Wie mein Heimatland die Zukunft beeinflusst
Was ist Meritokratie?
Meritokratie bezeichnet das Prinzip, bei dem Amtsträger*innen, Herrscher*innen, Leiter*innen oder Führungspersonen gemäß ihrer erbrachten Leistungen ausgewählt werden. Die Meritokratie spielt somit als Herrschaftsordnung eines Staates oder in anderen politischen oder wirtschaftlichen Organisationen eine Rolle. Man kann eine meritokratische Gesellschaft somit auch als Leistungsgesellschaft bezeichnen.
Hochschulen von Weltrang
Singapur investiert kräftig in Bildung, ködert die besten Universitäten der Welt und sogar Nobelpreisträger*innen als Kooperationspartner. Der Aufbau der Forschungslandschaft wird massiv von der Regierung vorangetrieben. So kletterten zwei der ersten Universitäten Singapurs – die National University Singapur und die Nanyang Technological University – auf den 13. Platz einer Rangliste für die besten Universitäten weltweit. „Mindestens zehn Hochschulen von Weltrang“ sollten laut der staatlichen Wirtschaftsförderung ihren Sitz in Singapur haben.
Der Fokus der Regierung in Sachen Bildung liegt deutlich auf Bereichen wie Medizin, Technologie, Banking und Wissenschaft. Singapur ist sehr akademisch geprägt und wer nicht gut genug in diesen Gebieten ist, findet nur schwer einen Job. Diese Bereiche zu bevorzugen und weniger in Studiengänge wie Film-Animation, Fashion-Design oder vor allem in handwerkliche Berufe zu investieren, ist eine bewusste Entscheidung der Regierung.
Bildungsfokus
Da es keine Schulpflicht gibt, arbeiten gerade in den ländlichen Gegenden Kambodschas viele Kinder weiterhin auf den Reisfeldern ihrer Familien, anstatt in die Schule zu gehen. Während laut dem Länder-Informations-Portal aber noch mehr als 95 Prozent der Kinder zumindest unregelmäßig am Grundschulunterricht teilnehmen, liegt der Anteil an den weiterführenden Schulen nur bei 45 Prozent. Lediglich 16 Prozent kommen in den Genuss tertiärer Bildung.
Anders als in Singapur werden in Kambodscha Künste gefördert. Da während der Roten Khmer auch viele Künstler*innen ermordet wurden, versucht man das kulturelle Erbe wiederherzustellen. Ein Beispiel hierfür ist der traditionelle Apsara-Tanz. Heute werden die klassischen Tänze wieder an der Royal University of Fine Arts gelehrt.
Mentalität der Studierenden
Beim Vergleich von singapurischen Studierenden mit jenen aus westlichen Ländern sind laut Jemima zum Beispiel Austauschstudenten viel entspannter, was das Studium betrifft. Auf der anderen Seite hinterfragen sie Informationen viel mehr, als dass sie Inhalte von Dozent*innen ohne Reflektion annehmen. Sie beschreibt die Mentalität singapurischer Studierenden mit dem Wort Kiasu. Kiasu ist ein Wort aus dem Hokkien, eine Sprache aus dem Süden Chinas, das ein bestimmtes Verhalten – die „Angst, zu verlieren“ – beschreibt. Es bezieht sich auf den Wunsch, immer der oder die Beste und immer an erster Stelle sein zu wollen. Singapur gilt dabei als Heimatland des Wortes. Es spiegelt sich in der ganzen Gesellschaft wider, auch wenn die Regierung versucht, dieses Image loszuwerden.
Studienfinanzierung
Für singapurische Staatsbürger*innen belaufen sich die Studiengebühren auf knapp 8.000 Euro pro Jahr. Da dort die Meritokratie gelebt wird, versucht die Regierung sicherzustellen, dass auch jede*r die Möglichkeit hat, sich das Studium zu finanzieren. Daher existiert ein breites Angebot an Studien-Krediten, Stipendien und anderen Förderungen.
Obwohl es so scheint, als müsse Jemima sich keine Sorgen um finanzielle Angelegenheit machen, sieht sie das als Herausforderung für ihre Zukunft. Da Singapur hohe Lebenshaltungskosten hat und ein 0,5 Liter-Glas Bier schon mal um die 10 Euro kostet, strebt sie eine Führungsposition in einer Public-Relations-Agentur an, durch die sie sich ein hohes Einkommen sichern kann.
400 Euro Studiengebühren, die Serann in Kambodscha zahlen muss, hören sich zwar nicht nach viel an. Betrachtet man das jährliche Einkommen, entpuppt es sich jedoch als verhältnismäßig viel. Laut einem Ländervergleich der eglitis-media beträgt das durchschnittliche Jahreseinkommen der Kambodschaner weniger als 2.000 Euro.
Herausforderungen
Nicht alle Bürger Singapurs profitieren von den Vorteilen der Meritokratie wie Jemima, die aus einer privilegierten Familie stammt. Von Freunden weiß sie, dass es Minderheiten wie Malaien und Inder nicht immer leicht haben.
In Kambodscha bezieht sich die Ungleichheit auf arm und reich. Das Land hat mit Korruption zu kämpfen. In vielen öffentlichen Schulen erklären die Lehrpersonen den Unterrichtsstoff so schlecht, dass nahezu alle Schüler*innen Nachhilfestunden nehmen müssen. Diese finden bei den Lehrer*innen selbst statt. Falls ein Kind auch ohne Privatstunden gut abschneiden sollte, kann es gut einmal vorkommen, dass der Lehrer einfach die Note herabsetzt – spätestens dann braucht das Kind wohl auch „Nachhilfeunterricht“. So ist jede*r Bürger*in auf sich alleine gestellt, in einem Land ohne jegliche Versicherungen und Sicherheit. Auch Serann ist der Korruption bereits zum Opfer gefallen. Da er kein Geld zum Bestechen hatte, flog er durch einige Eignungstests.
Blick in die Zukunft
Auch wenn Singapur als reich und modern gilt, gibt es auch hier unter der glitzernden Oberfläche Einschränkungen für Studierende. Jemima stehen zwar optimale Bildungschancen zur Verfügung, sie kann die Welt bereisen und frei wählen, wo sie später einmal leben und arbeiten möchte. Auf der anderen Seite ist sie dem starken gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, gut zu sein und zu funktionieren. Jemimas Motto ist daher:
„Seid nett zueinander. Und neugierig. Neugierig zu sein, macht die Welt so viel größer.”
– Jemima
Und in Kambodscha? Durch die vorherrschende Politik und die daraus resultierenden Folgen wie Korruption und Armut stehen Serann weitaus weniger Chancen zur Verfügung. Die niedrige Lebensqualität und das geringe Einkommen minimieren und bestimmen die Entwicklungsmöglichkeiten. Das Land liegt weit zurück. Es ist jedoch ein junges Land. 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt. Eine neue Generation weckt die Hoffnung auf große Änderungen und Wachstumspotenzial. Trotz aller Einschränkungen ist Serann ein sehr positiver Mensch, der die Hoffnung nicht aufgibt und auf das kulturelle Erbe seines Landes stolz ist. Er arbeitet weiter an seinem Englisch, um seine Träume zu verwirklichen. Denn trotz aller Hürden sagt er:
„Es hängt von dir selbst ab,
was du aus deinem Leben machst."
– Serann