Klimaschutz 10 Minuten

Nachhaltige Unternehmen - Alles nur Marketing?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie ein Unternehmen seine CO2-Emissionen reduzieren kann. Beispielsweise sollte es seinen Mitarbeiter*innen Job-Räder anbieten, sich an die ESG-Kriterien halten oder auf erneuerbare Energien setzen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie ein Unternehmen seine CO2-Emissionen reduzieren kann. Beispielsweise sollte es seinen Mitarbeitern Job-Räder anbieten, sich an die ESG-Kriterien halten oder auf erneuerbare Energien setzen. | Quelle: Alina Klass, erstellt mit Canva
25. Juni 2025

Immer mehr Unternehmen werben beim Recruiting damit, nachhaltig zu sein. Immerhin achten 81 Prozent der Bewerber*innen bei ihrem zukünftigen Arbeitgeber darauf. Doch welche Kriterien müssen Unternehmen erfüllen, um nachhaltig zu sein und was kann man als Arbeitnehmer*in dazu beitragen?

Der EU Green Deal, die Agenda 2030 und die Sustainable Development Goals – die aktuellen politischen Entwicklungen verlangen zunehmend von Unternehmen, dass sie sich für Nachhaltigkeit einsetzen. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz tragen schließlich nicht nur global agierende Konzerne, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen eine große Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit wird immer größer und damit steigt auch das öffentliche Interesse an den sozialen und ökologischen Auswirkungen der Unternehmen. Damit haben auch die Unternehmen selbst immer mehr Interesse daran, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und sich für Nachhaltigkeit einzusetzen.

Bei einer Studie vom Institut der Deutschen Wirtschaft gaben 90 Prozent der Unternehmen an, dass sie in ihrem Alltag Maßnahmen umsetzen, um ihre ökologische Nachhaltigkeit zu erhöhen. Sechs von zehn Unternehmen reduzieren beispielweise Umweltverschmutzungen, 44 Prozent nutzen emissionsarme Fahrzeuge und gut vier von zehn Unternehmen setzen auf eine effizientere Nutzung von Rohstoffen und Materialien.

Doch was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit im Unternehmen?

„Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir den nächsten Generationen die Erde so hinterlassen sollten, wie wir sie auch vorgefunden haben“, erklärt Geschäftsführerin und Nachhaltigkeitsexpertin Meike Müller von PHAT CONSULTING. Der Abbau von Ressourcen dürfe zukünftige Generationen nicht einschränken. Das sei ein guter Kompass, egal ob als Privatperson oder Unternehmen. „Aber natürlich haben Unternehmen eine andere Verantwortung, weil diese in der Regel gut skalieren können. Als Privatperson habe ich begrenzte Möglichkeiten, aber als Unternehmen kann ich in den Wirtschaftskreis eingreifen und meine Geschäftsmodelle umstellen, um so einen viel größeren Beitrag zu leisten“, sagt Müller. Bei der Nachhaltigkeit in Unternehmen solle man sich vor allem mit den wesentlichen nachhaltigen Treibern beschäftigen. Daraus solle man auch Maßnahmen ableiten, um sich zu verbessern. 

Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, im Sinne des Nachhaltigkeitsdreiecks zu Handeln. Im Englischen spricht man auch von den ESG-Kriterien. | Quelle: Alina Klass

Alles nur Marketing? Wie man als Verbraucher Greenwashing erkennt

Doch darf sich jedes Unternehmen einfach „nachhaltig“ nennen? Die Antwort von Nachhaltigkeitsexpertin Meike Müller: Ja, jedes Unternehmen darf das tun. „Man muss dann natürlich für negative Konsequenzen gewappnet sein, wenn dem nicht so ist“, so Müller.

Wörtlich übersetzt bedeutet Greenwashing „grünwachsen“. Grün steht dabei symbolisch für die Natur und für den Umweltschutz. Mit Waschen ist „sich von etwas reinwaschen“ mit Blick auf Ökologie und Nachhaltigkeit gemeint. Dahinter steckt eine Marketingstrategie, die Unternehmen in der Öffentlichkeit umweltfreundlich und nachhaltig erscheinen lässt. Unternehmen suggerieren auf diese Weise Verantwortung für Natur und Umwelt, obwohl dies nicht unbedingt der Realität entspricht.

Quelle: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Doch wie erkennt man als Verbraucher*in nun Greenwashing? „Das ist tatsächlich wirklich schwer“, sagt Müller. Eine Möglichkeit, Greenwashing zu erkennen, seien Siegel. „Nur hier wieder Achtung: Siegel sind nicht geschützt. Ich kann als Unternehmen auf jedes Produkt irgendein Siegel hauen, welches grün angestrichen ein Blatt zeigt und damit automatisch Nachhaltigkeit vermittelt“, warnt die Expertin. Der „blaue Engel“ sei jedoch ein Standard-Siegel, das es schon lange gibt und bei dem sich Verbraucher*innen darauf verlassen können, dass bestimmte Kriterien erfüllt sind. Er ist das Umweltzeichen der Bundesregierung und kennzeichnet umweltschonende Produkte und Dienstleistungen. „Wenn es zu gut klingt, sollte man nochmal nachfragen und den gesunden Menschenverstand einschalten“, sagt Müller. Vor allem bei Begriffen wie „klimaneutral“ und „klimapositiv“ warnt die Expertin: „Das bedeutet in ganz vielen Fällen lediglich, dass das Unternehmen die CO2-Emissionen, die aufgekommen sind, um das Produkt zu produzieren, einfach wieder kompensiert“. Deswegen sei das Produkt noch lange nicht klimaneutral. „Das stimmt einfach nicht und das halte ich für irreführend“, betont Müller. Als Verbraucher*in solle man deshalb skeptisch sein und nochmal nachlesen.

„Das Thema Nachhaltigkeit war ganz oft im Marketing aufgehangen. Da erleben wir gerade einen Umschwung.“

- Meike Müller, Geschäftsführerin und Nachhaltigkeitsexpertin bei PHAT CONSULTING

Nachhaltigkeitsabteilungen in Unternehmen sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. „Das Thema Nachhaltigkeit wurde ganz oft im Marketing aufgehangen. Da erleben wir gerade einen Umschwung“, berichtet Müller. „Mittlerweile gibt es einen Shift zu anderen Abteilungen, wo es knallhart darum geht, über Zahlen, Daten und Fakten zu berichten. Und eben nicht nur eine tolle, glänzende Broschüre zu verfassen“, heißt es von Müller. Für die Nachhaltigkeitsexpertin absolut notwendig, damit Entscheider*innen überhaupt in der Lage sind, handlungsfähig zu werden. In den Aktiengesellschaften und großen Konzernen seien Nachhaltigkeitsbeauftrage mittlerweile Standard. Im Mittelstand sei das hingegen nicht immer der Fall.

Transparenz durch Nachhaltigkeitsberichterstattung

Für die Nachhaltigkeitsberichterstattung bringt die EU gerade neue Regeln auf den Weg. Demnach verpflichtet das EU-Recht alle großen und börsenorientierten Unternehmen, Informationen über ihre Risiken und Chancen offenzulegen. Dabei geht es vor allem um soziale und ökologische Konsequenzen sowie Auswirkungen auf Menschen und die Umwelt. Die ersten Unternehmen müssen die neuen Regeln erstmals im Geschäftsjahr 2024 für Berichte anwenden, die im Jahr 2025 veröffentlicht werden. Das Justizministerium bereitet derzeit die nationale Umsetzung dieser Richtlinie vor.

Eine Möglichkeit zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen bietet auch das Greenhouse Gas Protocol (GHG-Protokoll). Das Protokoll ist ein international anerkanntes Rahmenwerk zur Erfassung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen. Es wurde vom World Resources Institute (WRI) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) entwickelt. Das GHG-Protokoll bietet Unternehmen, Regierungen und anderen Organisationen eine weltweit standardisierte Methode, um ihre Treibhausgasemissionen zu verstehen, zu erfassen und darüber zu berichten. Es umfasst dabei drei Geltungsbereiche, sogenannte „Scopes“, die verschiedene Kategorien von Emissionen abdecken.

Das Greenhouse Gas Protocol hat drei Geltungsbereiche, sogenannte "Scopes", ermittelt, mit denen Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen ermitteln können. | Quelle: Alina Klass

Die Berichterstattung der Treibhausgasemissionen in den Scopes 1 und 2 ist dabei verpflichtend für die Unternehmen. „Die große Herausforderung ist hier die Datenlage und Datenqualität“, sagt Nachhaltigkeitsexpertin Müller. Denn es werde viel mit Annahmen gearbeitet, da man an gewisse Daten oft nicht herankommt. „Ich sehe hier aber auch eine Menge Potenzial, Innovationen zu schaffen“, so Müller. Als Unternehmen habe man schließlich einen Wettbewerbsvorteil, wenn man seine Zahlen transparent offenlegt.

Nachhaltigkeit steht bei jungen Bewerber*innen hoch im Kurs

Immer mehr Unternehmen werben nun auch beim Recruiting damit, nachhaltig zu sein. „Das liegt daran, dass es auch wirklich nachgefragt wird“, meint Müller. Laut einer Klimaumfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) ist für 81 Prozent der 20- bis 29-Jährigen die Haltung eines potenziellen Arbeitgebers zum Klima ein wichtiges Kriterium. Für 18 Prozent hat das sogar oberste Priorität. 

„Die Generation, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen wird, hat da auch einen anderen Anspruch an die zukünftigen Arbeitgeber.“

- Meike Müller, Geschäftsführerin und Nachhaltigkeitsexpertin bei PHAT CONSULTING

„Die Generationen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen wird, hat da auch einen anderen Anspruch an die zukünftigen Arbeitgeber“, so die Expertin. Auch in ihrem eigenen Unternehmen merkt Müller den Umschwung: „Fast in jedem Bewerbungsgespräch kommt die Frage nach der Nachhaltigkeit und da reicht den Bewerber*innen nicht die Aussage „Wir sind nachhaltig“, sondern man will hier auch Fleisch am Knochen“. Deswegen reagieren jetzt auch die meisten HR-Abteilungen und passen das Employer Branding in die Richtung an.

Wie man als Arbeitnehmer*in im Unternehmen nachhaltig sein kann

„Auch als Arbeitnehmer*in kann man eine Menge für die Nachhaltigkeit des Unternehmens tun“, betont Müller. So haben beispielweise Mitarbeiter*innen bei Microsoft Deutschland oder auch der Telekom riesige Communities aus Nachhaltigkeitsbegeisterten gebildet. „Als Mitarbeiter*in eines Unternehmens hat man eine Stimme und wenn man Verbündete findet und sich kurzschließt, kann das auch Druck nach oben ausüben, etwas für die Nachhaltigkeit des Unternehmens zu tun“, sagt die Nachhaltigkeitsexpertin. Als Arbeitnehmer*in fange es auch schon bei den kleinen Dingen an:

  • Auf Mülltrennung achten
  • Das Licht nicht unnötig brennen lassen
  • Bei der Führungskraft nach dem Hersteller der Leihgeräte (z.B. Laptop, Diensthandy) nachfragen - Ressourcen langfristig nutzen und Geräte nicht unbedingt alle paar Jahre austauschen, denn das sei nicht nachhaltig
  • Mobilität als Mitarbeiter*in: Mit der Führungskraft absprechen, ob das Deutschlandticket, ein Jobrad oder Lastenrad vom Unternehmen gestellt wird

Wenn man ganz am Ende merkt, dass man im Hinblick auf die Nachhaltigkeit keine Unterstützung von seinem Betrieb bekommt, hat man auch als Arbeitnehmer*in immer noch die Wahl, bestimmte Konsequenzen zu ziehen und das Unternehmen zu verlassen. Denn auch das sei laut Müller ein Signal an die Unternehmen, sich mehr für das Thema Nachhaltigkeit einzusetzen.