Bitte einsteigen: Die studentische Mobilität der Zukunft
Montagmorgen, auf dem Weg zur Universität. Autos stehen im Stau und Menschen warten dicht gedrängt am Bussteig. In luftiger Höhe schwebst du vorbei an den Gebäuden und über die Straßen hinweg, unter denen du normalerweise im S-Bahn-Tunnel durchfährst. Nach einem schönen Ausblick über die Stadt steigst du aus der Gondel aus und der Campus erstreckt sich direkt vor dir.
Die meisten Leute kennen Seilbahnen nur vom Skiurlaub oder einer Bergwanderung. Doch es gibt auch Konzepte und Ideen für die Umsetzung in deutschen Städten, um den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu ergänzen. „Es ist eine Mobilitätsform, die Potenzial für die Zukunft hat, insbesondere im urbanen Raum wie beispielsweise in Stuttgart“, erklärt Sebastian Beck von Drees und Sommer SE, einem Stuttgarter Planungs- und Beratungsunternehmen. Könnte das in Zukunft auch für Studierende relevant werden?
Wo Seilbahnen sinnvoll sind
In vielen Städten kommt die Infrastruktur oft an ihre Grenzen. Ausgelastete und überfüllte Fahrzeuge im ÖPNV und immer häufiger Staus auf den Straßen. Das geht aus dem Leitfaden für „Urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr“ hervor, der Ende 2022 vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gemeinsam mit dem Verkehrswissenschaftlichen Institut an der Universität in Stuttgart (VWI) und Drees und Sommer veröffentlicht wurde. Dieser Leitfaden dient als Grundlage, mit der Städte und Planungsbüros besser arbeiten können. In der sogenannten +1-Ebene kann, laut Leitfaden, durch eine urbane Seilbahn ein neues Verkehrssystem entstehen und die Infrastruktur wird entlastet. Das sei vor allem dort sinnvoll, wo die vorhandene Infrastruktur durch Platzmangel nicht weiter ausgebaut werden könne, wie beispielsweise eine Erweiterung des Schienennetzes oder der Busspur, erklärt Sebastian Beck.
Urbane Seilbahnen sind innovative und umweltfreundliche Verkehrssysteme. Sie können zum Beispiel bestehende ÖPNV-Systeme erweitern und ergänzen oder überfüllte Verkehrswege entlasten. Eigentlich werden Seilbahnen aber für das Überbrücken und Überwinden von Bergen und Tälern (topografische Hindernisse), baulicher oder verkehrlicher Hindernisse genutzt. Mit urbanem Raum ist das städtische Siedlungsgebiet gemeint.
Besonders die Eigenschaften einer Umlaufseilbahn eignen sich laut dem Leitfaden zum Anknüpfen an den ÖPNV. Eine Umlaufseilbahn, auch Gondelbahn genannt, hat mehrere, kleine Kabinen. Diese fahren immer durchgehend und im Umlauf. Deshalb gibt es immer eine permanent abfahrbereite Seilbahnkabine und es ist keine Fahrplanabstimmung nötig. Allerdings ist eine Seilbahn im ÖPNV nur auf kürzeren Strecken sinnvoll, denn dort liegt die Stärke der Seilbahn als direkte Punkt-zu-Punkt Verbindung. So kann sie auf kurzer Distanz viele Hindernisse überwinden. Auf längeren Strecken wird es aufgrund der Geschwindigkeit jedoch schwierig, da eine Fahrt zu lange dauern würde.
Es muss neben einer Seilbahn also noch andere innovative Ideen für die Mobilität der Zukunft geben. Am Innovationscampus Stuttgart (ICM) wird an verschiedenen Konzepten geforscht, wie wir uns in Zukunft fortbewegen könnten. Ob wir uns in zehn Jahren mit autonomen Bussen zur Uni fahren lassen könnten und was für Studierende noch geplant ist, erfahrt ihr im Video unserer Redakteurinnen.
Vorteile einer Seilbahn
Eine Seilschwebebahn in Stuttgart Vaihingen
Eine Machbarkeitsstudie hat untersucht, inwiefern Luftseilbahnen in Stuttgart realisierbar sind. Es wurden vier Streckenabschnitte in Stuttgart geprüft. Am meisten Potenzial bietet eine Seilbahnstrecke von Vaihingen nach Möhringen. Sie soll vom Eiermann-Areal (ehemaliges IBM-Gelände), über den Vaihinger Bahnhof bis zum Synergiepark Vaihingen-Möhringen und weiter zu einem möglichen neuen Park and Ride-Parkhaus an dem die Autobahnen verlaufen. Aus der Studie geht hervor, dass die 5,6 Kilometer lange Strecke rund 20 Minuten Fahrtzeit beträgt. Zudem wäre das Gelände gut mit den Umsteigemöglichkeiten auf Stadt-, S-Bahn und Bus am Vaihinger Bahnhof verknüpft.
„Aktuell geht es mit dem Projekt Eiermann-Areal aufseiten des Investors eher langsam voran“, erklärt Michael Welsch, Ingenieur bei SSP Consult, der an der Machbarkeitsstudie beteiligt ist. Die Immobiliengesellschaft, die ursprünglich Pläne für das Areal hatte, hat es im April 2023 zum Verkauf ausgeschrieben. Das geht aus einem Bericht des SWR hervor. Im Gemeinderat und auch bei der Stadt Stuttgart wird diskutiert, ob man das Areal kaufen soll. Dieser Prozess verlangsamt den ursprünglichen Zeitplan allerdings um Jahre und eine große Entwicklung auf diesem Areal wird man „vermutlich nicht mehr in diesem Jahrzehnt umgesetzt bekommen“, sagt er. Wenn es dann so weit ist, muss auch der Fortschritt des Stadtbahn-Ausbaus berücksichtigt werden, den die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) plant. Eine Seilbahn für die Entwicklung des Geländes wird dadurch nicht ausgeschlossen. Aber es muss dann geprüft werden, ob statt einer „Neuplanung mit Seilbahn eine Verlängerung der bestehenden Stadtbahn die wirtschaftlichere Lösung sei“, so Welsch.
Die letzte Planungsstufe der Studie beinhaltet die Kosten- und Nutzenrechnung mit einer abschließenden Bewertung, die aber noch nicht ganz abgeschlossen ist. „Bis im Frühjahr sollten die Ergebnisse vorliegen“, sagt Ingenieur Michael Welsch. Wichtig bei einer möglichen Fortführung des Seilbahnprojektes sei, mit Bürgern, zum Beispiel der Bürgerinitiative, im Gespräch zu bleiben, schildert er.
Aussicht auf die Zukunft
In Deutschland gibt es im Gegensatz zu beispielsweise Mexiko, die urbane Seilbahnen gut als Verkehrsmittel integriert hat, mehr Hürden bei der Umsetzung einer Seilbahn im urbanen Raum. Insbesondere müssen die rechtlichen Vorschriften berücksichtigt werden. Das geht aus dem Schlussbericht der Studie für urbane Seilbahnen im ÖPNV heraus. Zum Beispiel sind Privat- und Wohngrundstücke besonders geschützt und es sei mit einem hohen Widerstand der Betroffenen zu rechnen, sobald Wohnräume überflogen werden. Das führe wiederum zu Projektverzögerungen.
Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es in deutschen Städten allerdings ein gut ausgebautes ÖPNV Netz. Teilweise hat das jedoch Lücken. Laut Schlussbericht könnten für diese Lücken urbane Seilbahnen infrage kommen. Stefan Tritschler vom VWI sagt, „Eine Seilbahn kann keinen Bus ersetzen, besonders in der Feinverteilung. Aber sie kann ihn ergänzen.“ Momentan seien die Planungen in Bonn am weitesten fortgeschritten, dies könne durchaus die erste urbane Seilbahn in Deutschland sein, die den ÖPNV ergänzt, erklärt er.
Die Vorstellung, mit einer Gondel direkt am Campus anzukommen, wird also erstmal nicht wahr werden und Studierende müssen erstmal weiterhin die üblichen Verkehrsmittel nutzen. Aber auch da gibt es neue Innovationen. Eine davon ist der Ideenzug, ein Konzept der Deutschen Bahn AG. Wie die Bahnreise der Zukunft aussieht und was der Ideenzug Spannendes für Studierende zu bieten hat, erfahrt ihr im Podcast unserer Redakteurinnen.