„Zan, Zendegi, Azadi“ – Frau, Leben, Freiheit
Am Esstisch mit dem Iran
Es ist der Duft von traditionellem Essen, der Maryam zurück in ihre Heimat versetzt. Sie steht am Herd und zermalmt den Safran in einer Mühle, während heißer Dampf von den Töpfen empor steigt. Sie lächelt, doch man sieht ihr an, dass sie einen tiefen Schmerz in sich trägt. Ihre Heimat ist ein Ort, welcher, wie in ihren Erinnerungen, nicht mehr existiert. Der Iran, wie sie ihn lieben gelernt hatte, war nur noch ein Teil von Anekdoten und alten Bildern. Nach der islamischen Revolution 1979 verloren viele Iraner*innen ihre Heimat an ein radikales Regime. Sie mussten fliehen, um im Unbekannten ein neues und freies Leben beginnen zu können. Die Schönheit des Landes, der Kultur und der Menschen wird nun überschattet, von strengen Gesetzen und fragwürdiger Politik. Es ist ein täglicher Kampf und das, besonders für die Frauen. Im Iran herrscht eine Theokratie, das bedeutet, dass der Machthaber als Stellvertreter Gottes agiert und seinen göttlichen Willen auf Erden ausübt. Somit ist dieser sowohl der politische als auch der religiöse Führer des Landes.
Wenn Tanzen und Gassigehen zur Straftat werden
Die Gesetze sind schockierend und für uns in Europa unvorstellbar. Es gibt eine Reihe an Vorschriften, welche absurd klingen, aber Alltag für die Menschen im Iran sind und meist mit schweren Maßnahmen und Konsequenzen bestraft werden. Neben der Kopftuchpflicht und dem Alkoholverbot, ist es ebenfalls verboten Hunde zu besitzen. Wird man erwischt, drohen hohe Geldstrafen, bis hin zu Peitschenhieben. Der Hund wird ermordet. Homosexualität ist strengstens verboten und wird mit der Hinrichtung bestraft. Frauen ist es untersagt öffentlich zu tanzen und zu singen. Ein Mann darf seine Frau während der Ehe vergewaltigen und schlagen und das, ohne Konsequenzen. Dies sind nur ein paar wenige der Gesetze und eines wird schnell klar: Das Regime ist skrupellos.
Seine Heimat verlassen, für die Freiheit?
Unter den vielen geflüchteten Menschen aus dem Iran gehört Maryam. 1996 verließ sie endgültig ihre Heimat, zusammen mit ihrem Mann, und floh nach Deutschland. Gemeinsam bauten sie sich in Karlsruhe ein neues Leben auf, bekamen Kinder und wurden Teil der deutschen Gesellschaft und Kultur. An die Zeiten vor und nach der Revolution erinnert sich Maryam aber noch sehr gut. Im Gespräch bei ihr Zuhause erzählt sie von ihrer Kindheit während der Kriegszeit, die Kopftuchpflicht und die momentane politische Situation im Iran.
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Im Zuge der Demonstrationen nach dem Tod der kurdisch-iranischen Jina Mahsa Amini, wurde die junge Frau zu einem Symbol der weltweiten Proteste gegen das Mullah Regime, sowie ein Zeichen für Menschen- und Frauenrechte. Die Iranerin war von der sogenannten „Sittenpolizei“ in Gewahrsam genommen worden, weil sie ihr Kopftuch nicht angemessen getragen haben soll. Wenige Tage danach verstarb sie im Krankenhaus an den Folgen der Schläge und Folter.
Frauen, die ihre Kopftücher verbrennen, ihre Haare abschneiden und dabei „Zan, Zendegi, Azadi" rufen. Diese Bilder gingen um die Welt und führen den Kampf für die Freiheit und Gerechtigkeit fort. Jina Mahsa Aminis Tod brach endgültig das Schweigen tausender Iraner*innen, um dem über 40 Jahre langen Leiden und der islamischen männerdominierten Herrschaft, ein Ende zu setzen.
Aufstände gab es im Iran bereits öfter, aber diese weltweite Bewegung ist anders. Die Menschen sind mutig und furchtlos. Sie werden nicht aufhören zu kämpfen, für ihre Freiheit und für grundlegende Menschenrechte. Die iranische Bevölkerung und auch geflüchtete Familien, wie die von Maryam, sehnen sich nach einem politischen Wandel, aber besonders nach Menschlichkeit, denn das ist das, was ihnen in den vergangenen Wochen und Monaten am meisten fehlt. Dies könnte der Umbruch sein, auf den die Iraner*innen Jahrzehnte gewartet haben.