Fitness-Marketing 7 Minuten

Shakes, Stars und Strategien

Nachgestellte Influencer-Werbung vor einem Greenscreen
Mit Ringlicht und Rabattcode: So landet Proteinpulver im Einkaufswagen der Follower*innen. (Symbolbild) | Quelle: David Haag
17. Juni 2025

Proteinreiche Pulver, Riegel und jede Menge Reichweite: Fitnessprodukte boomen – und mit ihnen die Influencer*innen, die sie bewerben. Unternehmen setzen auf digitale Sichtbarkeit, entweder mit einem Netzwerk aus Gesichtern oder einem starken Einzelauftritt. Doch welche Strategie zahlt sich wirklich aus? Und wo stößt das System an seine Grenzen?

Fitnessorientierte Lebensmittel sind längst keine Nischenprodukte mehr – sie füllen nicht nur Shakerflaschen und Einkaufswagen, sondern auch Social-Media-Feeds. Die Sports-Nutrition-Branche zählt zu den am schnellsten wachsenden Segmenten des Lebensmittelmarkts. Allein in Deutschland wird bis 2029 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 5,3 Prozent prognostiziert. Damit wächst sie mehr als der weltweite Fast-Food-Markt, dem ein Wachstum von circa 4,9 Prozent vorausgesagt wird. 

Sports Nutrition bezeichnet die gezielte Auswahl von Lebensmitteln und Getränken zur Unterstützung sportlich aktiver Menschen. Ziel ist es, Leistungsfähigkeit, Kraft und Ausdauer durch eine angepasste Ernährung mit essenziellen Nährstoffen wie Kohlenhydraten, Eiweißen, Fetten und ausreichend Wasser zu fördern.

Quelle: EBSCO

Diese Entwicklung geht mit einem gesellschaftlichen Wandel einher: Ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein, Clean Eating und das Streben nach körperlicher Leistungsfähigkeit rücken Proteine zunehmend in den Mittelpunkt des Alltags. Zucker scheint „out“, definierte Muskeln „in“ zu sein – und Fitness wird mehr und mehr zum Statussymbol.

Im Jahr 2023 umfasste Umsatz der gesamten deutschen Sports-Nutrition-Branche 1,086 Milliarden Euro. Die Zahlen in der Grafik sind gerundet. | Quelle: Horizon Grand View Research

Rasant wachsend, trifft die Branche vor allem den Nerv einer jungen, digital vernetzten Zielgruppe: Menschen, die sich an Fitness- und Lifestyle-Trends orientieren und diese nicht selten von Instagram, YouTube oder TikTok übernehmen. Denn dort, wo vor fünfzehn, zwanzig Jahren noch Plakate oder TV-Spots über Produkte informierten, übernehmen heute zunehmend Influencer*innen diese Rolle. Und genau hier können gut platzierte Kooperationen besonders wirksam sein.

Social Media sells – Influencer*innen als Marketingmotor

In der digitalen Markenwelt entscheidet heute Social-Media-Reichweite und Community-Engagement oft über den Erfolg einer Brand. Besonders in der Sporternährungsbranche ist Influencer-Marketing daher zur Schlüsselstrategie geworden. Unternehmen investieren gezielt in Creator*innen, um ihre Produkte in digitale Communitys zu tragen – direkt, nahbar und oft personalisiert. 

Besonders effektiv wirkt diese Marketingform bei der Generation Z: 62 Prozent der 16- bis 29-Jährigen haben bereits eine Kaufentscheidung aufgrund eines Influencer-Posts auf Instagram getroffen. „Influencer*innen wirken auf Konsument*innen häufig authentischer als klassische Testimonials“, bestätigt Alexander Bleier, Associate Professor für Marketing an der Frankfurt School of Finance & Management. „Ihre Empfehlungen erscheinen eher wie die eines Freundes oder einer Freundin“. 

Doch nicht alle Influencer*innen wirken gleich: Laut Bleier zeigt sich bei ihrer Wirkung eine Art umgedrehte U-Kurve. „Sehr kleine Accounts haben oft nicht genug Reichweite, um relevant zu sein. Sehr große verlieren an Engagement und wirken weniger persönlich.“ Die höchste Wirksamkeit liege daher häufig im mittleren Bereich – bei Mikro- bis Makro-Influencern, die sowohl Nähe zur Zielgruppe als auch eine relevante Sichtbarkeit bieten.

Nano-, Mikro-, Makro- und Mega-Influencer*innen sind verschiedene Kategorien von Influencern, die nach ihrer Reichweite (Followerzahl) klassifiziert werden. Nano-Influencer*innen sind Social-Media-Nutzer mit einer relativ kleinen Follower-Zahl von 1.000 bis 10.000 Followern. Mikro-Influencer*innen haben in der Regel 10.000 bis 100.000 Follower, Makro-Influencer*innen 100.000 bis 1 Million und Mega-Influencer*innen mehr als 1 Million. 

Quelle: OMR Reviews

Doch wie setzen Unternehmen diese Strategien konkret um? Hinter den scheinbar persönlichen Produktempfehlungen auf Instagram & Co. verbirgt sich oft ein professionell organisiertes Geflecht aus Marken, Influencer*innen und Managements. Diese Strukturen bleiben für Außenstehende meist unsichtbar. Eine Netzwerkanalyse kann jedoch zeigen, wer mit wem zusammenarbeitet und welche Rollen die einzelnen Akteure in diesem System einnehmen.

Das Netzwerk zeigt die Verbindungen zwischen den zwölf umsatzstärksten deutschen Unternehmen der Sports-Nutrition-Branche. Darunter: Marktführer „The Quality Group“ mit den Tochtermarken ESN (Elite Sports Nutrition) und More Nutrition, aber auch andere aufstrebende Brands wie KoRo oder Naturally Pam. Verbunden sind die Unternehmen mit Influencer*innen und Managements, die öffentlich auf den Plattformen Instagram, TikTok, Facebook und YouTube als Werbepartner*innen auftreten – und damit das Marketing in dieser Branche maßgeblich prägen.

Was zunächst wie viele kleine Pusteblumen aus Marken, Creator*innen und vereinzelten Agenturen wirkt, offenbart bei genauerem Hinsehen zentrale Prinzipien des Influencer-Marketings: eine direkte Zielgruppenansprache und starke Markenbindung.

Von Athleten und Abnehmzielen

Mit insgesamt 241 erfassten Influencer*innen, die für Marken der „The Quality Group“ werben, nimmt das Unternehmen eine zentrale Rolle im Marketingnetzwerk der Branche ein. Doch ein Blick auf die beiden Tochtermarken zeigt: Ihre Strategien unterscheiden sich nicht nur in der Produktphilosophie, sondern auch in der Zielgruppenansprache

Während ESN unter dem Slogan „Made for Athletes“ leistungsorientierte Sportprodukte vermarktet, richtet sich More Nutrition stärker an Konsument*innen mit Fokus auf kalorienbewusste Ernährung. Diese Unterschiede schlagen sich auch in der Zusammensetzung der werbenden Creator*innen nieder:
Das Netzwerk rund um ESN zeigt eine ausgewogene Geschlechterverteilung – passend zum sportlich-neutralen Markenimage. Bei More Nutrition hingegen dominieren weibliche Influencer*innen deutlich, was auf den abnehmbezogenen Content und die damit einhergehende Ansprache einer überwiegend weiblichen Zielgruppe schließen lässt.

In Sachen Zielgruppenansprache offenbart sich im Netzwerk noch ein anderer Kontrast: Während die beiden Marken der „The Quality Group“ auf ein ganzes Influencer-Kollektiv setzen, baut Pamela Reif mit Naturally Pam auf sich allein. Zwei unterschiedliche Strategien – und beide scheinen zu funktionieren.

Zwei Strategien: ESN/More vs. Naturally Pam

Strategie A: Viele Stimmen, ein Shake: Die „The Quality Group“ baut auf Reichweite durch Community-Building. Mit ESN und More Nutrition setzt sie auf ein großes Netzwerk aus Fitness-, Lifestyle- und Ernährungsinfluencer*innen. „Ein größerer Pool aus Influencer*innen ist hierbei besonders hilfreich“, erklärt Marketingprofessor Alexander Bleier.

Strategie B: Ein Gesicht, eine Marke: Ganz anders Pamela Reif. Sie steht allein hinter ihrer Marke Naturally Pam – als Gesicht, Stimme und Garantin für Authentizität. „Wenn sie andere engagiert, verwässert das das Image von Naturally Pam“, so Bleier. Der Vorteil: eine klare Positionierung. Der Nachteil: vielleicht etwas weniger Reichweite.

Egal ob Masse oder Einzelperson – ein weiteres Prinzip des Influencer-Marketings bleibt entscheidend: die Markenbindung. Wer mit zu vielen Marken gleichzeitig zusammenarbeitet, läuft Gefahr, unglaubwürdig zu wirken. Und das kann auch die Markenbotschaft schwächen. Obwohl das Netzwerk der „The Quality Group“ aus über 200 Creator*innen besteht, werben nur sechs für beide Tochtermarken. Bleier erklärt: „Das ist genau dieser Authentizitätsgedanke: Entweder man steht für etwas und bekommt dafür auch Engagement – oder man wirbt einfach für alles. Dann schlussfolgern die Follower*innen: ‚Okay, der macht das, weil er damit Geld verdienen will.‘“ 

Zwei Wege, ein Ziel

Aber welche Strategie ist besser? „Ich sehe da eigentlich keinen Widerspruch, sondern nur zwei Wege, die beide zum Ziel führen können“, sagt Bleier. Dass beide Ansätze funktionieren, zeigt ein Blick auf die Umsatzliste: Die Größe des Netzwerks der „The Quality Group“ spiegelt sich auch in den Zahlen wider – rund 680 Millionen Euro Umsatz jährlich. Naturally Pam liegt mit 37 Millionen deutlich darunter, behauptet sich aber als Einzelmarke trotzdem in den Top 12 der umsatzstärksten deutschen Unternehmen der Branche. 

„Ich sehe da eigentlich keinen Widerspruch, sondern nur zwei Wege, die beide zum Ziel führen können.“

Alexander Bleier

Doch wirtschaftlicher Erfolg lasse sich nicht allein auf das Influencer-Marketing zurückführen. „Da haben immer noch andere Faktoren einen bedeutenden Einfluss“, betont Bleier. Produktqualität und Markenführung spielen ebenso eine Rolle. Beide Strategien, breite Vernetzung oder starke Einzelperson, können also zum Ziel führen, wenn sie zur Marke und ihren Zielen passen.

Kosten, Kontrolle, Codes: Die Schattenseite des Influencer-Marketings

Doch auch wenn das Konzept stimmig ist, läuft im Alltag nicht alles reibungslos. Hinter den perfekt belichteten Proteinriegeln und motivierenden Gym-Reels bleibt vieles im Dunkeln – insbesondere die Erfolgsmessung. Rabattcodes oder Affiliate-Links sollen den Umsatz bestimmten Influencer*innen zuordnen, funktionieren aber nicht immer zuverlässig. „Viele Unternehmen stehen noch ganz am Anfang und zahlen zu viel, weil ihnen wichtiges Wissen fehlt“, erklärt Bleier. Was zählt, sei letztlich die Effizienz: „Wie viel Umsatz bringt ein gesponserter Post im Vergleich zu den Investitionen?“

Zwischen Algorithmus und Authentizität: Wohin geht der Trend?

Wohin sich Influencer-Marketing entwickelt, bleibt ungewiss. Zwar wächst der Markt rasant – gleichzeitig geraten seine Mechanismen zunehmend unter Druck. „Ob das Ganze ein ‚way up‘ ist oder ob wir den Tipping Point erreicht haben – da würde ich mich mit einer Prognose schwer tun“, sagt der Marketingprofessor. Faktoren wie Künstliche Intelligenz, Fake News und Plattform-Algorithmen beeinflussen die Branche. Virtual Influencer*innen hält Bleier für eine Sackgasse: „Da fehlt die nötige Authentizität.“

Auch der Druck auf reale Influencer*innen wächst. „Der Content muss immer besser produziert sein“, so Bleier. Doch gerade, weil Werbung zunehmend nahtlos in Social-Media-Inhalte integriert wird, fordert er mehr Medienkompetenz von Konsument*innen: „Nicht blind vertrauen, was man da sieht – sehr große Skepsis haben.“ Ein Post reiche nicht für eine Kaufentscheidung: „Ich würde mir erstmal noch fünf andere Quellen angucken.“ Seine Empfehlung: „Keiner Story ungeprüft und ungefiltert glauben.“

So haben wir recherchiert:
Für die Netzwerkanalyse wurden die zwölf umsatzstärksten deutschen Unternehmen im Bereich Sporternährung identifiziert. Die Auswahl erfolgte datenbasiert über Gemini Deep Search und das Rechercheportal North Data.

Erfasst wurden öffentlich sichtbare Kooperationen mit Influencer*innen auf Instagram, TikTok, YouTube und Facebook (Stand: März 2025). Berücksichtigt wurden nur Influencer*innen mit über 1.000 Follower*innen und klar erkennbarer Markenbindung – etwa durch Markierungen, Rabattcodes oder Produktplatzierungen.

Zusätzlich wurde geprüft, ob die Influencer*innen von Agenturen vertreten werden und ob diese wiederum Kooperationen mit den untersuchten Marken aufweisen. So entstand ein Netzwerk aus Unternehmen, Influencer*innen und Managements.

Alle erhobenen Daten sind gesammelt auf Github hinterlegt.