Hört auf, vom Töten abzulenken
In der Diskussion über Fleischkonsum verlieren wir uns oft in Abwägungen von Tradition und Haltungsformen. Keine Frage – beides ist wichtig zu debattieren. Und doch beruhen die Argumente auf der stillschweigenden Annahme, dass das Töten von Tieren für unseren Konsum fortbestehen wird. Natürlich leiden Kühe oder Schweine weniger, je mehr Auslauf sie haben. Aber der Umstand, dass sie unfrei sind und Menschen ihnen das Leben nehmen werden, bleibt. Ein Quadratdezimeter mehr oder weniger Stallplatz ändert nichts daran, dass sie nur leben, um zu sterben.
Das Essen von Fleisch ist durch die vielen Produktionsschritte inzwischen abstrahiert vom Tötungsakt. Es ist einfach, das für das Essen erbrachte Opfer auszublenden. In Plastikverpackungen und diverse Formen gepresst, sehen die Endprodukte schließlich wenig nach Tier aus. Die Frage nach dem Tod des Lebewesens rückt in den Hintergrund. Könntest du dir vorstellen, einer Kuh durch die Schädeldecke zu schießen oder einem Schwein in die Halsschlagader zu stechen? Was drastisch klingt, ist Realität. Diese Morde geschehen im Namen unserer Gesellschaft tagtäglich. Sie gelten als normal.
Wir haben gelernt, das Leid zu akzeptieren
Durch unsere Gewohnheit und Sozialisierung fällt es leicht, das Fleischessen nicht zu hinterfragen. Schließlich arbeiten die Interessensverbände der Fleischindustrie daran, die Akzeptanz für Tiermorde aufrechtzuerhalten. Gerade deshalb steht es aber in unser aller Verantwortung, den Status Quo zu hinterfragen. Jeder und jede sollte reflektieren, wie die eigene Position in diesem System des Tötens aussieht. Denn zu oft wird sich der Fleischkonsum schöngeredet. Das Fazit lautet dann: Es reiche aus, weniger und hochwertigeres Bio-Fleisch zu essen. Doch genau hier wird der Kern des Problems verfehlt. Die Industrialisierung der Tierhaltung ist furchtbar – keine Frage – und doch nur daraus erwachsen, dass wir Menschen das Tieretöten generell dulden und durch unseren Konsum befeuern. In den entwickelten Ländern sterben die meisten Tiere, obwohl es die besten Möglichkeiten gibt, auf Fleisch zu verzichten. Wir haben also im Vergleich zu Ländern des globalen Südens eine besondere Verantwortung, das System zu ändern.
Spätestens, wenn wir uns der Philosophie bedienen, sollte uns auffallen, dass es mit Logik und Moral kaum zu rechtfertigen ist, Tiere für unseren Genuss zu töten. Auch das deutsche Tierschutzgesetz verbietet, einem Tier „ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zuzufügen. Aber anscheinend reicht ja als vernünftiger Grund, dass ein paar Menschen Lust auf Steak oder Würstchen haben. Unsere Definition von „Vernunft“ sollte wohl nochmal überdacht werden. Die Absurdität des Ganzen wird einem auch bewusst, wenn man sich mit dem speziesistischen Umgang der Menschen mit dem Tierreich befasst. Stirbt ein Haustier, wird es im Garten oder sogar auf dem Friedhof vergraben. Stirbt ein „Nutztier“ – wohlgemerkt einen unnatürlichen Tod – wird es in den Mägen der Menschheit begraben.
Speziesismus
bezeichnet eine moralische Diskriminierung von Lebewesen aufgrund ihrer Artzugehörigkeiten. Das Leben oder Leid eines Individuums wird weniger berücksichtigt, weil es nicht einer bestimmten Spezies angehört.
Gezüchtet, um zu sterben
In Deutschland werden jedes Jahr 750 Millionen „Nutztiere“ getötet. Das sind 750 Millionen Tiere, die leben wollten. 750 Millionen unterschiedliche Charaktere, mit eigenen Empfindungen, eigenen Erfahrungen und einem Leben, das nie ihr eigenes war.
Vermutlich hatten viele beim Lesen dieses Kommentars den Eindruck, die Argumentation sei radikal. Doch liegt dieses Unwohlsein, das wir empfinden, wenn wir die Dinge beim Namen nennen, darin begründet, dass die grausige Realität der Tierhaltung seit Jahrhunderten heruntergespielt wird. Sie gilt als Norm, wird übernommen, aus einer Zeit, in der Fleisch essen tatsächlich noch etwas damit zu tun hatte, das eigene Überleben zu sichern. Das Tieretöten ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten und es ist fatal, es heute unhinterfragt zu übernehmen. Die Debatte um den Fleischkonsum muss sich verschieben; weg von weichgezeichneten Grüne-Weiden-Ideen und hin zu der Erkenntnis: Wir müssen aufhören, Tiere zu töten.
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