Chatkultur 3 Minuten

Wartemomente: Wann schreibst du endlich?

Trauriges Mädchen liegt auf dem Bett und schaut aufs Handy.
Auf eine Nachricht zu warten kann sehr ermüdend sein. Man sollte sich aber nicht in dem Warten verlieren. (Symbolbild). | Quelle: Janina Hartmann
09. Juli 2025

Was uns Wartemomente über die Welt sagen: Manchmal vergessen wir auf was es im Leben wirklich ankommt. Ob eine Person schreibt oder nicht sollte nicht unseren Tag bestimmen.

Nach dem Aufwachen schaue ich als Erstes auf mein Handy. Einige Benachrichtigungen werden mir angezeigt, aber meine Augen nehmen sie gar nicht richtig wahr. Sie scannen das Display nur nach einer bestimmten Nachricht: Die von dir. Als sie nicht fündig werden, lege ich mein Handy enttäuscht weg und gehe ins Bad. Gesicht waschen, Zähneputzen, Mascara auftragen – alles nur missglückte Versuche, mich von der Funkstille zwischen uns abzulenken. Mich vom Warten abzulenken. Dabei ist es erst neun Uhr morgens. Genervt und mit einem Hauch Selbstmitleid betrachte ich mich im Spiegel. „Wie kann es sein, dass deine Laune jetzt schon ruiniert ist? Wegen einem Typen, der vermutlich gar nicht so toll ist, wie du denkst“, sage ich in meinen Gedanken zu meinem Spiegelbild. Als ich merke, dass ich mich nur hilflos anglotze, gehe ich in die Küche und mache mir einen Kaffee. Heute habe ich zwei Vorlesungen, das ist gut, dann bin ich beschäftigt. Abends habe ich noch nichts vor – außer zu warten, bis du dich meldest – das sollte ich ändern, sonst schreibe ich dir am Ende noch zuerst – erbärmlich. 

Alltagsmomente

Mit einer nervigen Leere im Bauch laufe ich zur U-Bahn. Die letzten Meter muss ich rennen, weil sie schon einfährt, während ich noch bei den Treppen bin. Eine nette Frau hält mir die Tür auf und ich schaffe es im letzten Moment. Amüsiert über die Situation grinsen wir uns an und ich setze mich außer Puste auf einen freien Platz. Sie steigt aus und wünscht mir noch einen schönen Tag, was ich mit einem „Gleichfalls“ erwidere. Als sie aussteigt, merke ich, dass ich immer noch lächle. Dann ein unterbewusster Blick aufs Handy – keine neue Benachrichtigung – meine Laune, ob ich will oder nicht, wieder im Keller. Und das Warten geht weiter...

Warum aber gebe ich einer Person so viel Macht über mich? So viel Macht, dass eine Zusammensetzung aus Pixeln meinen ganzen Tag bestimmen kann. Ich male mir aus, was mir die Person schreiben könnte: „Hey, wollen wir uns diese Woche sehen?“ oder „Guten Morgen, ich hoffe du hast einen schönen Tag“. Letztendlich werde ich sowieso enttäuscht, wenn ein träges „Was geht?“ auf meinen Bildschirm aufblinkt. Ehrlich? Was Besseres fällt dir nicht ein? Naja, immerhin würde er schreiben. 

Einfach mal leben

Ich bin eine sehr emotionale und empathische Person. Deswegen unternehme ich immer gerne etwas mit meinen Freunden oder meiner Familie, um etwas zu erleben. Und ich habe das Gefühl, dass man durch das ewige Warten auf etwas, vergisst zu leben. Kurz gesagt: Man verschwendet seine Zeit. Dinge, die man eigentlich mag, erscheinen plötzlich grauer als sonst und man trägt eine innerliche Unruhe in sich, die – in dem Fall – ungeduldig auf das langersehnte „Ping“ der Nachricht wartet. Dabei geht es um so viel mehr. Anstatt auf virtuelle Aufmerksamkeit zu warten, könnte man rausgehen und eine „echte“ Interaktion erleben. Sich etwas trauen und einfach mal leben. Aber was, wenn es peinlich wird? Ist doch egal, dann lacht man mit seinen Freunden darüber. Vielleicht entsteht aber auch etwas Schönes daraus.

Boy, bye

Ich war den ganzen Tag in der Uni und habe für den Abend nichts weiter geplant. Ich schiebe mir eine Tiefkühlpizza in den Ofen und schenke mir eine Cola ein. Zum Essen schaue ich meine Lieblingsserie und mache es mir gemütlich. Ping – „Was geht?“. Genervt starre ich auf mein Display. Naja, vielleicht antworte ich morgen, aber gerade will ich nicht. Jetzt muss er eben auch mal warten.