Zwischenmenschlich

Complimenti!

Trotz aller Wertschätzung im eigenen Umfeld bleibt es in unserer Gesellschaft eine Seltenheit: ein aufrichtiges Kompliment.
12. Apr. 2023
Viele von uns denken es, aber nur wenige sprechen es aus. Dabei sind Komplimente wohl die unmissverständlichste Form, um seine Wertschätzung auszudrücken. Eine Kolumne über die kleinen zwischenmenschlichen Dinge, die unser Leben ein wenig schöner machen.

Heute wagen wir uns an eine Handlung, die mehr Überwindung kostet, als nur Blicke auszutauschen. Es geht um Komplimente, sie auszusprechen braucht viel Mut. Was sich aber trotz der eigenen Hemmschwelle sowohl auf mein Umfeld als auch die Gesellschaft beziehen lässt: Wir machen uns zu selten Geschenke. Im verbalen Sinne. So von Angesicht zu Angesicht.

Je länger und intensiver ich mich mit den Leuten um mich herum beschäftige, umso mehr wird deutlich, wie viele Menschen – schön innen wie außen – mit ihrem Selbstwert zu kämpfen haben. Dabei geht es nicht nur meinen Freund*innen so, sondern auch vielen anderen Menschen, denen man tagtäglich begegnet. Nur habe ich das Gefühl, dass sie mir greifbarer machen, wie viele Menschen sich ihrer außergewöhnlichen Ausstrahlung gar nicht bewusst sind. Es ist ja nicht so, dass wir unsere Wertschätzung füreinander gar nicht ausdrücken würden. So viel äußert sich in netten Gesten, dem täglichen Umgang, den kleinen Aufmerksamkeiten und dem Füreinander-Dasein, wenn alle anderen es nicht sind. Und trotzdem hat ein aufrichtiges Kompliment noch keinem geschadet. Das mag im ersten Moment nach einer rücksichtslosen Stammtischweisheit klingen, die beim genaueren Durch-den-Kopf-gehen-Lassen aber valide ist. Ein Kompliment ist wohl immer noch der direkteste und unmissverständlichste Weg, seine nette Botschaft an den Mann (oder Frau und alle anderen) zu bringen. Kein anderer Weg bringt wahrscheinlich so viel Sicherheit, wenn man sich selbst unsicher ist.

Bestätigung von außen ist ja bekanntlich das effektivste und langfristigste Mittel, um seinem Selbst bewusst oder vertraut zu werden. Ich hoffe an dieser Stelle wird deutlich, dass keine*r von uns den eigenen Selbstwert komplett von der Bewertung anderer abhängig machen sollte. Und trotzdem kann es wahnsinnig helfen.

Auch noch Fremden Geschenke überreichen?

Aber warum neben unseren Freund*innen auch noch Fremden ein Kompliment machen? Freilich ist es nicht unsere größte Aufgabe, das Selbstbewusstsein fremder Menschen zu pushen. Meist reichen die Energie und der Mut berechtigterweise überhaupt nur für das eigene soziale Umfeld. Wie oft haben wir uns aber auch schon bei fremden Menschen gedacht: ,,Wie schön ist ihr Outfit denn eigentlich bitte? Und was für eine ansteckende positive Ausstrahlung!“

Diese Gedanken wurden nur nicht ausgesprochen. Und das unausgesprochen zu lassen, ist wie Geschenke gar nicht erst zu überreichen. Da wundere ich mich manchmal selbst, auch persönlich viele Päckchen an Fremde nicht verschenkt zu haben. Aus sozialer Angst, es könnte wieder unangenehm werden. Die Gefahr besteht, da wir leider schon viel zu viele Komplimente bekommen haben, die aus einer ungesunden Intention oder falschen Höflichkeit heraus verschenkt wurden. Ich kann auch nichts mit einem Kompliment anfangen, wenn ich weiß, dass es nicht wirklich ernst gemeint ist. Würden wir alle nämlich nur noch aufrichtige Komplimente machen, könnten wir sie auch viel besser annehmen.Wenn man sich dann doch einmal dazu überwunden hat, fällt jedem hoffentlich auf, welchen Beitrag man damit geleistet hat. Man kann förmlich mit ansehen, was man seinem Gegenüber für eine Freude macht. Wie überrascht sie oftmals leider wirken, weil sie sich selbst so noch nicht gesehen haben. Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber mir gibt diese Reaktion von anderen dann wiederum sehr viel. Vor allem wenn man weiß, was so eine Kleinigkeit – ein empfangenes Kompliment – in einem selbst auslöst.

 

Mehr von der Kolumne "Es sind die kleinen Dinge" findest du hier.