauf geeinigt nicht ins Wasser zu gehen, und am Strand eine Runde Scrabble zu spielen. Ich war noch nie ein Fan davon, bei bewölktem Himmel an den Strand zu gehen – geschweige denn ins Meer. Man spürt die Hitze der Sonne weniger intensiv auf der Haut und das Wasser sieht grau und bedrohlich aus. Deswegen war ich auch so erschreckt, als mir meine Freundin vorschlug ins Meer zu gehen. „Bei den Wellen bleibe ich lieber draußen“, sagte ich. Allerdings genügte ihr das nicht und sie überredete mich weiter. Irgendwann ließ ich mich tatsächlich breitschlagen. Das bereute ich in dem Moment, als ich das kalte Wasser an meinen Knöcheln spürte. Wir lachten über meine schlechte Laune und gingen Hand in Hand ins aufgeweckte Meer. Eine große Welle schloss uns in ihre nasskalte Umarmung. Wir mussten beide lachen. Eine meiner Lieblingserinnerungen, die ich nie erlebt hätte, wenn ich mich nicht aus meiner Komfortzone getraut hätte. Wenn ich auf den vermeintlich perfekten Moment gewartet hätte, um ins Wasser zu gehen. Sollte ich also lieber eine andere Pasta ausprobieren? Vielleicht die mit Shrimps? 

Veränderungen sind schön

Der Kellner kommt wieder an unseren Tisch. Ganze sieben Minuten habe ich gewartet und gegrübelt. „Was darf ich Ihnen bringen?“. Ich schließe die Speisekarte und lege sie beiseite. „Linguine allo scoglio, bitte“, antworte ich zufrieden. Der Kellner nickt und geht zu einem anderen Tisch. Bis das Essen fertig ist, habe ich vermutlich um die 20 Minuten. Genug Zeit, um meine Entscheidung während dem Warten infrage zu stellen und meinen Rigatoni hinterher zu trauern. Aber ich denke das ist auch okay so.