Der Wissing und das Wochenend-Fahrverbot
Volker Wissing, Verkehrsminister (FDP), drohte noch vor Kurzem mit Fahrverboten an den Wochenenden. Doch seit der Reform des Klimaschutzgesetzes muss sich wohl niemand mehr davor fürchten, an den Wochenenden wartend am Bahnsteig zu stehen oder den Ausflug an den Gardasee sausen lassen zu müssen. Die Drohung mit Wochenend-Fahrverboten war ein kluger Schachzug Wissings, um die ressortweite Berechnung der Klimaziele abzuschaffen. Folglich sollte nur eines in Gang gesetzt werden: das Klimaschutzgesetz.
Seit 16. April werden CO2-Emissionen und Sparvorgaben der Sektoren Landwirtschaft, Verkehr, Industrie, Wohnen und Bauen sowie Abfallwirtschaft nun nicht mehr einzeln, sondern als Gesamtziel betrachtet. Somit hat sich die FDP wieder einmal klar durchgesetzt. In der Vergangenheit hatte der Verkehrssektor bereits dreimal sein Ziel verfehlt, seine Treibhausgasemissionen einzudämmen. Die Gesamtbetrachtung aller Sektoren kommt nun gerade recht und Wissing kann sich zurücklehnen – ganz nach dem Motto „Ach, die anderen machen das schon“. Aber soll Passivität nun die Lösung für das Problem sein, was allen voran den Verkehrssektor betrifft: ein katastrophales Schienennetz, nicht vorhandene Fahrradwege und geringe Neuzulassungen von E-Autos? Wenn sich jetzt wieder niemand in der Verantwortung sieht, wer kümmert sich dann um bessere Bedingungen auf Schienen und Straßen?
Nachhaltiger Verkehr funktioniert
Klare Luft in Innenstädten, keine nervigen Geräuschpegel am Morgen und endlich friedvoll mit dem Rad die Straßen abfahren und dabei Natur sowie Landschaft genießen – das wäre doch gar nicht so verkehrt. Doch die Drohung mit Wochenend-Fahrverboten ließ sich wirklich nur als ein Scherz erachten. Den Deutschen die Autofahrt verbieten, das klappt keineswegs. Autoland-Deutschland ist schnell in Aufruhr, wenn es um den heißgeliebten PKW geht. Man muss am Stammtisch nur das Wort „Tempolimit“ erwähnen und die Diskussionen nehmen an Fahrt auf. Was ebenfalls an Fahrt aufnimmt, sind die steigenden Temperaturen. So war der Januar in diesem Jahr der Wärmste seit Messbeginn und so wurde in jedem Folgemonat ein neuer Hitzerekord gebrochen.
Dabei gibt es gute Maßnahmen, um Treibhausgasemissionen im Verkehr zu senken. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung zum Beispiel könnte bis zum Jahr 2030 rund 38 Millionen Tonnen der Treibhausgasemissionen einsparen. In Zusammenspiel mit einer flächendeckenden Elektrifizierung des Verkehrs und einer Anhebung des CO2-Preises würden sich so jährliche Emissionen schnell mindern. Effektive Maßnahmen wie der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Förderung von sicheren Fahrradwegen und mehr Investitionen in umweltfreundliche Antriebe sollten Teil eines ganzheitlichen Ansatzes sein. Doch man bekommt das Gefühl nicht los, dass das hierzulande niemanden interessiert. Metropolen hingegen wie Paris, Kopenhagen oder Barcelona zeigen, dass es auch ganz ohne die CO2-Kisten funktioniert. In Kopenhagen zum Beispiel setzt man seit langem auf die Verkehrswende zugunsten von Radfahrenden, was zu einer Top-Infrastruktur für Radwege und einem hohen Anteil an Fahrradfahrer*innen geführt hat. In Barcelona wiederum wird auf die „Superblocks“ gesetzt, in denen PKWs nur noch kaum die Einfahrten durchqueren.
Die fehlende Verantwortung
Nach Ära Scheuer und Dobrindt hätte man wenigstens von der Ampel-Koalition Veränderungen erwarten können, denn da sitzt ja schließlich eine grüne Partei mit in den alles entscheidenden Runden. Es stellt sich wirklich die Frage, wer durch die Reform ab sofort die Verbindlichkeit und Zuständigkeit tragen wird? Wissing und Co. können sich über die geteilte Verantwortungslosigkeit freuen, denn jetzt können einfach alle den anderen das eigene Versagen in die Schuhe schieben. Die Reform unterstreicht Deutschlands strukturelles Klimaschutzproblem sowie das Gefühl, dass im Verkehrssektor auch in diesem Jahr wieder nicht viel Veränderung passieren wird. Lange Rede, kurzer Sinn – wann wird endlich weniger gesprochen und mehr ins Rollen gebracht? Und hier ist nicht von weiteren PKWs auf den Straßen die Rede!
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