Oma-Kolumne 3 Minuten

Brauchen wir heutzutage noch einen Ehemann, Oma?

Auf der linken Seite ist ein Porträt des Brautpaares zu sehen, auf der rechten Seite wie mein Opa meiner Oma den Ring ansteckt
Meine Großeltern gaben sich nach fünf Jahren Beziehung das „Ja“-Wort. Mit diesem Tag verbindet meine Oma sehr glückliche Erinnerungen. | Quelle: Lilli Pospischil
08. Juli 2025

Eine Welt ohne Internet – für mich völlig unvorstellbar. Für meine Oma früher (und um ehrlich zu sein auch heute noch) völlig normal. Trotzdem nehmen wir gemeinsam Internettrends unter die Lupe. In dieser Folge geht es um die Ehe und die Traumvorstellung eines gemeinsamen Lebens. Der Heiratsantrag meiner Oma war sicher nicht so spektakulär wie die auf Instagram. 

#isaidyes: Ein Meer aus roten Rosen vor dem Eiffelturm, eine Mega-Yacht vor der Küste Italiens, ein Sonnenuntergang, getunkt in rosa, orange und lila am Strand. Eine Frau fällt dem vor ihr knieenden Anbeter um den Hals, das Gesicht tränenüberströmt. Anschließend wird der hochkarätige Klunker am linken Ringfinger in die Kameralinse gehalten. Wer nicht mindestens ein Foto von einem perfekt inszenierten Heiratsantrag pro Tag auf Instagram mit der Bildunterschrift „I said YES!“ ausgespielt bekommt, der lügt. Unsere Generation scheint richtig auf „bis dass der Tod uns scheidet“ zu stehen. Doch was, wenn wir das von Disney kreierte „und sie lebten glücklich, bis an ihr Lebensende" mal weglassen? Würden wir dann immer noch „bis dass der Tod uns scheidet“ an einen Mann gebunden sein wollen?

Oma, brauchen die Frauen der heutigen Generation noch einen Ehemann?

„Oh je, mein Heiratsantrag war nicht die Wucht. Wir waren in einem Kaffee und Bekannte von uns haben sich dort verlobt. Dann hat mein Mann gesagt: „Naja, das machen wir auch“. Auf die Knie gefallen ist er nicht vor mir. 1964 haben wir dann geheiratet. Ich war 19 Jahre alt und im fünften Monat schwanger. Und wenn man damals schwanger war, dann blieb dir eh nichts anderes mehr übrig. Ich dachte damals, eine Ehe bedeutet Gemeinschaft, bedingungslose Liebe, Zusammenhalt, man ist eine Familie. So sollte es sein. Aber das war früher die absolute Seltenheit. So wie es gekommen ist - nein, das habe ich mir ganz anders erhofft. 

Mein Mann war viel unterwegs. Ich war alleine mit dem Kind und dem Haushalt. Jung und dumm. Von nix eine Ahnung. Ich war total überfordert. Mittags war ich noch ungewaschen und ungekämmt, aber dass ja um 12 Uhr das Essen für den Mann auf dem Tisch steht. Die ersten zwei Jahre, was ich da geheult habe. Kontrolliert wurde ich von hinten bis vorne: „Wo gehst du hin? Was machst du? Wann kommst du wieder zurück?“. Die Männer waren es gewohnt, dass alles nach ihrem Kopf gegangen ist. Das ist fast allen Frauen so gegangen, nicht nur mir.

„Ich wäre oft gerne ausgerissen. Aber ich hatte nie den Mut."

Meine Oma

Kein Mann hat sich um sein Kind oder seine Frau gekümmert. Kein Mann hat die Kinder spazieren gefahren, mal gewickelt oder ins Bett gebracht. Aber wo hätte ich hinsollen, ganz auf mich alleine gestellt, mit drei Kindern? Ich wäre oft gerne ausgerissen. Aber ich hatte nie den Mut. Man war abhängig von den Männern. Ich darf gar nicht zurückdenken, heiliger Gott.

Ihr Frauen heute habt alle Freiheiten in einer Partnerschaft oder Ehe. Ihr lasst euch nichts mehr gefallen. Seid selbstbewusst. Uns blieb nichts anderes übrig. Heute machen die meisten Männer alles, was die Frau macht, ob im Haushalt oder mit den Kindern. Nehmen sich sogar Elternzeit. Viele Paare heiraten gar nicht mehr oder erst später. Und funktioniert doch wunderbar. Wofür braucht man dann diese eine „komplette“ Bindung an eine Person? Eigentlich spielt es keine Rolle mehr. Als eine Frau in der heutigen Generation braucht man nicht unbedingt einen Ehemann.

Wenn das aber dein Traum ist, dann solltest du dir gut überlegen: Bin ich fest überzeugt, dass ich ein ganzes Leben mit ihm verbringen will? Teilen wir die gleichen Ansichten und Interessen? Passen wir wirklich zusammen? Glaub mir, du kannst keinen Mann ändern oder „hinbiegen“. 

In ein paar Tagen werden es 61 Jahre. Ich bin froh, dass ich es bis heute durchgestanden habe. Aber die Betonung liegt auf durchgestanden.“

Heute: Augen auf bei der Ehemann-Wahl

- Wir Frauen haben heutzutage die Wahl! Ich weiß der Satz ist ausgelutscht aber „andere Mütter haben auch hübsche Söhne“ – wirklich! Die Wahl haben kann aber eben auch bedeuten, seine Freiheiten als Frau voll und ganz zu genießen. Zu entscheiden, was wir für unser eigenes Leben wollen. Ob und wie wir das Leben mit einem Partner gemeinsam verbringen wollen. Wichtig ist, diese Erwartungen trotz rosaroter Brille nicht zu vergessen. Da kann der Ring noch so schön funkeln. Und ja - ihr habt mich erwischt - auch ich will unbedingt heiraten! Aber wenn mir ein Testosteron-Hengst meine Vorstellungen einer gesunden Partnerschaft nicht erfüllen kann - dann kaufe ich mir doch lieber einen Hund. Vielleicht auch drei. Das ist einfach pflegeleichter. Oder, um es in den Worten meiner Oma zu sagen: „Ich habe Freundinnen, eine Familie. Da hätte ich ein Leben ohne Ehemann auch ausgehalten.“

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