Letzte Worte 3 Minuten

"Oh, das schmeckt gut, danke!"

Danke ist ein einfaches Wort und doch sagen wir es viel zu selten. | Quelle: Justine Keller
08. Juli 2025

Menschen gehen, Worte bleiben. In dieser Kolumne geht es um die letzten Sätze berühmter Persönlichkeiten und was sie uns damit über ihre Geschichte und das Leben zu sagen haben. Denn manchmal sind es die kleinen Wörter, die den großen Unterschied machen.

Johannes Brahms war ein musikalisches Genie – gefeiert für seine Symphonien und Chorwerke. Am Ende seines Lebens aber war es kein großes Finale, kein orchestraler Donnerschlag, der von ihm blieb. Nach langer Krankheit verlor er 1897 den Kampf gegen den Krebs. Auf dem Sterbebett, kurz bevor der letzte Vorhang fiel, richtete er sich ein letztes Mal an die Krankenschwester: „Oh, das schmeckt gut, danke!“ Trotz des Leidens sind es diese letzten Minuten, die er mit dem Geschmack von gutem Wein auf der Zunge genießen kann, bevor er sich für immer verabschiedet. Es ist ein banaler Satz, fast schon alltäglich. Wäre da nicht das letzte kleine Wörtchen. Danke. Fünf Buchstaben, die es manchmal von den Lippen eines Menschen schaffen, manchmal auch nicht. Manchmal bleiben sie nur in Gedanken, manchmal schaffen sie es nicht einmal dorthin. Doch, so klein dieses Wörtchen erscheinen mag – so groß ist sein Hall.

"Aber ich habe doch danke gesagt?!"

Ja – wir sagen es. Natürlich sagen wir es. Ein „Danke“ an den Postboten für das lang ersehnte Paket und ein „Danke“ an die Kellnerin, die den Nachtisch bringt. Aber meinen wir es auch? Oder klatschen wir es nur als gesellschaftliches Pflichtprogramm immer wieder hin, ohne zu verstehen, was da überhaupt aus unserem Mund kommt? Denn genau das ist meistens das Problem. Die Welt steckt voller Chatbotfreundlichkeit, in der der Algorithmus des Dankesagens vollkommen automatisiert und programmiert abläuft. Ganz ohne echte Empathie. Dabei ist danke nicht nur ein leeres Wörtchen. Ganz im Gegenteil: es ist ein kurzes Wort mit einer riesigen Wirkung. Ein Wort, das hunderte Wörter in einem zusammenfasst und auf der ganzen Welt verständlich ist. Ein Wort, das so umfangreich wie eine komplette Sprache ist. Nicht umsonst wird danke in der deutschen Sprache auch als Zauberwort betitelt. Besonders zauberhaft ist es in Kombination mit einem weiteren Zwei-Silben-und-fünf-Buchstaben-Wort: bitte. Bitte und Danke, so einfach klingend wie Hund und Katze. Und scheinbar trotzdem so schwer auszusprechen.

Fünf Buchstaben mit Wirkung

Brahms hat mit seinem letzten Atemzug etwas heutzutage fast schon bizarres getan: er hat sich bedankt. Und damit ist er vielen anderen Menschen Welten voraus. Denn mit der Dankbarkeit hat die Menschheit so manchmal ihre Schwierigkeiten, viel zu beschäftigt und abgehetzt ist sie für solch eine Empfindung. Aber was wäre, wenn wir alle ein bisschen mehr wie Brahms wären? Wenn wir öfter einmal ehrlich danke sagen würden? Vielleicht würden wir die Welt damit ein kleines bisschen freundlicher machen. Ein bisschen weicher. Weniger programmiert. Denn ein ehrliches Danke kommt im Gegensatz zu einem Fake-Danke nicht aus dem Reflex, sondern aus dem Gefühl. Es ist ehrlich, wenn wir es nicht nur sagen, sondern vor allem auch denken. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem ich als junges Mädchen am Grab meines Opas stand. Weinend und alleine. Plötzlich kam eine ältere fremde Frau auf mich zu, tröstete mich und gab mir eine Umarmung. Das Einzige, das ich herausbrachte, war ein leises, und vermutlich sehr verheultes, „Danke“. Ich hätte in diesem Moment noch so viel mehr sagen können, aber tat es nicht. Denn die fremde Frau verstand mich und meine Trauer trotzdem. Und bis heute war das wahrscheinlich das ehrlichste Danke, dass ich jemals gesagt habe. 

Ob es nun das letzte Wort vor unserem Tod ist oder nicht, im richtigen Moment schadet es nie. Danke als letztes Wort, das uns über die Lippen kommt, wenn wir das Café mit unserem Kaffeebecher in der Hand verlassen. Wenn wir uns von unserem besten Freund verabschieden und unsere Wertschätzung ausdrücken wollen. Wenn ein Fremder für uns die Fahrstuhltür offenhält oder uns unsere Mutter um drei Uhr nachts von der Party abholen kommt. Ein Wort, zwei Silben, fünf Buchstaben – in einer Welt voller Selbstverständlichkeit der entscheidende Knackpunkt. Danke.