Das Bauhäusle 5 Minuten

Ein Haus aus Holz- ein Zuhause aus Haltung

Bauhäusle von außen
Das Bauhäusle steht, umgeben von Bäumen und Sträuchern, auf dem Uni-Campus in Stuttgart-Vaihingen. | Quelle: Stella Marrone
21. Mai 2025

Das Bauhäusle gilt als „das erste nachhaltig und selbst gebaute Studierendenwohnheim in Deutschland“, so steht es auf dem Infoboard direkt vor dem Eingang. Heute leben dort rund 30 Studierende gemeinsam unter einem Dach. Die WG ist ein Plädoyer dafür, dass Nachhaltigkeit bereits bei der Bauweise beginnt – und im sozialen Miteinander lebt.

Die Holztüre steht offen. Vor dem großen Fenster am Eingang stapeln sich Kisten voller Rucola. Ein aufmerksamer Bewohner hat mich bemerkt und eilt sofort in Richtung Türe. Er begleitet mich durch verwinkelte, teilweise dunkle Gänge, die schließlich zu einer riesigen Küche führen. Auf der linken Seite führt ein geöffnetes, bodentiefes Fenster zur Terrasse. Dort sitzt Alan, seinen Frühstücksteller noch auf dem Holztisch vor sich. Am gegenüberliegenden Ende der Terrasse gelangt man über eine Holztreppe hinunter in den Garten. Alan wohne bereits seit mehreren Jahren hier. „Jeder Bewohner misst dem Thema Nachhaltigkeit unterschiedlich viel Bedeutung bei“, hat er in seiner Wohnzeit in Erfahrung gebracht. Ihm persönlich liege es sehr am Herzen.

Bauen im Kreislauf – mit Holz und Handarbeit

Der Terrassenboden, die Bank, auf welcher Jonathan die Sonne genießt, die kleine Treppe hinauf zur Dachterrasse - das gesamte Bauhäusle besteht aus Holz. Dies habe den Vorteil, das meiste selbst reparieren zu können, erklärt Jonathan, Wohnheimsprecher des Bauhäusle. „Wir haben die Aufgabe, das Haus-was den Holzbau angeht- in Schuss zu halten". 

Altes Holz werde mit neuem Holz ersetzt. Teile des ausgebauten Materials ließen sich aber gut für andere Projekte verwenden. „Großteils kommen die Materialien, also das Holz, aus dem Studierendenwerk. Wir haben aber auch schon Recyclingholz verarbeitet, was vom Sperrmüll kommt.“ 

Werkstatt Bauhäusle
"Wir fertigen die benötigten Bauteile selbst an“, erzählt Jonathan.

Nachhaltigkeit heißt: In Kreisläufen denken

„Denken in Kreisläufen, auf einem begrenzten Planeten Erde in Gemeinschaft zu leben und diesem damit Rechnung zu tragen, das ist Nachhaltigkeit“, erklärt Jens Ludloff, Professor an der Architekturfakultät der Universität Stuttgart und Architekt mit Büro in Berlin. Auf den Bauprozess selbst bezogen, bedeute dies, sich im Spannungsfeld zwischen sozialer Verantwortung und der Kalkulation planetarer Grenzen zurechtzufinden. Zu verstehen, dass die Substanz unseres Planeten endlich ist und damit auch das Baumaterial, nach einer gewissen Zeit der Nutzung, der Erde wieder zugeführt werden müsse, sei ein erster wichtiger Schritt. Materialien müssen nach ihrer Nutzung wiederverwendbar oder recycelbar sein – idealerweise auf gleichem Niveau. Holz oder Bambus seien dabei bevorzugte Materialien, da diese nachwachsend, "leicht reparierbar" und energiearm in der Verarbeitung seien. 

Recycling ist heutzutage ein geläufiger Begriff. Zum Zeitpunkt des Errichtens des Bauhäusle im Jahr 1980, so Ludloff, sei das aber ziemlich fortschrittlich gedacht gewesen. 

Besser sanieren statt neu bauen?

„Nachhaltigkeit ist bei uns ein großes Thema, aber natürlich sind auch wir nicht perfekt“, fasst Alan zusammen. So ließe sich die Nutzung von Solarenergie zum Beispiel noch umsetzen. Für die Herstellung von Solaranlagen werden jedoch wiederum seltene Erden benötigt, welche unter Energieaufwand beschafft werden müssen. Es gelte, Ludloff zufolge, darauf zu achten, nicht mit energieaufwändigen Prozessen Produkte herzustellen, um dann Energie zu sparen. Nicht nur für Solaranlagen, sondern auch für alle weiteren Techniken, um Energie einzusparen, gelte daher die Devise: „Nicht nur das, was durch die Technik an Strom erwirtschaftet wird, zählt. Mindestens genauso wichtig ist der Aspekt, wieviel Energie für die Produktion der entsprechenden Geräte benötigt wurde.“ Die Energiebilanz über den gesamten Lebenszyklus sei zu betrachten. Bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit spiele auch der Anteil der grauen Energie eine Rolle - das ist die Energie, die für den Bau und späteren Rückbau eines Gebäudes sowie die Herstellung und den Transport der verwendeten Materialien, aufgewendet wird. Selbst ein Nullenergiehaus, welches zwar über ein Jahr gerechnet so viel Energie erzeugt wie es verbraucht, müsse viele Jahre genutzt werden, bis sich die Anteile der verbrachten Grauen Energie im Betriebszyklus relativieren. Altbauten, die bereits bestehen, schneiden in dieser Bilanz oft besser ab. Während moderne Neubauten aufwendige Technik setzen, basiert die Nachhaltigkeit des Bauhäusles auf Langlebigkeit, gemeinschaftlicher Verantwortung und Kreislaufwirtschaft.

 

„Das Denken in Kreisläufen auf einem begrenzten Planeten Erde und diesem damit Rechnung zu tragen, das ist Nachhaltigkeit“

Professor Jens Ludloff

Das Bauhäusle steht schon über 40 Jahre, bewundert Herr Ludloff. Selbstverständlich könne man das Bauhäusle, ebenso wie andere Bestandsgebäude, energetisch sanieren, schlägt Herr Ludloff vor. „Dabei muss man sich vor Augen führen, dass jedes Invest an Verbesserung zugleich ein Invest an Energie bedeutet.“ 

Für die Zukunft sei es von zentraler Bedeutung, unseren Blick nicht nur auf den Neubau zu richten, denn dieser mache in Deutschland nur wenige Prozente der gesamten Bausubstanz aus. Die Nachhaltigkeit liege in der Weiterentwicklung unserer Bestandsbauten. Diese dürften jedoch nicht als Einzelgebäude, sondern quartiersweise energetisch und sozial "ertüchtigt" werden.

Wohnen für alle Lebensphasen

Das Bauhäusle ist nicht nur ein technisches, sondern auch ein soziales Projekt. Die Idee „Studierende bauen für Studierende“ sei damals revolutionär gewesen – heute würde man dies weiterdenken. „Nachhaltigkeit heißt auch, Wohnraum für alle zugänglich zu machen“, sagt Ludloff. Denn das soziale Gefüge einer Gesellschaft sei die Wurzel der Nachhaltigkeit. Statt getrennte Wohnformen für Studierende, Familien oder Rentner zu schaffen, müsse man Gebäude so gestalten, dass sie sich dem Leben anpassen – nicht umgekehrt. 

Nach der Sanierung eines Wohnhauses für Obdachlose in Stuttgart Kaltental sei das nächste Projekt, was von Studierenden am Lehrstuhl von Professor Ludloff realisiert werden soll, die Entwicklung eines Mehrgenerationenhauses. 

„Das soziale Gefüge einer Gesellschaft ist die Wurzel der Nachhaltigkeit"

Professor Jens Ludloff

Ein bisschen Öko?

Neben der Bauweise spielt auch das alltägliche Leben im Haus eine Rolle. Alan, der seit mehreren Jahren hier wohnt, schätzt die Atmosphäre: „Wir sind schon ein bisschen öko“, gesteht er schmunzelnd. „Es gibt unter den Bewohnern einige, die Foodsharing betreiben. Diejenigen fahren mit unseren Lastenrädern zu den Supermärkten und holen dort Produkte ab, die sonst im Müll landen würden“. Das erklärt die Rucola-Kisten, welche sich vor dem Eingang stapelten. Das Haus sei zudem eine Verteilstelle für die solidarische Landwirtschaft. „Das ist ein Konzept, bei dem man Ernteerträge, Gemüse und Obst vom Bauern direkt um die Ecke beziehen kann“, erklärt Jonathan.

Trotzdem ist das Bauhäusle keine Utopie. Auch hier gäbe es noch Potenzial – etwa bei der Nutzung von Solarenergie. Alan bleibt realistisch:„Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Wir sind nicht perfekt.“

Die sonnige Dachterrasse bietet Platz für jeden-ob man seinen grünen Daumen ausleben will...
...oder einfach die Sonne genießen! Natürlich ist auch diese Sitzecke komplett selbst gebaut
Das Bauhäusle besteht aus insgesamt 9 Wohnkomplexen und wird daher auch "Häuserhaus" genannt
Die Baukomplexe sowie die Zimmer tragen alle Namen
Ein kreativ gebautes Zimmer, welches von außen wie ein Camembert aussieht
Dieses rundlich gebaute Gebäude wird von den Bewohnern Camembert genannt
Die Villa Kunterbunt grenzt direkt an die Terrasse...
Ist einem die Aussicht dort nicht grün genug, führt eine weitere Treppe hinauf aufs Dach