Müllablagerung 4 Minuten

Sperrmüll in Stuttgarts Wäldern – ein unterschätztes Problem?

Müllablagerungen im Wald Stuttgarts
Grünidylle mit kleinen Schönheitsfehlern: Im Stuttgarter Staatswald fallen pro Jahr rund 35 Tonnen Müll an. | Quelle: Bildcollage, Elias Bock
17. Juli 2025

Alte Autoreifen, Waschmaschinen oder Sofas gehören auf den Wertstoffhof. Doch gefunden werden sie auch in Stuttgarts Wäldern. Wie groß ist das Ausmaß der illegalen Müllablagerungen wirklich – und was wird dagegen unternommen? Eine Spurensuche im größten Naherholungsgebiet der Stadt.

Peter Neumann* ist gut gelaunt. Die Sonne scheint, es ist ein angenehmer Frühlingstag. Auf dem Gelände einer Stuttgarter Klinik wird gerade Grünschnitt gemacht. Mittendrin ist Neumann, denn er arbeitet dort als Hausmeister. Doch eine Sache trübt seine Stimmung: Regelmäßig werde rund um die Einrichtung Müll abgeladen, berichtet er. „Wir haben hier in den letzten Jahren von Sondermüll, Waschmaschinen oder einer Couch alles schon gefunden“, erklärt er. Die Klinik ist von Wald umgeben. Eine schöne Gegend. Doch alle zwei Wochen müssen Neumann und sein Team zum Beispiel die Parkplätze an der Klinik entmüllen. Mit dem Auto ist das Gebiet dank einer Bundesstraße gut zu erreichen. Die Leute wüssten eben, dass sie nachts hier ungestört Müll abladen könnten, so Neumann. Drei Anzeigen gegen Unbekannt hätte die Klinik schon erstattet. Auch deswegen, weil sie letztendlich für die Entsorgung von Müll wie alten Autoreifen auf ihrem Gelände finanziell selbst aufkommen müssen. Neumanns Erfahrungen sind kein Einzelfall. Auf Anfrage dieser Redaktion übermittelte die Stadt Stuttgart rund zehn Waldgebiete, in denen Müll illegal abgelagert wird.

Wo kommt es zu Müllablagerungen?

Illegale Müllablagerungen im Wald: Markiert sind bekannte Fundorte, farblich unterlegt sind Stadt- und Staatswaldflächen (Hellgrün= städtisches Waldgebiet, Dunkelgrün=staatliches Waldgebiet). | Quelle: Stadt Stuttgart

5.000 Hektar Wald gibt es nach Angaben der Stadt in Stuttgart. Damit ist die Landeshauptstadt zu 24 Prozent mit Wald bedeckt. Doch wer ist für den Wald zuständig? Mit circa 2.700 Hektar, welche 54 Prozent der gesamten Waldfläche entsprechen, ist die Stadt Stuttgart der größte Waldbesitzer. Was die Stadt illegale Müllablagerungen im Wald kosten, ist unklar. Das Garten-, Friedhofs- und Forstamt teilte mit, dass zu diesem Thema keine Statistik vorliegt. Auch ob die Müllablagerungen in den letzten Jahren tendenziell zu- oder abgenommen haben, könne man laut dem Amt nicht sagen. Waschmaschinen, Reifen oder Eimer würden in den städtischen Waldgebieten nicht regelmäßig vorkommen, hieß es weiter. 

Zweitgrößter Waldbesitzer in Stuttgart ist das Land Baden-Württemberg. Zuständig für den Stuttgarter Staatswald ist ForstBW beziehungsweise der Forstbezirk Schönbuch. Wie sieht es hier mit dem Thema Müll aus? Die Müllmenge liegt jährlich alleine im Stuttgarter Staatswald laut ForstBW bei 35 Tonnen zzgl. Sondermüll, Bauschutt, Reifen und Sperrmüll. Weitere konkrete Zahlen zu Müll im Stuttgarter Staatswald fehlen, da ForstBW hier keine Daten erhebt. Laut Försterin Kathrin Klein vom Forstbezirk Schönbuch würde der Müll vor allem da abgeladen, wo man mit dem Auto gut hinkommt, also zum Beispiel an Wanderparkplätzen. Die Müllbeseitigung im Stuttgarter Staatswald kostet den Forstbezirk Schönbuch jedes Jahr fast 100.000 Euro. Geld, das dann an anderer Stelle fehle.

Wie lange dauert die Zersetzung im Wald?

Diese Briefkästen wurden tief im Wald entdeckt – eine Spur illegaler Müllentsorgung. | Quelle: EE Waste, Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Saarforst Landesbetrieb

Klein schildert, dass regelmäßig neben achtlos weggeworfenem Verpackungsmüll auch Sperrmüll bei ihnen im Wald illegal entsorgt wird. Die Menge an illegal abgeladenem Müll ist laut Klein über die Jahre konstant geblieben. Es gebe jedoch saisonale Schwankungen: Besonders viel Müll falle im Sommer und in den Phasen des Reifenwechsels an. Außerdem sei zu Corona-Zeiten mehr Müll im Wald abgeladen worden. Klein hat schon einmal einen geklauten Tresor im Wald entdeckt und eine Coladose aus den 60ern. Besonders gefährlich seien aber Problemstoffe wie Chemikalien, Batterien oder Lacke, die Boden und Wasser gefährden könnten.

Auch Plastikmüll stelle laut Klein ein erhebliches Problem dar, da er sich über Jahrzehnte hinweg zu Mikroplastik zersetze und so in den Naturkreislauf gelange. Tim Niereisel von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald betont zudem, dass Vögel häufig Plastikteile zum Nestbau verwenden. Dies könne zu einer unzureichenden Isolierung der Nester führen und somit zu einer tödlichen Unterkühlung der Jungvögel.

Ein geklauter Tresor und eine Coladose aus den 60ern

Außerdem betonen ForstBW und die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, dass auch „harmlosere“ Abfälle aus dem Garten schädlich für den Wald seien. Besonders in der Nähe zu Kleingartenanlagen könne man dies beobachten, erklärt Klein. Der Grünschnitt führe dann langfristig zu Fäulnis am Stammfuß von Bäumen und dies könne die Standfestigkeit beeinträchtigen. Zudem könnten gebietsfremde Pflanzen eingeschleppt werden, was für das Ökosystem problematisch sei. Die Menschen zu erwischen, die den Müll im Wald abladen, gelinge in der Regel nie. Selbst wenn Hinweise wie Adressdaten im Müll auftauchen, sei der rechtssichere Nachweis schwierig. Wer größere Müllablagerungen im Wald entdeckt, kann diese übrigens über das Gelbe-Karten-System der Stadt Stuttgart melden. Bei kleineren Müllmengen kümmert sich ForstBW selbst um die Entsorgung. Bei größeren Sperrmüllablagerungen würde man mit dem Abfallwirtschaftsbetrieb Stuttgart (AWS) zusammenarbeiten.

Eigentlich müsste die Polizei hier mal observieren und mal gucken, ob sie die gleich erwischen

Peter Neumann, Hausmeister (Name geändert)

Doch wie können eigentlich Müllablagerungen im Wald verhindert werden? Niereisel wünscht sich mehr Aufklärung über die Verhaltensregeln im Wald und über die Folgen der Müllentsorgungen. „Eine weitere Maßnahme seien Bußgelder, wobei dafür vermehrt Kontrollen durchgeführt werden müssten", meint Niereisel von der Schutzgemeinschaft. Das sei aufgrund von mangelndem Personal auf großen Waldflächen nur bedingt bis gar nicht möglich. „Diejenigen, die ihren Müll ganz bewusst im Wald entsorgen, wird man wohl kaum erreichen. Aber wenn man wenigstens die Hälfte der Menschen zum Umdenken bringt, wäre schon viel gewonnen“, meint Försterin Klein. Mehr Mülleimer will ForstBW aber auf keinen Fall aufstellen, denn dort, wo welche wären, würde auch besonders viel Müll anfallen. Vielmehr wolle man den Leuten bewusst machen, ihren Müll, etwa nach einem Grillausflug, wieder mit nach Hause zu nehmen. Insgesamt stehen im Staatswald rund 30 Mülltonnen (240 Liter). Diese werden zweimal wöchentlich geleert. Im Winter einmal wöchentlich.

Zurück bei der Klinik und bei  Hausmeister Neumann. „Eigentlich müsste die Polizei hier mal observieren und mal gucken, ob sie die gleich erwischen“, meint er. Was ihn besonders frustriere: Viele würden ihren Müll nicht nur aus Kostengründen, sondern auch aus purer Bequemlichkeit im Wald entsorgen. „Ob ich nachts heimlich in den Wald fahre oder tagsüber zum Wertstoffhof – der Aufwand ist im Grunde derselbe“, meint Neumann.

*Der Name und Arbeitgeber wurden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes anonymisiert. Die Namen sind der Redaktion bekannt.