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Fußball aus der Dose: Das Red Bull-Clubnetzwerk

Stadion von RB Leipzig
Das Zentralstadion in Leipzig wurde für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 neu gebaut. Seit 2009 heißt es offiziell Red Bull Arena. | Quelle: RB Leipzig / Motivio
24. Juni 2025

Für viele Fans ist Red Bull der Inbegriff dessen, was im modernen Fußball falsch läuft.
Um zu verstehen, warum das so ist, haben wir das Red-Bull-Clubnetzwerk einmal genau unter die Lupe genommen.

Douglas Mendes Moreira ist gerade einmal 20 Jahre alt und schon jetzt ein Symbol für die Transferstrategie von Red Bull. Der Brasilianer wechselte in nur zwei Jahren sechsmal den Verein und blieb trotzdem immer Teil des Red Bull-Clubnetzwerks. Diese Transferpolitik polarisiert – wie insgesamt das komplette Engagement von Red Bull im Fußball. Das zeigte zuletzt der Einstieg von Jürgen Klopp Anfang Januar 2025 als „Head of Global Soccer“ bei Red Bull. Der allseits beliebte Fußballtrainer wurde durch seinen Wechsel zu RB von einem auf den anderen Tag für viele Fans zur Persona non grata. Statt an der Seitenlinie ist Klopp beim österreichischen Unternehmen für das internationale Red Bull-Clubnetzwerk zuständig. Red Bull gehören insgesamt sechs Vereine, verteilt auf vier Kontinente. Der Konzern verkauft das Clubnetzwerk als clevere Talentschmiede für Fußballer. Kritiker*innen, wie die Sportjournalistin Katharina Reckers, sehen in diesem System eine Wettbewerbsverzerrung. Unsere Netzwerkanalyse konzentriert sich auf die fünf Red Bull Vereine RB Leipzig, FC Red Bull Salzburg, FC Liefering, New York Red Bulls und Red Bull Bragantino und zeigt, wie die Transferaktivitäten der Vereine miteinander verbunden sind.

Der Siegeszug der Roten Bullen

Auch 15 Jahre nach der Gründung von RB Leipzig gibt es immer noch Fanproteste gegen Red Bull im Fußball. So demonstrierten etwa Fans vom VfB Stuttgart Mitte Mai 2025 gegen den Verein. Doch woher kommt die Ablehnung? Um das zu verstehen, geht’s ins Jahr 2005. In diesem Jahr stieg der Konzern bei Austria Salzburg ein und übernahm 100% der Salzburg Sport AG. Es folgte die Umbenennung des Clubs zu FC Red Bull Salzburg und auch die violett-weißen Vereinsfarben wurden gegen die rot-blauen Farben des Red Bull Konzerns ausgetauscht. Red Bull wollte mehr und versuchte in Deutschland, den FC St. Pauli, TSV 1860 München oder Fortuna Düsseldorf zu übernehmen. Die Gespräche mit den Clubs scheiterten aber. Deswegen suchte RB sein Glück 2009 ein paar Ligen tiefer. 

 

„Das ist ein bisschen so, wie wenn 15 Leute versuchen, zum Mond zu kommen – und einer hat die Rakete schon fertig gekauft und der Rest fängt mit Papierfliegern an“.

Katharina Reckers, Sportjournalistin

Das Unternehmen kaufte das Oberliga-Startrecht des SSV Markranstädt. Der kleine Amateurverein ist rund zwölf Kilometer von Leipzig entfernt. Katharina Reckers hat sich im Podcast „Rasenball“ intensiv mit der Entstehungsgeschichte von RB Leipzig auseinandergesetzt: Auf einmal sei Red Bull nach Markranstädt gekommen. „Mit einem großen Geldkoffer und mit dem Versprechen von der glitzernden, tollen Welt“, so Reckers. Den fußballbegeisterten Fans im Osten hätte es lange wehgetan, dass es in ihrer Region keinen Verein gegeben habe, der in der Fußball-Bundesliga spiele. In Rekordgeschwindigkeit ändert das Red Bull mit Gründung von „RasenBallsport Leipzig“. Sieben Jahre später steigt RB Leipzig (2016) in die erste Fußball-Bundesliga auf. Fair sei dieser Weg laut Reckers nicht gewesen. „Das ist ein bisschen so, wie wenn 15 Leute versuchen, zum Mond zu kommen – und einer hat die Rakete schon fertig gekauft und der Rest fängt mit Papierfliegern an“. Unter anderem kritisiert, dass RB Leipzig die sogenannte 50+1-Regel nicht erfülle. Diese Regel besagt, dass ein Fußballverein in Deutschland die Mehrheit der Stimmrechte (mindestens 50 % plus eine Stimme) behalten muss – auch wenn eine Kapitalgesellschaft (z. B. eine GmbH) gegründet wurde. So soll verhindert werden, dass Investoren die alleinige Kontrolle über Vereine an sich ziehen. Außerdem heißt es in Paragraph 15 Absatz 2 der Satzung des Deutschen-Fußball-Bundes: „Änderungen, Ergänzungen oder Neugebungen von Vereinsnamen und Vereinszeichen zum Zwecke der Werbung sind unzulässig.“ Doch da die Abkürzung RB in Leipzig offiziell für RasenBallsport steht, erhielt der Verein 2014 trotz kritischer Debatten die Lizenz für die 2. Bundesliga 2022 holt RB Leipzig mit dem Gewinn des DFB-Pokals seinen ersten Titel. Leipzig-Star Kevin Kampl feierte den Sieg werbewirksam, indem er den Energydrink von Red Bull in den Pokal kippte.

Quelle: RB Leipzig

Doch nicht nur solche Aktionen sorgen für Diskussionen, sondern auch der Vorwurf, dass Red Bull sich durch sein Clubnetzwerk Spieler hin und her schiebe. Um zu prüfen, ob dies tatsächlich zutrifft, haben wir alle Zu- und Abgänge der Vereine RB Leipzig, FC Red Bull Salzburg, FC Liefering, New York Red Bulls und Red Bull Bragantino für die Saisons 21/22, 22/23 und 23/24 analysiert.

Interaktives Netzwerk: Klicke auf die einzelnen Punkte. Legende: 1 steht für die Spieler, 2 für die Vereine. Die RB-Vereine sind zusätzlich durch ihre Vereinslogos dargestellt. | Quelle: Transfermarkt.de

Transferanalyse Red Bull:

Unsere Analyse umfasst alle dokumentierten Spielertransfers der Red-Bull-Vereine RB Leipzig, Red Bull Salzburg, FC Liefering, Red Bull Bragantino und New York Red Bulls – sowohl untereinander als auch zu und von externen Klubs. Erhoben wurden Wechsel  in den Saisons 2021/22, 2022/23 und 2023/24. Das vollständige Datenset ist hier zu finden.

Die Visualisierung verdeutlicht die insgesamt hohen Transferaktivitäten von Red Bull. Innerhalb des Red-Bull-Kosmos finden die meisten Wechsel zwischen den beiden österreichischen Vereinen FC Red Bull Salzburg und FC Liefering statt. Im Salzburger Stadtteil Liefering hat Red Bull laut eigener Aussage „Europas modernstes Nachwuchszentrum“ erschaffen und mit dem FC Liefering ein Farmteam für den großen FC Red Bull Salzburg. Als Farmteam werden Vereine bezeichnet, deren Hauptaufgabe es ist, junge Spieler auszubilden, um diese im Anschluss weiter zu transferieren.  Im Sommer 2012 begann die strategische Kooperation zwischen den beiden Vereinen. Der österreichische Regionalligist USK Anif war zu dieser Zeit finanziell angeschlagen. Parallel dazu bemühte sich Red Bull Salzburg um Wege, den eigenen Talenten möglichst viel Spielpraxis zu verschaffen. Red Bull Salzburg bot den Mitgliedern des USK Anif an, den Regionalligisten als Kooperationsteam in die zweite Liga zu führen. Neben diesem Vorhaben stimmten die über 500 Mitglieder des Regionalligisten daraufhin auch der Umbenennung des Vereins in „FC Liefering“ zu. Seitdem wechseln ständig Spieler zwischen den Vereinen hin und her – wie beispielsweise der schon erwähnte Douglas Mendes Moreira, der schon mehrmals bei Liefering oder Salzburg unter Vertrag stand. Aktuell kickt er übrigens bei Red Bull Bragantino und wird Ende des Jahres laut Tranfermarkt.de wieder zu seinem Stammverein FC Red Bull Salzburg zurückkehren.

Das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit. Legende: 1 steht für die Spieler, 2 für die Vereine. | Quelle: Transfermarkt.de

Karim Adeyemi und Konrad Laimer sind bekannte Beispiele für Spieler, die sich bei erfolgreichen Vereinen wie Borussia Dortmund und dem FC Bayern München etablieren konnten, nachdem sie die „Talenteschmiede” von  FC Liefering und RB Salzburg durchliefen. Ein ähnliches Beispiel konnten wir mit dem Spieler Benjamin Šeško innerhalb unseres Netzwerks identifizieren. Šeško spielte für den FC Liefering sowie für Red Bull Salzburg, ehe er zu RB Leipzig wechselte. Bei RB Leipzig ist der 21-Jährige mittlerweile Stammspieler. Sein Marktwert wird von Transfermarkt.de auf 65 Millionen Euro geschätzt.

Katharina Reckers ist Autorin, Podcasterin und Sportjournalistin. Sie arbeitet unter anderem für die TV-Sendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“.
Quelle: Christopher Glanzl

Bei der Transferpolitik von Red Bull spielt das Alter der Spieler eine wichtige Rolle. Unsere Analyse zeigt: Spieler unter 24 Jahren werden mehr transferiert als Spieler über 24 Jahren. Katharina Reckers war im Zuge ihrer Recherche bei RB Leipzig vor Ort. Sie erzählt, dass es auch für junge Spieler sehr reizvoll ist, im RB-Netzwerk zu spielen. Dort herrsche so eine Art „Startup-Vibe” und nicht etwa uralte Hierarchien, wie bei Traditionsvereinen. Den Profis würde jeden Tag Blut abgenommen und auf dem Trainingsplatz stehe eine große Kinoleinwand, damit Szenen aus dem Training direkt analysiert werden können. Auch für Fans sei der Stadionbesuch in Leipzig attraktiv. Vor dem Stadion stehe ein Red Bull Truck, der Musik auflege. Der Fußball sei ein riesiges Wirtschaftskonstrukt, da müsse man sich nichts vormachen. „Die deutsche Fanszene wird da bis zum Brechen gegenhalten. Die Frage ist, wie lange man gegenhalten kann, weil es halt um Geld geht“, so Reckers. Das Red-Bull-Netzwerk funktioniert sportlich extrem effizient. Das Vorgehen, als Investor gleichzeitig an mehreren Vereinen beteiligt zu sein, nennt sich im Sportmanagement Multi-Club-Ownerships (MCO). Eine Studie von Tommy Kweku Quansah und Christoph Breuer legt nahe, dass MCO-Vereine die Transferpreise beeinflussen können.

Zurück ins Jahr 2005: Als Red Bull damals den Namen und die Vereinsfarben von Austria Salzburg änderte, gründeten unzufriedene Fans den Traditionsverein kurzerhand neu. Heute spielt diese „neue“ Austria Salzburg in der drittklassigen Regionalliga West. Die großen Erfolge feiert zwar der FC Red Bull Salzburg – doch in der dritten Liga wehen weiterhin die violett-weißen Vereinsfarben.