Zukunft der Kirche

Jung und katholisch

Yu arbeitet für einen katholischen Jugendverband, geht aber nicht jeden Sonntag in die Kirche.
25. Jan. 2020

Veraltet, reglementiert, leblos  – so beschreiben junge Menschen die katholische Kirche. Sie scheint bei Themen wie Geschlechtergerechtigkeit und Homoehe nicht zeitgemäß zu sein, das kriegt sie jetzt zu spüren. Eine Rekordzahl von 216 000 Menschen traten 2018 aus der Kirche aus. Yu sagt: „Es muss sich etwas ändern."

Nur gut acht Prozent der Katholiken in Baden-Württemberg gehen regelmäßig in einen Gottesdienst. Yu ist keine von ihnen und damit in ihrer Altersgruppe bei Weitem nicht die Einzige. Laut des Instituts der deutschen Wirtschaft findet man die 20 bis 29-Jährigen bundesweit am seltensten in der Kirche. Stattdessen sitzen auf den Bänken meist die über 60-Jährigen. Doch warum ist das so? Wieso spricht die katholische Kirche junge Leute nicht mehr an und was muss sich verändern, damit die Kirche eine Zukunft hat? 

Julia Niedermayer, auch Yu genannt, ist 29 Jahre alt und Bundesleiterin der Katholischen jungen Gemeinde (KjG). Die KjG ist einer der größten katholischen Jugendverbände in Deutschland und größtenteils ehrenamtlich organisiert.  Die Freiwilligen veranstalten beispielsweise Gruppenstunden und Zeltlager in ganz Deutschland. Außerdem engagiert sich die KjG politisch und bezieht Stellung zu kirchlichen Themen. Als Bundesleitung ist Yu fest angestellt und immer für drei Jahre von den Mitgliedern der KjG gewählt. „Wir als Bundesleitung sorgen vor allem dafür, dass die Umstände so gut sind, dass unsere Leute auf allen Ebenen einfach gute Arbeit machen können”, sagt die 29-Jährige.

„Uns wird oft abgesprochen, überhaupt katholisch zu sein.” 

Yu

Das liegt unter anderem daran, dass die KjG manche Strukturen der katholischen Kirche infrage stellt. Obwohl Yu schon seit Jahren in der Kirche aktiv ist, ist sie nicht mit allen Werten einverstanden. Sowohl der KjG als auch ihr geht es dabei nicht um Grundwerte wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit. In dem Verband spielt zum Beispiel Geschlechtergerechtigkeit eine große Rolle. Yu sieht keinen logischen Grund, warum Frauen nur wegen ihres Geschlechts keinen Zugang zu Weiheämtern haben sollten. Aber genau dies sei ein Thema, was die Jugend beschäftigt. Es muss einen Grund geben, warum über 90 Prozent der 20 bis 29-Jährigen sagen, sie gingen selten oder nie in die Kirche. 

Die über 60-Jährigen besuchen am regelmäßigsten die Messe.

Was Yu massiv störe, sei die Lagerbildung. Auf der einen Seite stünden Menschen, die den Traditionen der Kirche folgen und auf der anderen Menschen, die sich davon abgrenzen. Sie denkt nicht, dass es einen heiligen Kern gibt, der „richtig” glaubt, sondern jeder sollte seinen Glauben individuell ausleben dürfen.

216.000 Leute traten laut der deutschen Bischofskonferenz 2018 aus der katholischen Kirche aus. Nach den Missbrauchsfällen im Jahr 2014 ist das die zweithöchste Zahl seit Ende des zweiten Weltkriegs. Für Yu wäre es auch einfach zu sagen, ihr gefallen die Strukturen der Kirche nicht, sie tritt aus. Aber sie möchte etwas verändern und hat sich deshalb entschieden, die KjG zu ihrem Beruf zu machen. Es geht ihr dabei jedoch nicht nur um die Strukturen, sondern auch um den klassischen Gottesdienst. Diesen würde sie gerne verändern. Denn sie ist mehr damit beschäftigt, zu überlegen, was und warum etwas gerade im Gottesdienst passiert, als sich darauf einzulassen. Deshalb schafft es Yu nicht, ihre Fragen an ihren Gott loszuwerden. Auch andere junge Menschen haben ihre Probleme mit dem klassischen Gottesdienst. 


Warum gehst du nicht in den Gottesdienst? 

Denise (20), geht nur in die Kirche, wenn sie etwas für die KJG organisiert.
Felix (21), geht nie in den Gottesdienst.
Hannah (20), besucht lieber alternative Gottesdienstformen.
Niklas (22), geht nur zu besonderen Anlässen in die Kirche.

Yu fordert, dass sich die Kirche der heutigen Gesellschaft anpasst. Wenn sich so viele Menschen eine Modernisierung wünschen, warum passiert dann nichts? Verändert sich Grundlegendes zu schnell, befürchtet Yu, dass sich einzelne Gruppen abspalten könnten. Sie erklärt außerdem, dass die Strukturen der katholischen Kirche so kompliziert sind, dass die meisten nicht durchblicken: „Das macht mich richtig wütend." 

Möchte man beispielsweise Frauen Zugang zu allen Weiheämtern erlauben, ist das allein in Deutschland schon ein schwieriger Prozess. Aktuell startet man einen Synodalen Weg, der als Austausch zu strittigen Themen in der deutschen Kirche dienen soll. Selbst wenn die Deutsche Kirche nach diesem Synodalen Weg mehr Rechte für Frauen fordern würde, könnten sie das nicht so einfach umsetzen. Grundlegende Veränderungen müssen von der gesamten Kirche, vor allem vom Papst, befürwortet werden. Dazu muss eine Synode organisiert werden. Dabei lädt der Papst kirchliche Vertreter und Experten aus der ganzen Welt zu einer Versammlung ein.

Das letzte Mal hat dies im Herbst 2019 stattgefunden. Bei der Amazonas Synode gab es Forderungen, der Frau mehr Zugang in der Kirche zuzusprechen. Allein die Planung dazu hat allerdings zwei Jahre gedauert und am Ende hat sich für die Frauen wieder nichts gewandelt. Für Yu steht fest:

„Es muss sich endlich etwas ändern, sonst wenden sich immer mehr junge Leute von der Kirche ab.“

Yu